Über 3000 christliche Familien haben den Irak verlassen

26. Oktober 2015 in Weltkirche


Doch inzwischen zeigt die Flüchtlingshilfe Wirkung - Erzbischof von Erbil: Die humanitäre Lage christlicher Flüchtlinge im Irak hat sich verbessert, aber sie bleibt ernst - Kirche in Not unterstützt mit Lebensmittelverteilungen und eröffnet Schulen.


Wien/Königstein (kath.net/KIN) Über ein Jahr nach Flucht und Vertreibung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ haben die Christen des Irak keine Hoffnung, bald in ihre Heimatorte zurückkehren zu können. Dies erklärte der chaldäisch-katholische Erzbischof von Erbil, Baschar Matti Warda (Foto - Mitte), am Dienstag während eines Besuchs in der Zentrale des internationalen katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“. „Die Menschen machen sich nicht vor, dass es schnell geht, die besetzten Gebiete zu befreien. Wir als Kirche versuchen derweil, ihnen das Bleiben im Irak zu ermöglichen. Wenn die Menschen sehen, wie die Kirche sich um sie bemüht, überlegen sie es sich zwei Mal, ob sie gehen.“ Über 125000 Christen waren im Sommer vergangenen Jahres vor dem „Islamischen Staat“ nach dessen blitzartigem Vordringen in Mossul und der Ninive-Ebene in die kurdischen Autonomiegebiete des Irak geflohen. Dort lebt die Mehrzahl nach wie vor als Flüchtlinge.

Erzbischof Warda stellt derweil eine beträchtliche Abwanderung von Christen aus dem Irak fest. „Im letzten Jahr hatten wir in unserer Erzdiözese 13500 christliche Flüchtlingsfamilien registriert. Jetzt sind es nur noch etwa 10000. Über 3000 Familien haben damit den Irak verlassen.“ Der Flüchtlingsstrom aus dem Nahen Osten nach Europa hat sich längst auch unter irakischen Christen herumgesprochen. „Wir spüren diese Entwicklung in Europa sehr stark. Die Menschen bekommen das natürlich mit und denken, jetzt wären alle Tore nach Europa offen.“ Bislang, so der Erzbischof, stelle er aber noch keine durch die Ereignisse in Europa bewirkte Beschleunigung der Abwanderung aus dem Irak fest. „Aber es macht unsere Arbeit, die Menschen vom Bleiben zu überzeugen, natürlich nicht leichter.“

Der Kirche, so Erzbischof Warda, gehe es darum, humanitäre wie pastorale Hilfe zu leisten. „Dank unserer Partner hat sich die humanitäre Situation mittlerweile stabilisiert. Niemand muss mehr in Zelten leben wie im letzten Jahr. Die Mehrzahl lebt mittlerweile in Wohncaravans oder in von uns angemieteten Wohnungen. Außerdem konnten wir mit der Hilfe von „Kirche in Not“ acht Schulen in Betrieb nehmen, sodass heute praktisch keine Kinder mehr ohne Unterricht sind. Das war letztes Jahr natürlich anders. Schließlich haben wir mittlerweile eine gut eingespielte Versorgung mit Lebensmitteln. Jede Familie bekommt ein monatliches Paket von uns.“ Ein Nachlassen der Unterstützung aus dem Ausland hätte allerdings zur Folge, dass mehr Christen das Land verlassen würden, so der Erzbischof.

Neben der humanitären Hilfe sei die pastorale Begleitung entscheidend, betont der Erzbischof. „Wir hatten kürzlich ein Glaubensfest. 1200 Menschen nahmen daran teil. Die Zeugnisse der Menschen haben mich tief bewegt. Viele junge Leute sprachen von der Dunkelheit, durch die sie gehen mussten. Mit der Flucht verloren sie ja nicht nur ihr Zuhause, sondern auch Hoffnung, Freude, Vertrauen und ihre Träume. Als sie aber sahen, dass die Kirche mit ihnen war, dass Priester und Ordensfrauen an ihrer Seite waren, da haben sie neuen Mut gefasst. Ihr Glaube kehrte zurück. Sie haben vielleicht kein Haus mehr, aber wenigstens einen lebendigen Glauben.“

Dennoch rechnet Erzbischof Warda damit, dass die Zahl der Christen im Irak weiter zurückgehen wird. „Die Lage ist sehr ernst. Wir als Kirche tun, was wir können. Entscheidend ist für mich langfristig aber, dass die, die bleiben, eine Mission haben. Wir Christen des Irak gehören zu diesem Land. Unsere Aufgabe ist es, Brückenbauer zu sein, christliche Werte zu leben. Mein Traum ist es, das Vaterunser auch mit Nicht-Christen zu beten. Das ist ja ohne weiteres möglich. Entscheidend ist aber, es zu leben. Die Botschaft des Vaterunser ist, dass Gottes Liebe allen Menschen gilt.“

„Kirche in Not“ unterstützt die Christen des Irak seit Jahren. Mit Beginn der christlichen Flüchtlingskrise wurde das Engagement massiv verstärkt. 2014 und im laufenden Jahr wurden deshalb über 11 Millionen Euro für Projekte aufgewendet. Damit konnten vor allem Wohnraum für die Menschen angemietet, Schulen gebaut sowie Lebensmittel bereitgestellt werden.

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KIRCHE IN NOT ist ein internationales katholisches Hilfswerk. Das Werk leistet weltweit geistliche und materielle Hilfe für Christen,
die wegen ihres Glaubens bedroht oder verfolgt werden.

Infos und Spendenmöglichkeiten:

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Kirche in Not Deutschland

Foto von Erzbischof Bashar Warda in einer kirchlichen Packstation für Nahrungsmittelpakete für Flüchtlinge in Erbil-Ankawa © Kirche in Not


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