Glauben an einem Ort des Wissens

10. Februar 2016 in Kommentar


Aus einem Brief an Studienanfänger des Faches Katholische Theologie. Von Helmut Müller


Vallendar (kath.net) Die von Bischof Stefan Oster aufgegriffene Diskussion um das Verhältnis von lehramtlicher und universitärer Theologie hat mich bewegt, meinen Brief an Studienanfänger des Faches Kath. Theologie zu veröffentlichen, den ich jetzt schon seit einigen Jahren über das universitäre Nachrichtensystem an Interessenten meiner Vorlesung Glaube und Vernunft schreibe.

Liebe am Theologiestudium Interessierte,
wir treffen uns hier in einer Veranstaltung der Kath. Theologie aus drei Studiengängen. Zuerst das Gemeinsame. Sie alle hören vermutlich zum ersten Mal etwas über Glauben an einem Ort des Wissens, was ja eine Universität sein will. Für viele ist das ein Gegensatz schlechthin, z. B. für Deutschlands Berufsatheisten Michael Schmidt-Salomon: Glaubst Du noch oder denkst Du schon. Egal wie Sie selbst dazu stehen, wir werden dieses Verhältnis im Laufe des Semesters klären. Nun das Trennende:

• Für diejenigen, die ihr Studium Kath. Theologie für das Lehramt beginnen, ist es die erste Veranstaltung.
• Diejenigen, die ihr Studium Bildungswissenschaften beenden, möglicherweise die letzte Veranstaltung und
• die Kulturwissenschaftler, die sind irgendwie noch mittendrin.

D. h. bis auf die erste Gruppe braucht man nicht katholisch zu sein, die anderen können alles Mögliche sein. Vielleicht komme ich im Laufe des Semesters dem einen oder anderen vor wie ein Eingeborener vom Stamme der Römisch-Katholischen. Wenn es so ist, sollten Sie nicht einfach weggehen, sondern die Veranstaltung so sehen wie eine Art Feldforschung. Früher ist man dazu nach Afrika gegangen und war ganz verwundert und erstaunt, an was die Leute so alles glauben. Das erlebt der eine oder andere vielleicht hier im Hörsaal. Der Australier John Leslie Mackie hat genau einen solchen Eindruck von Christen in seinem Buch, „Das Wunder des Theismus“, in dem er sich darüber auslässt, was für wunderliche Dinge Christen so alles glauben. Wenn ich Ihnen auch so vorkomme, sind Sie also noch nicht fehl am Platze, ich versuche diskursfähig zu bleiben und mit Vernunftargumenten diesen Glauben plausibel darzustellen. Im Übrigen glauben Sie mir nichts. Hinterfragen Sie alles. Kopfnicker gibt es genug. Glauben gehört in die Kirche, Argumente an die Universität. Wenn hier also dennoch Glauben thematisiert wird, dann kann er nur argumentativ bestehen. D. h. nicht, dass Sie meine Darstellung für sich dann plausibel finden. Sie sollten aber wenigstens bemerken, wie ich mich anstrenge, es zu tun. Seit dem 1. Petrusbrief und davor haben Christen immer wieder versucht für diesen Glauben vernünftig Rechenschaft zu geben.: Im 1. Petrusbrief heißt es dazu: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu geben, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr. 3,15) Und dieses Bezeugen der Hoffnung soll auch nicht bloß blauäugig optimistisch sein, sondern war damals schon kritisch begründet, wenn es im 2. Petrusbrief heißt: „Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe“ (2Petr. 1,16)

„Die Vernunft braucht das Unendliche, und sie gipfelt in der Sehnsucht und in der Ahnung, dass sich das Unendliche offenbart“, so dachten vor Jahren junge Christen in Rimini über ihren Glauben nach. Das Christentum glaubt, dass uns Gott über dieses Unendliche nicht im Unklaren lässt! Schon das Judentum war der Auffassung, dass Gott sich dem Menschen in Gestalt der Erzväter offenbart, ja sogar einen Bund mit ihnen geschlossen hat mit der Verheißung von Land und Nachkommenschaft. Diesen Bund hat das Volk allerdings immer wieder gebrochen, in dem es diese Verheißungen nicht selten selbst oder anders erfüllen wollte oder von woanders her erwartete. Besondere, auserwählte Menschen, die Propheten, hat Gott dann bestellt und berufen, Israel fortwährend an diesen Bund zu erinnern, ihn zu beherzigen, zu erneuern, zu erfüllen, ja sich diesen Bund jederzeit zu vergegenwärtigen.

