Eine neue politisch nicht korrekte Vokabel: Mission

24. Oktober 2015 in Kommentar


Setzt die EKD-Volkskirche den letzten Auftrag von Jesus an seine Jünger außer Kraft? Von Uwe Siemon-Netto


Wetzlar (kath.net/idea) Mission ist zu einem politisch inkorrekten Wort geworden. Letzte Woche erinnerte die Evangelische Nachrichtenagentur idea die 20 EKD-Gliedkirchen an diesen letzten Auftrag Jesu: „Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Matthäus 28,19-29). idea wollte wissen: Gehören zu diesen Völkern auch die Flüchtlinge aus dem Morgenland, die zu Hunderttausenden dieses Jahr bei uns Aufnahme suchen?

Autsch, das war unziemlich. Die Hälfte der befragten Kirchen reagierte wie Jungfern auf einen anrüchigen Antrag: Sie schwieg. Der Pressesprecher einer Landeskirche wies den Fragesteller wie einen theologischen Ignoranten zurecht: „Die Frage stellt sich aus der biblischen Botschaft genau andersherum: Nicht wir bringen Christus zu den Flüchtlingen, sondern Christus kommt zu uns in der Gestalt der Flüchtlinge.“ Dann verwies er auf Matthäus 25,35-36 („Ich bin hungrig gewesen, ich bin durstig gewesen, ich bin ein Fremder gewesen ...“).

Der Vater Jesu Christi ist anders als der Allah Mohammeds

Aha, also Matthäus 25 und Matthäus 28 schließen sich gegenseitig aus. Fremde aufnehmen? Ja! Fremde medizinisch versorgen? Ja! Aber mit ihnen, von denen sich so viele vom Schrecken des Islamischen Staats (IS) zu uns gerettet haben, über unser Gottesbild zu sprechen? Jein! Unterlassen wir es vorläufig, diesen Geplagten unseren Gott vorzustellen, der eben nicht unnahbar ist und zum Töten Andersgläubiger aufruft wie Allah, sondern zu uns kommt und sich für uns umbringen lässt. Betreiben wir lieber „Religionsdialog“.

Keine Gemeinsamkeit mit dem Koran

Eine Oberkirchenrätin riet uns, es doch zu würdigen, dass Jesus als Prophet im Islam eine wichtige Rolle spiele. Aber auf den Unterschied zwischen dem nie gekreuzigten „Isa“ des Korans und dem biblischen Jesus, der am Kreuz unsere Sünden auf sich nahm, sollen wir augenscheinlich jetzt nicht zu sprechen kommen, obwohl viele Muslime genau dies hören wollen, wie wir bereits seit Jahrzehnten wissen.

Dies ist ein altes Malheur. Schon vor 30 Jahren berichtete mir der Generalsekretär der (katholischen) Europäischen Bischofskonferenz von erfolgreichen Kontaktaufnahmen katholischer Frauenorden und -verbände mit Muslimas. Ihr Bemühen, dies gemeinsam mit Protestantinnen zu tun, sei an der ablehnenden Haltung evangelischer Kirchen gescheitert. Wir wissen aber, dass seit Jahrzehnten Muslime aufbrechen, um sich im christlichen Glauben unterweisen zu lassen. Als Afghanistan noch vom Taliban regiert war, besuchten Imame zum Beispiel heimlich Bibelschulen an der pakistanischen Grenze, um hernach ihre Moscheegemeinden in christliche Gemeinden umzuwandeln. In Ägypten kamen islamische Geistliche nachts durch die Hintertür zur Bibelstunde bei einem norwegischen Pfarrer.

Wieso schickt Gott die Flüchtlinge hierher?

Das war nie ein Geheimnis, wurde jedoch im deutschen Protestantismus nicht zur Kenntnis genommen. Aber beispielsweise die tapfere Diakonisse Rosemarie Götz in Berlin kennt den Durst von Muslimen nach Christus. Sie hat Dutzende von Muslimen getauft und scheut sich nicht, türkische Cafés in Berlin-Neukölln zu betreten. Ihre Schwesterntracht verschafft ihr Respekt. „Natürlich ist Missionierung die wichtigste Aufgabe“, sagt sie, „wieso schickt uns Gott die Flüchtlinge hierher?“

Lutherische Freikirche taufte Hunderte von Muslimen

Auch die kleine (deutsche) Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) weiß längst, dass wir es hier mit einem geistlichen Phänomen zu tun haben, dessen ungeheures Ausmaß vielleicht erst in Jahrhunderten sichtbar werden wird. Einige ihrer Gemeinden tauften Hunderte von Muslimen, nachdem sie die Luther-Bibel als Textbuch für den Deutschunterricht für Ausländer benutzt hatten. Hingegen scheinen landeskirchliche Beamte, die gern die Bibel aus einer historischen Perspektive auslegen, gegenüber der nach vorne offenen Geschichte blind zu sein.

Ein bisschen mehr Heilsgewissheit

Angela Merkel rief uns unlängst dazu auf, zu unserer christlichen Tradition zu stehen, „mal wieder ... ein bisschen bibelfest zu sein“. Wir fügen hinzu: Die Volkskirche möge mal wieder mehr als ein bisschen die Heilsgewissheit predigen, die wir Christen dem gekreuzigten und auferstandenen Christus verdanken. Dies ist unser höchstes Gut, das der Islam nicht bietet.

Der Autor, Uwe Siemon-Netto, ist Journalist und promovierter lutherischer Theologe.


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