Der Papst und die ‚konservativste’ Rota-Ansprache der letzten Jahre

23. Jänner 2016 in Aktuelles


Franziskus: die Ehe in ihren wesentlichen Elementen – Nachkommen, Wohl der Ehegatten, Einheit, Unauflöslichkeit, Sakramentaliltät – ist kein Ideal für Wenige, sondern eine Wirklichkeit für alle Getauften. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Am 22. Januar eröffnete Papst Franziskus mit einer Ansprache an das Gericht der Römischen Rota das Gerichtsjahr. Nach zwei Jahren, in denen sich die Kirche im Rahmen einer außerordentlichen und einer ordentlichen Bischofssynode der Problematik von Ehe und Familie in der modernen Welt zugewandt hatte, wurde diese Ansprache vor allem unter zwei Aspekten erwartet: unter dem Aspekt des Scheiterns der Ehe und der wiederverheirateten Geschiedenen sowie dem Aspekt dessen, was in Deutschland unter dem Begriff „Ehe für alle“ bekannt und in Italien im Moment aktuell ist, da im Parlament ein Gesetz zur zivilrechtlichen Anerkennung von alternativen (auch homosexuellen) Lebensgemeinschaften zur Abstimmung ansteht.

Der vor allem in säkularen Medien gepflegten Legende nach ist Papst Franziskus ja ein „revolutionärer“ Papst, der für viele nicht zögern würde, auch Grundfeste der Lehre zur Abstimmung zu stellen, sie im Horizont von neuen „Lebenswirklichkeiten“ zu beurteilen, die Lehre hinter individuelle Gewissensentscheidungen zu stellen, die Ergebnis einer besonderen Unterscheidung der Geister sein sollten. Wer dem Duktus des Denkens und Handelns des Papstes dagegen aufmerksam folgt, kann weder revolutionäre Umbrüche noch liberale Aufbrüche erkennen. Vielmehr könnte eine bei Päpsten ungewohnte Zweideutigkeit festgestellt werden, woraus sich oft die Notwendigkeit einer konstanten Interpretation von Papstworten ergibt. Dies stellt Anforderungen, die es umso mehr verbieten, plakative Revolutionsparolen zu schwenken oder, wie dies sogar ein Kardinal gewagt hat, von „Krieg“ zu sprechen, sollte diesem angeblich „Neuen“ nicht entsprochen werden.

Nun hat gerade dieser „revolutionäre“ Papst die „konservativste“ Rota-Ansprache der letzten Jahrzehnte gehalten und auch nicht gezögert, problematische Elemente des jüngsten Motu proprio „Mitis iudex Dominus Iesus“ über die Reform des kanonischen Verfahrens für Ehenichtigkeitserklärungen im Codex des kanonischen Rechtes (15. August 2015) zu korrigieren. Aber der Reihe nach.

Zunächst nahm Franziskus die Definition der Sacra Rota Romana auf, mit der sein Vorgänger Pius XII. ihren Aufgabenbereich umschrieben hatte. Dieses Gericht war für den ehrwürdigen Diener Gottes „Gericht der Familie“, damit die Kirche, die untrennbar mit der Familie verbunden sei, fortfahre „den Plan des Schöpfergottes und Erlösers für die Heiligkeit und Schönheit der Einrichtung der Familie zu verkünden.

Dieser Wesensbestimmung des Gerichts der Sacra Rota fügte Franziskus, über Pius XII. hinausgehend, eine weitere komplementäre hinzu. Das Gericht dürfe nicht vergessen, dass es „Gericht der Wahrheit“ sei. Der Papst unterstrich: „die Kirche kann die vollkommene und unfehlbar barmherzige Liebe Gottes gegenüber den Familien zeigen, besonders gegenüber den durch die Sünde und die Prüfungen des Lebens verletzten, und gleichzeitig die unverzichtbare Wahrheit der Ehe nach dem Plan Gottes verkünden“.

Der zweijährige Synodenprozess habe eine vertiefte Unterscheidung gestattet, dank derer „die Kirche der Welt gezeigt hat , dass es keine Verwirrung zwischen der von Gott gewollten Familie und jeder anderen Art von Verbindung geben darf“.

Der Papst zitierte Papst Pius XI. Dieser hatte in „Casti connubii“ unterstrichen, dass die auf der unauflöslichen Ehe gegründete, eine und auf Fortpflanzung ausgerichtete Familie zum „Traum“ Gottes und seiner Kirche für das Heil der Menschheit gehöre.

Die Familie und die Kirche trügen auf verschiedenen Ebenen dazu bei, den Menschen zum Ziel seines Daseins zu begleiten. Gerade weil die Kirche „mater et magistra“ sei, wisse sie, dass einige unter den Christen einen starken, von der Liebe geformten Glauben hätten, „der von einer guten Katechese gestärkt und vom Gebet und sakramentalen Leben genährt wird, während andere einen schwachen Glauben haben, der vernachlässigt und nicht geformt wurde, wenig erzogen oder vergessen worden ist“.

An dieser Stelle korrigierte der Papst eine missverständliche und von vielen Theologen und Kanonisten kritisierte Aussage in seinem Motu proprio zur Reform der Ehenichtigkeitsprozesse, wo es hieß: „Zu den sachlichen und persönlichen Umständen, welche die Behandlung der Ehenichtigkeitssache auf dem Weg des kürzeren Prozesses gemäß cann. 1683 – 1687 nahelegen, werden als Beispiele angeführt: jener Mangel an Glauben, der die Simulation des Konsenses oder den willensbestimmenden Irrtum hervorbringen kann;...“ (Art. 14, §1).

Jetzt unterstrich Franziskus dagegen: „Es ist gut, eindeutig zu bekräftigen, dass die Qualität des Glaubens nicht die wesentliche Bedingung für den Ehekonsens ist, der entsprechend der immerwährenden Lehre nur auf natürlicher Ebene unterminiert werden kann (CIC, can. 1055 § 1 und 2).

Und weiter: „Der ‚habitus fidei’ wird im Augenblick der Taufe eingegossen und fährt fort, seinen geheimnisvollen Einfluss auf die Seele zu haben, auch wenn der Glaube nicht entwickelt ist und psychologisch abwesend zu sein scheint“. Verfehlungen in der Bildung des Glaubens und auch der Irrtum hinsichtlich der Einheit, der Unauflöslichkeit und sakramentalen Würde der Ehe „verderben den Ehekonsens nur, wenn sie den Willen bestimmen (vgl. CIC can. 1099). Gerade aus diesem Grund müssen die Irrtümer, die die Sakramentalität der Ehe betreffen, sehr sorgfältig gewertet werden“.

Abschließend hob der Papst hervor, dass die Kirche mit erneuertem Sinn für Verantwortung die Ehe in ihren wesentlichen Elementen – „Nachkommen, Wohl der Ehegatten, Einheit, Unauflöslichkeit Sakramentaliltät“ – nicht als Ideal für wenige vorschlage, sondern als Wirklichkeit, die dank der Gnade Christi von allen getauften Gläubigen gelebt werden könne. Franziskus betonte in diesem Zusammenhang die pastorale Dringlichkeit einer Art von „Ehevorbereitungs-Katechumenat“, die alle Strukturen der Kirche einbegreifen solle, wie dies auch von einigen Synodenvätern angeregt worden sei.

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