Christen sehen diese Verheißung und Erwartung in der Menschwerdung Gottes im Mann aus Nazareth personalisiert und erfüllt. In Jesus von Nazareth bekommt diese treue und barmherzige Liebe Gottes ein menschliches Gesicht und menschliche Gestalt. Wie unsere Kinder uns „wie aus dem Gesicht geschnitten gleichen“ offenbart sich die Liebe Gottes geschichtlich und räumlich in der Gestalt des Nazareners, des Mannes aus Galiläa. Die Hl. Schrift bezeugt diese Offenbarung der Liebe Gottes und das sich auf Jesus v. Nazareth zurückführende neue Gottesvolk, das alle Menschen umfassen soll, hat dieses Zeugnis ursprünglich als Augen und Ohrenzeugnis aufgenommen und trägt es weiter in Raum und Zeit. Glaube kommt also vom Hören und nicht, wie manche zu meinen glauben, vom Träumen.

Heilige Schriften sind allerdings gefährlich, nicht nur jugendgefährdend, nein gemeingefährlich. In den Händen von Sektierern sind sie lebensgefährlich und können ganze Gemeinschaften und Gesellschaften in den Abgrund stürzen. Sie glauben von Gott selbst Aufträge zu bekommen für ihre wirren Botschaften. Die Kath. Kirche wie auch die orthodoxe Kirche sind daher der Auffassung, dass sie immer im Lichte der Tradition und eines Lehramtes gelesen werden müssen.

Glauben ist somit vor allen Dingen eine Lebensrealität, eine Orthopraxie und damit zu allererst rechtes Handeln, Bekennen, Feiern, Beten. Diese Akte des Glaubens sind das Primäre des Christentums, überhaupt jeder Religion, Theologie, die vernunftgeleitete Reflexion auf diese Praxis ist dagegen etwas Sekundäres, eine Orthodoxie. Können Sie sich einen Schwimmlehrer vorstellen, der nicht gerne schwimmt oder einen Musiklehrer, der kein Instrument spielt? Leider gibt es so etwas in der Theologie. In der Schweiz und den Niederlanden gibt es sogar zwei evangelische Pfarrer, die öffentlich bekennen, nicht mehr an Gott zu glauben. Theologie und praktizierter Glauben gehören zusammen. Werden also die Verhältnisse verkehrt, besteht die Gefahr einer Gnosis, d. h. dass das Heil zuallererst durch die richtige Reflexion und nicht in der rechten Praxis gesucht wird. Universitäre Theologie ist ständig dieser Gefahr ausgesetzt, da sie dazu neigt sich zu wichtig zu nehmen. Dagegen hilft das Diktum von Hans Urs von Balthasar: „Der Theologe sollte denen zuhören, die am meisten von Gott wissen, das sind die großen Liebenden.“ Damit meint er nicht Leute wie Lothar Matthäus, sondern die großen Heiligen: Franz von Assisi, Elisabeth von Thüringen und Mutter Teresa und ich persönlich meine ganz besonders Johannes Paul II. Zu Beginn meines Theologiestudiums in Bonn vor nunmehr fast 40 Jahren gab es auch einen Grundkurs, der die Aufgabe hatte persönliches Glaubensleben mit theologischer Reflexion, was ja ein Studium der Theologie mit sich bringt, zu verbinden: Also Glaube als Glaubensleben ist das Primäre, Theologie, die Reflexion darüber, ist das Sekundäre. Wer nun nichts Primäres lebt und kennt – worüber soll der reflektieren? Wenn Sie Glauben erst in ihrem Theologiestudium kennen lernen, und wie ich seit einigen Jahren weiß, erst durch diese Vorlesungsreihe überhaupt, dann sollte es sich nicht in einer Reflektion der Reflektion erschöpfen. Für die künftigen Religionslehrer gilt: Wenn es sich so erschöpft, dann gleicht Ihr Studium dem berühmten Blinden, der über Farben sprechen soll oder dem Wasserscheuen, der Schwimmlehrer werden möchte. So viel zum grundlegendsten Verhältnis, das es zwischen Vernunft und Glauben gibt, ich nenne es das existentielle Verhältnis, das persönliche Glaubensleben sollte intellektuell reflektiert, und mit Vernunft formiert sich angeeignet werden. Mit welchen Voraussetzungen auch immer Sie vor mir sitzen oder sitzen werden, hoffe ich, Ihnen etwas von der Farbenlehre des Glaubens mitteilen zu können, oder wenn sie darin schwimmen möchten, die Wasserscheue zu überwinden,
im Übrigen

herzlich Willkommen zur ersten Veranstaltung.

Ihr
Helmut Müller

kath.net-Lesetipp:
Unterirdische Ansichten eines Oberteufels über die Kirche in der Welt von heute
Von Helmut Müller
80 Seiten
2015 Dominus Verlag
ISBN 978-3-940879-38-7
Preis 5.10 EUR

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