Die immer aktuelle Botschaft von ‚Nostra aetate’

28. Oktober 2015 in Aktuelles


Papst Franziskus würdigt die 50 Jahre der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (28. Oktober 1965). Der auf vertrauensvollem Respekt gegründete Dialog. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die heutige Generalaudienz begann mit einem Gedenken an den 50. Jahrestag der Erklärung „Nostra aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (28. Oktober 1965). Diesem Datum ist ein internationaler und interreligiöser Kongress gewidmet, der in diesen Tagen an der Päpstlichen Universität Gregoriana stattfindet. Nach Ansprachen der Präsidenten der Päpstlichen Räte für den interreligiösen Dialog und für die Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Jean-Louis- Tauran und Kardinal Kurt Koch, wurden zwei Abschnitte aus der Erklärung verlesen:

„1. Die Menschen erwarten von den verschiedenen Religionen Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie von je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen: Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?

5. Wir können aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern. Das Verhalten des Menschen zu Gott dem Vater und sein Verhalten zu den Menschenbrüdern stehen in so engem Zusammenhang, dass die Schrift sagt: ‚Wer nicht liebt, kennt Gott nicht’ (1 Joh 4,8)“.

In seiner Ansprache würdigte Papst Franziskus die Erklärung „Nostra aetate“ als immer aktuelle Botschaft und hob einige deren Punkte hervor:
- die wachsende gegenseitige Abhängigkeit der Völker (Nr. 1 );
- die menschliche Suche nach dem Sinn des Lebens, des Leides, des Todes, Fragen, die immer unseren Weg begleiteten (vgl. Nr. 1)
- der gemeinsame Ursprung und das gemeinsame Schicksal der Menschheit (vgl. Nr. 1);
- die Einzigkeit der Menschheitsfamilie (vgl. Nr. 1);
- die Religionen auf der Suche nach Gott oder dem Absoluten innerhalb der verschiedenen Ethnien und Kulturen (vgl. Nr. 1);
- der gütige und aufmerksame Blick der Kirche auf die Religionen: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (vgl. 2).
- die Kirche, die offen sei für den Dialog mit allen, sei gleichzeitig der Wahrheit treu, an die sie glaube: „Unablässig aber verkündet sie und muss sie verkündigen Christus, der ist ‚der Weg, die Wahrheit und das Leben’ (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“. Das allen angebotene Heil habe seinen Ursprung in Jesus, dem einzigen Retter. Die Kirche glaube, dass der Heilige Geist als Quelle des Friedens und der Liebe wirke.

Franziskus gedachte der vielen interreligiösen Ereignisse der letzten 50 Jahre, vor allem der Treffen in Assisi, angefangen bei jenem vom 27. Oktober 1986 auf Initiative des heiligen Papstes Johannes Paul II.

Besonderen Dank an Gott verdiene die Verwandlung der Beziehungen zwischen der Kirche und dem Judentum. Aus einander fremdem „Feinden“ seien Freunde und Brüder geworden. „Nostra aetate“ habe den Weg vorgezeichnet: ein „Ja“ zur Wiederentdeckung der jüdischen Wurzeln des Christentums, ein entschiedenes „Nein“ zu jeder Form von Antisemitismus sowie die Verurteilung jeder Diskriminierung und Verfolgung, die sich daraus ergäben. Gegenseitiges Kennen, Respekt und Achtung seien der Weg, der besonders für die Beziehung mit dem Judentum, aber auch für jene mit den anderen Religionen gelte.

Der Dialog müsse immer offen und achtungsvoll sein. Der gegenseitige Respekt sei die Bedingung und ebenso das Ziel des interreligiösen Dialogs.

Die Welt blicke auf alle Gläubigen, sie mahne zur Zusammenarbeit zwischen den Religionen und den Menschen guten Willens, die sich zu keiner Religion bekennten, und bitte um Antworten zu zahlreichen Themen und Problemen. Die vielen globalen Probleme wie Kriege und Konflikte, der Friede, der Hunger, das Elend, die Gewalt im Namen der Religion, die Umweltverschmutzung, die Korruption, der moralische Niedergang oder die Krise der Familie, der Wirtschaft und der Finanz verlangten ein gemeinsames Handeln aller Glaubensrichtungen. Die Gläubigen hätten keine Patentrezepte für die Vielzahl von Schwierigkeiten, jedoch eine große Ressource: das Gebet.

Gewalt und Terrorismus hätten die Religionen verdächtig werden lassen, was bisweilen zu deren Verurteilung geführt habe. Obwohl keine Religion vor fundamentalistischen und extremistischen Abweichungen von Individuen oder Gruppen gefeit sei, müssten die positiven Werte in den Blick genommen werden, die diese lebten und vorschlügen und die Quellen der Hoffung seien.

Der auf vertrauensvollem Respekt gegründete Dialog könne Samen des Guten hervorbringen, die ihrerseits zu Keimen der Freundschaft und der Zusammenarbeit in vielen Bereichen würden: „Wir können gemeinsam gehen und uns gegenseitig einander annehmen und um die Schöpfung kümmern“.

Das kommende Heilige Jahr der Barmherzigkeit bildet für den Papst eine günstige Gelegenheit, im Bereich der Werke der Nächstenliebe zusammenzuarbeiten. So könnten sich Menschen anschließen, die nicht glaubten oder auf der Suche nach Gott und der Wahrheit seien, „Menschen, die das Antlitz des Anderen in den Mittelpunkt stellen, besonders des bedürftigen Bruders oder der bedürftigen Schwester“. Die Barmherzigkeit Gottes umfasse die ganze Schöpfung, deren Hüter wir sein müssten und die wir nicht ausbeuten oder zerstören dürften. Die Welt müsse besser hinterlassen werden, als wir sie vorgefunden hätten (vgl. „Laudato si’“, 194).

„Ohne den Herrn, ist nichts möglich“, so Franziskus abschließend: „Mit ihm wird alles möglich! Möge unser Gebet ganz dem Willen Gottes folgen können, der wünscht, dass sich alle Menschen als Brüder erkennen und so leben, indem sie eine große Menschheitsfamilie in der Harmonie der Unterschiedlichkeit bilden“.


Die Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum begrüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Einen herzlichen Gruß richte ich an die Pilger deutscher Sprache, besonders an die Offiziale der verschiedenen österreichischen, niederländischen, schweizerischen und deutschen Diözesen, die zu einer Konferenz nach Rom gekommen sind. Ich begrüße auch aus Bayern den Montinichor und die Schülerinnen und Schüler der Maria-Ward-Realschule aus Burghausen. Bitten wir den Herrn, dass eure Pilgerreise nach Rom euch eine lebendige Erfahrung der Menschheitsfamilie und ihrer Einheit in der Vielheit vermittle. Gott segne euch alle.




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