Koch: Suche nach Identität darf kein Hindernis für Ökumene sein

17. Jänner 2016 in Weltkirche


Präsident des Päpstlichen Einheitsrates in "Der Sonntag"-Interview über bisherige Erfolge und aktuelle Gefahren in der Ökumene - Neuer Konsens gefordert, "wohin ökumenische Reise gehen soll"


Wien (kath.net/KAP) Man kann nur dann einen echten ökumenischen Dialog führen, wenn man fest in der eigenen Identität verwurzelt ist. Das betonte der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, in einem Interview der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag". Die derzeit in beinahe allen christlichen Kirchen festzustellende Suche nach der eigenen Identität habe aber auch ihre Grenzen, so der Schweizer Kurienkardinal.

Es sei problematisch, wenn an die Stelle der zuletzt über Jahrzehnte gewachsenen Überzeugung, "dass das, was uns schon eint, viel größer ist als das, was uns noch trennt", eine neue "Ökumene der Profile" oder "Differenz-Ökumene" tritt. Diese hebe das Unterscheidende hervor und werde "konfessionalistisch verabsolutiert". "Dann wird die Suche nach der eigenen Identität zum Hindernis für die Ökumene statt zur Chance gegenseitiger Verständigung und Bereicherung", warnte Koch.

In den vergangenen Jahrzehnten sei ein "Netz von freundschaftlichen Beziehungen" als tragfähiges Fundament für das ökumenische Gespräch entstanden. Freilich sei das eigentliche Ziel - die Wiederherstellung der Einheit der Christen - noch nicht erreicht, betonte der Kardinal: "Sie ist und bleibt aber das Ziel der Ökumene. (...) Christus selbst hat darum gebetet, dass seine Jünger eins sein sollen. Es gibt deshalb zur Ökumene keine Alternative."

Nach katholischem Verständnis müsse diese Einheit im Glauben, im sakramentalen Leben und in den kirchlichen Ämtern zum Ausdruck kommen. Diese Zielvorstellung werde heute freilich von nicht wenigen protestantischen Kirchen und Gemeinschaften nicht mehr geteilt, sondern zugunsten des Postulats der gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen kirchlichen Realitäten und damit als Teile der einen Kirche Jesu Christi ersetzt. Koch: "Wir müssen uns deshalb heute vor allem um einen neuen Konsens darüber bemühen, worin das Ziel der Ökumene besteht und wohin die ökumenische Reise gehen soll."

Papstprimat als Hindernis

Hinsichtlich der Orthodoxie spiele derzeit noch vor allem die Frage des Primats des Papstes eine trennende Rolle. Schon Papst Johannes Paul II. habe dazu aufgerufen, dass Ost- und Westkirche gemeinsam über den Primat des Bischofs von Rom nachdenken; mit dem Ziel, eine Form der Primatsausübung zu finden, "die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet". Mit dieser Unterscheidung zwischen dem Wesen des Primats und der konkreten Form seiner Ausübung sei eigentlich die Türe für eine ökumenische Verständigung über das Papstamt weit geöffnet worden, zeigte sich Kardinal Koch überzeugt.

Im ökumenischen Dialog mit den Orthodoxen Kirchen habe man diesbezüglich mit dem Dokument von Ravenna im Jahre 2007 auch schon einen wesentlichen Schritt vollzogen. Im Ravenna-Dokument werde betont, "dass Primat und Synodalität wechselseitig voneinander abhängig sind, und dass die Kirche auf allen Ebenen und damit nicht nur auf der lokalen und regionalen Ebene, sondern auch auf der universalen Ebene einen Primat braucht". Das Dokument von Ravenna stelle einen ökumenischen Meilenstein dar, so Koch. Zugleich müsse er aber einräumen, dass gegenwärtig nicht absehbar sei, wann ein weiterführender Konsens über den Primat des Bischofs von Rom erreicht werden kann.

"Im Grunde die eine Kirche in Ost und West"

Koch wörtlich: "Um in dieser schwierigen Frage weiterkommen zu können, müssen auf beiden Seiten Schritte aufeinander zu vollzogen werden, und zwar in der gemeinsamen Überzeugung, dass wir nicht zwei verschiedene Kirchen, sondern im Grunde die eine Kirche in Ost und West und deshalb in besonderer Weise verpflichtet sind, die Einheit im Leben und am eucharistischen Altar wieder zu finden."

Wie der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates weiter betonte, komme in der Ökumene dem Gebet zentrale Bedeutung zu. "Es kann keine Ökumene geben, die nicht im Gebet verwurzelt wäre", so der Kardinal. "Mit dem Gebet bringen wir unsere Glaubensüberzeugung zum Ausdruck, dass wir Menschen die Einheit der Kirche nicht einfach machen und auch nicht über ihre Gestalt und ihren Zeitpunkt verfügen, sondern sie uns nur schenken lassen können."



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Archivfoto Kardinal Koch (c) kath.net/Petra Lorleberg


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