Kardinal Marx: 'Christentum gehört zur Signatur Europas'

22. November 2015 in Deutschland


Münchner Erzbischof: „Jetzt müssen wir stärker in die Tiefen unseres eigenen Glaubens gehen, um das Evangelium zu entdecken. Es ist eine Quelle der Kraft und es gehört zur Signatur Europas.“


Freising (kath.net/pem) Angesichts der aktuellen Bedrohung durch Terrorismus hat Kardinal Reinhard Marx davor gewarnt, der Versuchung nachzugeben, Gewalt mit noch mehr Gewalt zu beantworten. Stattdessen liege gerade in der Konfrontation der europäischen Gesellschaft mit religiös motivierter Gewalt der Weg zur Lösung in der Neuentdeckung der christlichen Wurzeln. „Ja, es braucht eine Wiederentdeckung des Christlichen in Europa, aber in einer neuen Tiefe“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Samstag in seiner Predigt zum Korbiniansfest am Freisinger Domberg. Dagegen sei „Gewalt nie eine Lösung“, auch wenn der Einsatz polizeilicher und militärischer Mittel zum Schutz erlaubt sei.

Ausdrücklich verwahrte er sich dagegen, in diesem Zusammenhang von einer sogenannten Verteidigung des christlichen Abendlandes zu sprechen. „Jetzt müssen wir stärker in die Tiefen unseres eigenen Glaubens gehen, um das Evangelium zu entdecken. Es ist eine Quelle der Kraft und es gehört zur Signatur Europas.“ Es gelte, neu zu erfahren, „worauf alles zielt, was unser Herz bewegt“. Dabei sei nicht gemeint, bloß eine Tradition fortzuführen oder das Christentum als „politisches Programm der Abgrenzung, der Mauern und Schießscharten“ misszuverstehen. Ganz im Gegensatz dazu eröffne die Rückbesinnung auf das Evangelium „einen Horizont, eine Perspektive“.

Was von Jesus Christus in die Welt gekommen sei, habe „unsere Kunst, Kultur, Philosophie und Politik zutiefst geprägt“, sagte Marx. Dabei sei Europa oft selbst von diesem Weg abgewichen. Als Beispiel nannte er den auf Vernichtung angelegten Feldzug Nazi-Deutschlands gegen Polen, der auch von getauften Christen geführt worden sei. Marx erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Hand zur Versöhnung vor 50 Jahren und 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs von den polnischen Bischöfen gereicht worden war. In einem Brief an ihre deutschen Mitbrüder schrieben diese: „Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.“ Der Erzbischof betonte: „Das ist die Kraft des Evangeliums.“ Anlässlich des 50. Jahrestags des Briefwechsels wird Marx mit einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz am Sonntag, 22. November, im polnischen Tschenstochau mit der Polnischen Bischofskonferenz zusammentreffen.

An dem Festgottesdienst zu Ehren des Bistumspatrons, des Heiligen Korbinian, nahm traditionell auch eine Gruppe der südlich von Paris gelegenen französischen Partnerdiözese Évry-Corbeil-Essones teil. Marx sicherte ihnen die Verbundenheit in einer auf Deutsch und Französisch zu Beginn des Gottesdienstes gehaltenen Ansprache zu. „Die Einheit zwischen Deutschland und Frankreich steht fest und auf einem guten Fundament, und auch im Gebet sind wir miteinander verbunden.“ Bei der Messe wurde insbesondere auch für die Terroropfer und deren Angehörigen gebetet.

Korbinian wurde im siebten Jahrhundert im französischen Arpajon geboren. Er wurde der erste Bischof der Diözese Freising, der heutigen Erzdiözese München und Freising, und später deren Bistumspatron. Als 1966 die Diözese Évry-Corbeil-Essonnes gegründet wurde, auf deren Gebiet Arpajon heute liegt, wurde der Heilige Korbinian auch ihr Patron. Die Partnerschaft zwischen den beiden Diözesen wird durch vielfältige Kontakte und gegenseitige Besuche gepflegt.

Der Reliquienschrein des hl. Korbinian im Dom von Freising


Foto Kardinal Marx (c) Erzbistum München und Freising


© 2015 www.kath.net