'Ohne Eliten geht es nicht'

8. Februar 2016 in Kommentar


„Das Ergebnis zählt. Am meisten haben Gesellschaften von im wahrsten Sinne Unternehmungslustigen profitiert: nämlich von Menschen, die aufgebrochen sind, um etwas zu verändern.“ Eine Kolumne von Dr. Marcus Franz


Wien (kath.net) Eine der Grundvoraussetzungen jedes prosperierenden gesellschaftlichen Lebens heißt Ungleichheit. Alle historischen Entwicklungen beweisen, dass nur unter grundsätzlich ungleichen Verhältnissen jene dynamischen Prozesse entstehen können, die eine Weiterentwicklung von Gesellschaften ermöglichen. Egal, ob in Kunst oder Wissenschaft, ob in der Wirtschaft oder im Sport oder in welcher Sparte auch immer, Weiterentwicklungen gedeihen nur dann, wenn Einzelne oder Gruppen neue Ideen und Leistungen bringen oder wenn sie das Neue und Unbekannte wagen und sich damit abseits der Gleichheit bewegen.

Die Motive sind hierbei unerheblich, es ist prinzipiell gleichgültig, ob jemand nur mehr verdienen will oder schneller und besser sein will als sein Konkurrent oder ob er/sie einfach nur etwas bisher noch nicht Dagewesenes kreieren möchte – das Ergebnis zählt. Am meisten haben Gesellschaften von im wahrsten Sinne Unternehmungslustigen profitiert: nämlich von Menschen, die aufgebrochen sind, um etwas zu verändern. Historische Belege dafür füllen ganze Bibliotheken.

Politische Ideologien, die a priori auf dem Willen zur staatlichen Herstellung einer völligen gesellschaftlichen Gleichheit beruhen, (ver-)führen die Bürger in eine prinzipiell kontraproduktive Richtung. Zum einen, weil sie wider die menschlichen Grundeigenschaften wie Ehrgeiz, Erfindungsgeist und Mut agieren und zum anderen, weil sie durch das Ansinnen der Gleichheit immer nur eine Nivellierung nach unten begünstigen, da ja zuerst eine biologische Gleichheit der Menschen in jeder Hinsicht herzustellen wäre und dies bekanntermaßen nicht möglich ist: Menschen sind ganz einfach nicht gleich.

Und gerade diese Unterschiede erzeugen die Fülle von individuellen Möglichkeiten und Lebensläufen, sie bieten Raum für Phantasien, Vorbildwirkungen und Kreativität. Der Wille zur Gleichheit hingegen führt letztlich zur Hemmung der Weiterentwicklung. Sozio-ökonomischer Fortschritt gelingt nur, wenn sich immer wieder Eliten bilden, die als Avantgarde einer Gesellschaft Neues schaffen und auf diese Weise anderen Gesellschaftsgruppen Anreize geben, ihnen nachzufolgen. Das Szenario der gesellschaftlichen Gleichheit ist das Ende jedes Individualismus, jeder persönlichen Freiheit und jedes Fortschrittgedankens. Gleichheit bedeutet das Absterben jedes dynamischen gesellschaftlichen Prozesses und letztlich also den Stillstand allen Lebens.

Erstrebenswert hingegen ist es sehr wohl, im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts den Einzelnen möglichst breite und gleiche Chancen zur Bildung und Weiterentwicklung zu geben und die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich diejenigen, die das Potenzial haben, möglichst gut entfalten können - und zwar ohne Ansehen von Herkunft, Rang oder Namen. Förderung von Förderungswürdigen und nicht Versorgung von Unwilligen oder Unfähigen um jeden Preis sollte dabei die Devise sein.

Dass dabei niemand unter die Räder kommen soll, versteht sich in einer verantwortungsbewussten, christlich-europäisch geprägten zivilen Gesellschaft wie der unseren von selbst. Zweifellos müssen soziale Probleme thematisiert werden, aber vernünftig und sachlich und nicht mit jenem pseudo-emotionalen Gestus und jener phraseologischen Wortwahl, welche wir nur allzu oft im sozialpolitischen Diskurs vernehmen müssen.

Vor allem der inhaltsleere Begriff der Sozialen Gerechtigkeit sollte aus dem politischen Vokabular herausgenommen werden. Die Begründung dafür hat der österreichische Ökonom und Nobelpreisträger F.A. Hayek schon vor über 20 Jahren geliefert: „Das Wort Soziale Gerechtigkeit ist Unsinn, weil der Begriff Gerechtigkeit die Regeln des Handelns bestimmt und nicht eine Zuteilungstätigkeit. Und handeln können nur Individuen, nicht der Staat. Die ganze Idee, dass der Staat bestimmt, was jeder haben soll, hat mit dem eigentlichen Gerechtigkeitsgedanken überhaupt nichts zu tun; es ist ein Missbrauch des Wortes.“ (Zürich, 1981).

Grundsätzlich würde es der sozialpolitischen Debatte also gut tun, die längst untauglich gewordenen Begriffe Gleichheit, Soziale Gerechtigkeit und Solidarität neu zu definieren: Gleichheit kann es nur im rechtlichen Sinne als Gleichheit vor dem Gesetz und als Gleichheit der Chancen geben. Auf der anderen Seite ist klar festzuhalten, dass die Ungleichheit der Individuen das Lebenselixier jeder Gesellschaft und zunächst daher prinzipiell notwendig ist. Der Topos Soziale Gerechtigkeit sollte aufgrund seiner Unsinnigkeit überhaupt ersatzlos aus der politischen Diktion gestrichen werden. Und der Begriff Solidarität darf nicht als finanzielle Einbahnstraße unter der Prämisse „Zahlen sollen die Anderen!“ verstanden werden, sondern in erster Linie als Aufruf zur Eigenverantwortung, denn nur wer für sich selbst sorgen kann oder sich zumindest redlich darum bemüht, wird dies auch für andere können.

Dr. Marcus Franz ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP und regelmäßiger Kolumnist auf kath.net. Dr. Franz ist verheiratet und hat drei Kinder. Außerdem ist er Facharzt für Innere Medizin und ehemaliger Primarius und ärztlicher Direktor des Hartmannspitals in Wien.

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— KATH.NET (@KatholikenNet) 26. Januar 2016




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