Eine Art Heiligenfigur

30. Oktober 2015 in Kultur


Filmwissenschaftlerin Lisa Gotto über den Filmhelden James Bond. Von Joachim Heinz (KNA)


Köln (kath.net/KNA) «Spectre» heißt das neue Abenteuer von James Bond, das am 5. November in den deutschen Kinos anläuft. Warum der britische Geheimagent auch nach über 50 Jahren in der Gunst des Publikums weit oben steht, erläutert Filmwissenschaftlerin Lisa Gotto im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die 39-Jährige ist Professorin für Filmgeschichte und Filmanalyse an der Internationalen Filmschule Köln ifs.

KNA: Frau Gotto, seit über 50 Jahren jettet James Bond inzwischen im Auftrag Ihrer Majestät um den Globus. Kennen Sie einen ähnlich durchhaltestarken Filmhelden in der Kinogeschichte?

Gotto: Nein. James Bond ist ohne Zweifel die langlebigste Filmreihe, die es gibt. Zwar haben wir im indischen Bollywood-Kino ein paar lose gekoppelte Produktionen. Aber die haben keinen Doppelnull-Status.

KNA: Was ist mit den ganz frühen Reihen à la Sherlock Holmes oder Fantomas?

Gotto: Bis in die 1920er-Jahre hinein umfassten viele Produktionen nur eine Rolle Film: Ihre Länge war begrenzt, und die Protagonisten mussten mehrfach antreten. Allerdings sind Meisterdetektiv Sherlock Holmes, der geniale Verbrecher Fantomas und James Bond sozusagen aus dem gleichen Holz geschnitzt.

KNA: Inwiefern?

Gotto: Es sind allesamt klar definierte Heldenfiguren, die sich von Fall zu Fall bewähren müssen.

KNA: Was aber macht James Bond so besonders populär? Sein Kampf gegen das Böse oder die Tatsache, dass er selbst aus der größten Katastrophe heil herauskommt, also über fast so etwas wie ein ewiges Leben verfügt?

Gotto: Da ist sicher von beidem etwas dabei. Ein wenig erinnert Bond an die Darstellung von Heiligenfiguren in der bildenden Kunst.

KNA: Ein ketzerischer Gedanke.

Gotto: Der aber gar nicht so abwegig ist. Der britische Agent ist von seiner Erscheinung zunächst einmal ein mehr oder weniger gewöhnlicher Zeitgenosse, der - abgesehen von diversen Gadgets wie schnelle Autos oder ausgefuchste Miniaturwaffen - keinerlei übermenschlichen Kräfte besitzt oder gar ein extraordinäres Kostüm trägt wie etwa Superman. Gleichzeitig verfügt dieser Bond über eine enorme emotionale Grundausstattung, die ihm Ausdauer verleiht und ihn auch die größten Herausforderungen ertragen lässt, ohne mit der Wimper zu zucken. Und genau dieser Mix aus gewöhnlich und außergewöhnlich hat zu früheren Zeiten manchen Heiligen populär gemacht.

KNA: In den fünf Jahrzehnten seiner Leinwandexistenz hat Bond eine Reihe von Wandlungen durchlaufen. Bei der Interpretation von Daniel Craig, dem aktuellen Bond-Darsteller, fällt die innere Zerrissenheit des Agenten auf. Ein Zeichen unserer Zeit?

Gotto: Natürlich war zu Anfang der 007-Reihe der politische Kontext mehr als offensichtlich. Da ging es um den Kalten Krieg, die Konfrontation zwischen Ost und West. Das ist heute kein Thema mehr. Darin liegt sicher eine erste Erklärung für diesen Hang zur Internalisierung: Der äußerer Konflikt verlagert sich ins Innere. Weiterhin hat sich das männliche Rollenbild gewandelt: Auch ein Super-Agent darf einmal weinen. Und schließlich haben sich die Bond-Macher ganz offensichtlich bei den modernen US-Fernsehserien bedient.

KNA: Was meinen Sie damit?

Gotto: Das narrative Muster hat sich gewandelt. In den stilbildenden Fernsehserien werden die Handlungsstränge innerhalb einer Episode nicht abgeschlossen, sondern bleiben offen für eine Fortsetzung. Auf Bond bezogen heißt das: Die Psycho-Schiene bietet unendliche Gestaltungsspielräume, weil man immer noch ein Stückchen tiefer abtauchen kann in diese vernarbte Seele.

KNA: Kommen wir abschließend noch kurz zum Geschäftlichen. Die Diskussion um Werbung im Film hat im Vorfeld der neuen Episode an Schärfe zugenommen. Sind die Macher tatsächlich so schamlos, wie manche Kritik am Product Placement vermuten lässt?

Gotto: Bond geht damit vielleicht besonders offensiv um. Aber das Phänomen selbst ist uralt. Denken Sie an die «Soap Operas», die ursprünglich im Radio liefen. Die hießen deswegen so, weil im Vorprogramm Unternehmen wie Procter & Gamble für ihre Hygiene-Produkte, unter anderem Seife, geworben haben. Interessant scheint mir da nur der etwas bizarre Glaubenskrieg um den Bierkonsum von Bond zu sein.

KNA: Der Agent trinkt neuerdings Heineken.

Gotto: Ja - eigentlich hätte man auch englisches Ale nehmen können anstatt das Bier aus den Niederlanden. Aber vielleicht zeigt sich daran auch nur: Der durchaus augenzwinkernde Bezug zu England, seinen Symbolen und Marken, der 007 groß gemacht hat, verblasst immer mehr. Bond ist zu einer globalen Marke geworden, die weltweit funktioniert. Und dazu passt Heineken einfach besser als die Edel-Alkoholika, die der Mann früher konsumiert hat.

Trailor Deutsch: James Bond - Spectre - Dieser Bond zeigt ein Autorennen vor dem Vatikan (Ausschnitte auch im Trailor)


(C) 2015 KNA Katholische Nachrichten-Agentur GmbH. Alle Rechte vorbehalten.


© 2015 www.kath.net