Flüchtlingskrise: Offizielle Stimmen äußern sich stärker differenziert

5. Oktober 2015 in Deutschland


Vizekanzler Gabriel (SPD): Es darf kein Klima geben, in dem jeder, der sich Sorgen macht, gleich als rechtsradikal gilt – Polizeigewerkschaft: Öffentlichkeit bekommt von internen Einschätzungen nur wenig mit, um sie nicht in Schrecken zu versetzen


Berlin (kath.net) „Es darf kein Klima geben, in dem jeder, der sich Sorgen macht, gleich als ausländerfeindlich oder rechtsradikal gilt. Denn sonst wenden sich die Menschen von den Demokraten ab und hören anderen zu. Und die sind dann wirklich Ausländerfeinde und Rechtsradikale.“ Darauf hat Bundesvizekanzler und langjähriger SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hingewiesen. Deutschland wolle Flüchtlingen Schutz gewähren, „aber wir sollten von ihnen auch etwas einfordern: Wir müssen klarmachen, dass es bei uns Dinge gibt, die nicht zur Disposition stehen. Das Grundgesetz, die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung“. Gabriel nannte dies „unsere ‚Leitkultur‘“ und forderte, diese „in einem offensiven Liberalismus“ zu vertreten. Zwar könne man nicht verlangen, „dass Menschen aus dem Irak oder Syrien mit dem Grenzübertritt Verfassungspatrioten werden. Aber es gibt Prinzipien für das öffentliche Zusammenleben, die muss man akzeptieren, ja, sogar verinnerlichen, wenn man hier gut leben will“. Der Vizekanzler nannte Deutschland „ein anstrengendes Land. Liberalität kann sehr anstrengend sein - gerade für Neuankömmlinge aus anderen Kulturen. Unsere Gesellschaft ist vielfältig, da ist nichts eindeutig geordnet, jeder kann über sein Leben selbst entscheiden. Auch die Arbeitswelt dieses Landes ist anstrengend - das ist eine hochproduktive Gesellschaft.“ Bezüglich der Aufnahmemöglichkeiten von Asylsuchenden warnte Gabriel: „Wir nähern uns in Deutschland mit rasanter Geschwindigkeit den Grenzen unserer Möglichkeiten.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht in der großen Zahl unregistrierter Flüchtlinge in Deutschland ein „ernstes“ Problem, wie er gegenüber dem ZDF erläutert hat. Außerdem habe sich die Stimmung unter den Flüchtlingen verändert: „Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar bei uns zu sein. Sie haben gefragt, wo ist die Polizei, wo ist das Bundesamt. Wo verteilt Ihr uns hin“, doch nun gebe es „schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen“. „Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen.“. Dies sei zwar eine Minderheit, „aber da müssen wir klar sagen, wer hier nach Deutschland kommt (...) der muss sich dahin verteilen lassen, wohin wir ihn bringen, sich einem fairen Verfahren unterstellen und unsere Rechtsordnung anerkennen“.

Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ geäußert, es liege nahe, „dass es Gewalt gibt, wenn traumatisierte Menschen unterschiedlicher Herkunft in überfüllten Einrichtungen leben müssen“. „Ich wundere mich eher darüber, wie wenig bislang dort passiert ist“, stellte er weiter fest, dies spreche für die gute Arbeit von Verwaltung und Wachpersonal. Marx plädierte dafür, Flüchtlingsunterkünfte kleiner und dezentraler einzurichten, außerdem müsse verhindert werden, dass sich die verschiedenen Gruppen, Ethnien und Religionen in abgeschlossene Welten zurückzögen. Gleichzeitig dürfe aber auch keine Asslimilation angestrebt werden, die die Unterschiede komplett einebne. Mit Marx zusammen stellte sich auch der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm den Fragen dieser Tageszeitung. Es gebe 50 Millionen Christen im Land, dagegen drei bis vier Millionen Muslime, „aus denen vielleicht fünf Millionen werden“, sagte Bedford-Strohm. Hier „von einer drohenden Islamisierung Deutschlands zu reden, geht an der Realität vorbei“. Bedford-Strohm wies gleichzeitig darauf hin, dass die Menschen aus ihrer Heimat auch Prägungen und Konflikte mitbrächten. Außerdem hätten sie teilweise ein anderes Frauenbild und ein anderes Verständnis von Familie und Sexualität, „da müssen wir die im Grundgesetz verankerten Regeln des Zusammenlebens in unserem Land durchsetzen“.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat erhebliche Warnungen ausgesprochen. In den Flüchtlingsunterkünften gebe es „flächendeckende vorbereitete und organisierte Massenschlägereien und Kämpfe“, dabei kämen „Waffen zum Einsatz“, äußerte er im Interview mit den „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“. Er erwähnt im einzelnen „Attacken von Islamisten gegen Christen“ „in den Unterkünften“, „zahlreiche Missbrauchs- und Gewaltakte“ „gegenüber Frauen und Kindern“, sehr viele Konflikte laufen „innerhalb der eigenen Religionsgemeinschaft“, denn man dürfe nicht vergessen, dass in den Heimatländern sind die meisten Opfer der Islamisten keine Christen seien, sondern Muslime, „eine religiöse Trennung ist deshalb nicht zielführend“. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne niemand „abschätzen, welche Gefahren für die innere Sicherheit entstehen werden. Die Politik macht jedenfalls nicht den Eindruck, dass sie die Krise unter Kontrolle hat.“ Wendt warnte: „Wenn der Zuzug nicht gestoppt wird, werden all die Konflikte unter den Flüchtlingen, auf unseren Straßen ausgetragen werden. Zudem besteht die Gefahr, dass Rechtsradikale die Stimmung für sich nutzen, um Anschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte zu verüben.“ Auch könnte man „den Zustrom von Radikalen und Terroristen nicht ausschließen“.

Vgl. dazu auch den kath.net-Kommentar: „Nicht jeder, der vor der Flüchtlingsflut warnt, ist ein Extremist“.

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