Die Namenlosen

8. Oktober 2015 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Wohl dem Mann, der im Gesetz seine Freude findet und ihm seine Hoffnung anvertraut. Von den Frevlern ist im Buch der Erinnerung Gottes kein Name verzeichnet. Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Warum? Warum das Übel? Warum eine Familie, ein Vater, eine „mutige Mutter“ unter vierzig, mit drei Kindern – und dann ein Tumor, der sie nicht mehr aufstehen lässt? Eine alte fromme Frau, der ihr Sohn von der Mafia getötet wird – warum?

Viele Briefe, die vom Leid der Menschen sprechen, erreichen Papst Franziskus Tag um Tag, jener Brief der krebskranken „mutigen Mutter“ war gerade gestern angekommen. So konzentrierte er sich in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Donnerstag der 27. Woche im Jahreskreis auf dieses „Warum?“. Ein „Warum?“, das „wie eine Messerklinge“ die Gedanken vieler gerade auch im Glauben verwurzelter Menschen treffe, die von den Dramen des Lebens geprüft würden.

Warum geschieht dies? „Was haben wir davon?“, so der Prophet Maleachi in der ersten Lesung des Tages (Mal 3,13-20), die der Papst betrachtete: „Was haben wir davon, wenn wir auf seine Anordnungen achten und vor dem Herrn der Heere in Trauergewändern umhergehen“ (V. 14), während die Überheblichen Erfolg hätten: „Sie stellen Gott auf die Probe und kommen doch straflos davon“ (V. 15):

„Wie oft sehen wir doch diese Wirklichkeit bei schlechten Leuten, bei Leuten, die das Böse tun und bei denen es den Anschein hat, dass ihnen im Leben alles gelingt und gut geht: sie sind glücklich, sie haben alles, was sie wollen, es fehlt ihnen nichts. ‚Warum, Herr?’. Das ist eines der vielen ‚Warum?’.... Warum gelingt dem da im Leben alles, obwohl er so unverschämt ist, obwohl ihm weder an Gott noch an den anderen gelegen ist, er, der ein ungerechter und auch schlechter Mensch ist – warum hat er alles, was er will, und wir, die wir das Gute tun wollen, haben dagegen so viele Probleme?“.

Die Antwort auf dieses drängende „Warum?“ entnahm der Papst dem Antwortpsalm (Ps 1,1-2.3.4 u. 6), der den selig preise, der nicht dem Rat der Spötter und Frevler folge, „sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht“ (V. 2), den Menschen, der also seine Freude im Gesetz des Herrn finde und ihm seine Hoffnung anvertraue. Der Herr höre immer unser „Warum?“.

So sei im Buch Maleachi zu lesen: „Der Herr horchte auf und hörte hin, und man schrieb vor ihm ein Buch, das alle in Erinnerung hält, die den Herrn fürchten und seinen Namen achten. Sie werden an dem Tag, den ich herbeiführe – spricht der Herr der Heere –, mein besonderes Eigentum sein“ (V. 16-17). Die Erinnerung Gottes gelte somit den Gerechten, „jenen, die in diesem Moment leiden, die sich ihre gegenwärtige Lage nicht zu erklären vermögen“. „Ja“, so Franziskus, „die Erinnerung Gottes gilt jenen, die trotz aller ‚Warum?’ auf den Herrn vertrauen“:

„Nicht jetzt sehen wir die Früchte dieser Menschen, die leiden, dieser Menschen, die ihr Kreuz tragen, wie man an jenem Karfreitag und Karsamstag nicht die Früchte des gekreuzigten Sohnes Gottes, seiner Leiden sah. Und ‚alles, was er tut, wird ihm gut gelingen’. Und was sagt der Psalm über die Bösen? Über die, von denen wir meinen, dass ihnen alles gut gelingt? ‚Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber führt in den Abgrund’ (V. 4.6)“.

Ein „Abgrund“, den der Papst unterstrich, indem er das Gleichnis vom armen Lazarus, Symbol eines ausweglosen Elends, und des reichen Prassers in Erinnerung rief, der dem Lazarus sogar das verweigert habe, was von seinem Tisch gefallen sei:

„Es ist interessant, dass der Name dieses Mannes nicht genannt wird. Er ist nur ein Adjektiv: er ist ‚ein Reicher’. Von den Frevlern ist im Buch der Erinnerung Gottes kein Name verzeichnet: er ist ein Frevler, ein Betrüger, ein Ausbeuter... Sie haben keinen Namen, sie haben nur Adjektive. Alle dagegen, die danach trachten, auf dem Weg des Herrn zu gehen, werden mit seinem Sohn sein, der DEN Namen hat: Jesus, der Heiland und Retter. Doch das ist ein Name, der schwer zu verstehen ist, der aufgrund der Prüfung des Kreuzes und all dessen, was er für uns gelitten hat, auch unbegreiflich ist“.

Abschließend lud Franziskus dazu ein, gerade über die Worte von Psalm 1 nachzudenken: „Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, sondern im Gesetz des Herrn seine Freude findet“. So setze der Mensch trotz aller Leiden seine Hoffnung auf den Herrn und bitte ihn, das hinzuzugeben, was er nicht zu hoffen wage.

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