Alle Jahre wieder - Ungleichheit als Waffe

22. Jänner 2016 in Kommentar


Kardinal Schönborn verurteilt Vermögensungleichheit und äußert sich mit falschen Argumenten zu falschen Zahlen - Ein Kommentar von Christof T. Zeller-Zellenberg


Wien (kath.net)
Alle Jahre wieder prangert ein britischer Verein, der selbsternannte Vermögenswächter Oxfam, die ungleiche Verteilung von Vermögen in der Welt an und behauptet, das wäre die Ursache vieler Krisen unserer Zeit. Und alle Jahre wieder springen Theologen auf diesen Zug auf und fordern politische Maßnahmen gegen diese angebliche Ungerechtigkeit. So nun auch wieder einmal der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in einem Artikel für die Gratis-U-Bahn Zeitung „Heute“.

Allerdings sind sowohl die Aussagen von Oxfam weitgehend irreführend als auch die darauf aufbauenden Stellungnahmen von Theologen, die keine wirtschaftliche Ausbildung haben, entbehrlich und verwirrend.

Vorweg: Natürlich ist Vermögen in jeder Gesellschaft und weltweit ungleich verteilt. Das ist wie ein Naturgesetz. Die einen arbeiten hart, die anderen leben von der sozialen Wohlfahrt. Die einen studieren und haben eine internationale Ausbildung, die anderen haben maximal einen Pflichschulabschluß. Die einen sind von Natur klüger, die anderen weniger mit Intelligenz gesegnet. Die einen haben Glück, die anderen haben Pech. Die einen finden Erdöl, die anderen müssen Kartoffeln anbauen. Die einen können laufen, wie der Olympiasieger Usain Bolt oder Skifahren wie Hermann Maier und verdienen damit Millionen, und andere sitzen im Rollstuhl.

Nicht außer Acht lassen darf man, dass Ungleichheit auch ein gesellschaftlicher Leistungsanreiz ist. Immerhin zeigen alle gesellschaftlichen Experimente der letzten 200 Jahre, dass überall dort, wo man mit politischen Mitteln mehr Gleichheit in der Vermögensverteilung geschaffen hat, gleichzeit die Gesamtleistungsfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaft massiv abgenommen hat. Man denke nur an alle sozialistischen Experimente, weltweit. Sie haben Hungersnöte, Verarmung, unglaubliche Umweltverschmutzung, geringe Lebenserwartung, etc. hervorgebracht. Im Vergleich dazu haben alle freien Systeme mit wenig Umverteilung größtes Wachstum, allgemeinen Wohlstand, technischen Fortschritt etc. hervorgebracht. Das Motto: „Alle sollen gleich sein“ bringt immer „alle gleich arm“ hervor!

Jedoch ist der Oxfam Bericht auch aus anderen Gründen, wie so vieles was ideologisch gefärbt ist, unbrauchbar. Zuerst unterscheidet er nicht zwischen Netto- und Bruttovermögen. Jeder Hausbesitzer, dessen Haus einen Marktwert von EUR 500T hat, der dieses aber mit EUR 400T kreditfinanzieren mußte, ist eben nicht Besitzer von einer halben Million, sondern maximal von 100T. Weiters ist Vermögen nicht überall gleich viel Wert. Jemand, der in Wien EUR 100,- pro Monat verdient, ist extrem arm. Aber dieselbe Person könnte in einem afrikanischen Dorf mit diesem Geld wie ein König leben! Also müssen die sogenannten Kaufkraftparitäten berechnet werden. Außerdem ist bei derartigen statistischen Durchschnittswerten die demographische Situation einzuberechnen.

Auch kritisiert Oxfam Bericht unser „kaputtes Wirtschaftssystem“ und fragt nicht, warum uns die OECD, die Weltbank, die UNO, der IMF, etc. nachweisen, dass in den letzten 20 Jahren die Zahl der ärmsten Menschen weltweit massiv rückläufig ist und über 1,5 Milliarden Menschen aus bitterster Armut aussteigen konnten. Das scheint zumindest ein Kontraindikator zu den Thesen von Oxfam zu sein.

Nunmehr fordert Kardinal Schönborn eine höhere Besteuerung der Reichen und das Trockenlegen von „Steueroasen“. Leider beruht das auf einem vollkommenen Missverständnis von Kapital. Kapital ist immer sozial! Kein Reicher sitzt wie Dagobert Duck auf seinen Münzen im Geldspeicher. Nein, sein Kapital arbeitet auf den globalen Kapitalmärkten und dient somit anderen Menschen. Sein Geld wird von Banken als Kredit an Menschen oder Unternehmen gegeben, die zu wenig Kapital haben. Sein Geld stellt Unternehmen Fremdkapital (Anleihen) oder Eigenkapital (Aktien) zur Verfügung. Sein Geld schafft in seinen Unternehmen Arbeitsplätze und zahlt Löhne an Menschen, die sonst arbeitslos wären. Seine Kapitalerträge zahlen Steuern und unterstützen somit ärmere Menschen. Sein Geld kauft Staatsanleihen und finanziert somit die Sozialleistungen des Staates. Diese Liste könnte man fast endlos fortsetzen.

Also muß es im Interesse jedes Staates sein, daß seine Bürger soviel Reichtum/Kapital wie möglich aufbauen können. Das werden sie aber nur tun, wenn ihnen soviel wie möglich vom Lohn ihrer Arbeit oder ihrer Investitionen bleibt. Denn sonst zahlt sich die Mühe und das Risiko einfach nicht aus und wird nicht eingegangen. Hier schließt sich der Kreis zu den sozialistischen Experimenten in vielen Ländern.

Die logischerweise richtige Forderung von Kardinal Schönborn wäre also: Lasst den Menschen ihre Freiheit! Lasst sie ungehindert arbeiten und investieren. Nehmt ihnen nur minimale Steuern weg. Trocknet die sogenannten „Steueroasen“ nicht aus, sondern nehmt sie als Wettbewerbsmotor für Steuersenkungen auch in anderen Ländern! Verteilt Vermögen nicht um, also nehmt es nicht den einen weg, um es den anderen zu schenken, sondern schafft Freiräume und Leistungsanreize, damit jeder sich ein eigenes Vermögen erarbeiten kann. Helft nur dort, wo die betroffene Person alleine nicht auf die Beine kommt und lasst diese Hilfe möglichst auf privater Initiative beruhen! Das entspricht auch dem katholischen Subsidiaritätsprinzip!

Unsere Kirche soll mahnen und unsere Kirche soll lehren! Aber sie sollte ganz dem Prinzip von Fides et Ratio folgend, die Ratio nicht ausblenden und zuerst die Fakten verstehen, bevor sie sich auf fremdes Terrain wagt und Meinungen abgibt.

Christof T. Zeller-Zellenberg ist Mitarbeiter der kath.net-Redaktion. Er war 15 Jahre in der Deutschen Bank und dort Direktor für PWM REE. Er ist Ökonom, Investor und Vorsitzender des Europa Institut und Vortragender zu politischen Themen in aller Welt.


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