Jugendliche Flüchtlinge können auch ohne Familienclan aufwachsen

10. Februar 2016 in Aktuelles


MDR: „Cap Anamur“-Gründer Rupert Neudeck ist gegen Familiennachzug bei unbegleiteten Flüchtlingsjugendlichen – Schlepperbanden schaffen sonst „neues großes Kontingent, das zu uns kommt“ – Flüchtlinge sollten auf „Eigenarbeit“ verpflichtet werden


Berlin (kath.net) Es „gibt ganz wenige Möglichkeiten“, die Flüchtlingszahlen zu begrenzen, doch „eine davon ist die Begrenzung des Familiennachzugs für unbegleitete Minderjährige. Wenn man das nicht tut, dann kann man gleich alles verabschieden, muss das aber dem Volk auch sagen, dass es keine Rücknahme der Zahlen der Flüchtlinge gibt für die nächsten Monate.“ Es sei „nicht zu fassen, was die Parteien da anrichten“. Dies stellte Rupert Neudeck, Journalist, Menschenrechtsaktivist und „Cap Anamur“-Gründer (Foto), im Interview mit dem „MDR“ fest. Neudeck hatte sich ab 1979 für die Rettung vietamesischer Flüchtlinge („Boat people“) stark engagiert.

Der Aussage, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ihre Familie bräuchten, unterstellte Neudeck einen „Denkfehler“. Die Schlepperbanden wüssten um die Diskussion über unbegleitete Minderjährige „sehr genau und sie sammeln die unbegleiteten Einzelkinder von 12 bis 18 Jahren und schaffen damit eben ein neues, großes Kontingent, das zu uns kommt“. Diese jungen Menschen könnten „bei uns“ natürlich auch ohne ihre Familien aufwachsen, wie Neudeck unter Verweis auch auf einen jungen Afghanen im eigenen Haus erläuterte. Sie bekämen eine gute Berufsausbildung. Es sei „keine unbedingte Voraussetzung, dass der Familienclan aus Kabul oder Kandahar dann hierher nachkommt“.

Neudeck nannte es „Realität“, dass Eltern ihre Kinder auf die gefährliche Reise schicken würden in der Hoffnung, dann selbst nachkommen zu können. Das sei auch schon vor 36 Jahren bei vietnamesischen Familien so gewesen, die „aus Furcht vor der Verfolgung in Vietnam“ ihr Kinder „von drei bis sechs bis acht Jahren auf die Boote geschickt haben“ in der Erwartung, dass später die Familien über das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen nachkommen können. „Das ist eine Realität, die man nicht aus den Augen verlieren darf, wenn es jetzt in dieser ernsten Situation in Deutschland darum geht, wie können wir es vielleicht schaffen, die Zahlen derer, die auf Deutschland und auf Europa drücken, ein bisschen zu vermindern.“

Bezüglich der Integrationspolitik stellte Neudeck fest: da die Hälfte der Flüchtlinge „jüngere Menschen sind“, bräuchten sie „vom ersten Tag an einen gegliederten Tag mit Verpflichtungen zur Eigenarbeit“, der man sich nicht selbst entbinden könne. „Deutschkurse sind nicht etwa ein ‚Angebot‘ an die Flüchtlinge, was immer noch in den Häusern so steht, sondern sind eine ganz klare Verpflichtung“. Auch müssten „die Häuser von den Flüchtlingen selbst gereinigt werden, die Toiletten müssen selbst gereinigt werden, es müssen Arbeiten für diese Menschen geschaffen werden im kommunalen Bereich und es muss eben auch die erste Vorbereitung für die Berufsausbildung dieser jungen Menschen, nachdem sie den Deutschkurs gemacht haben, beginnen.“

Der Blick auf die Integrationspolitik in Deutschland „bereitet mir große Kopfschmerzen“. Denn das alles, was er fordere, sei i.d.R. von der Verwaltung weder gedacht noch durchführbar. „Da werden diese Heime immer gleich von Organisationen – kostenpflichtig für den Steuerzahler – betrieben und diese Organisationen richten gleich die Reinigungsdienste ein, d.h. die Flüchtlinge können gar nicht diese Arbeiten übernehmen nach den bisherigen Maßgaben der deutschen Verwaltung. Da sehe ich schwarz. Wir haben ganz große Schwierigkeiten der Helfer mit der deutschen Verwaltung und Bürokratie.“

Archivfoto Rupert Neudeck © Wikipedia/Dontworry
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