Europas Bischöfe berieten über Flüchtlinge, Familie und Sterbehilfe

16. September 2015 in Aktuelles


Kardinal Ouellet: "Europa steht vor dieser Invasion, und man spürt die Angst“, doch „wenn Menschen zu uns kommen, die in einer extremen Lage sind, entspricht es unserer katholischen Kultur, sie aufzunehmen und ihre Bedürfnisse zu stillen.“


Jerusalem (kath.net/KAP) Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) hat die Bioethik-Debatte in Europa als einseitig kritisiert. Eine heutige "individualistische und liberalistische" Sicht erhebe den körperlichen Tod zum absoluten Bösen. Es werde "auf jede Weise versucht, den existenziellen Horizont zu marginalisieren, zu verschönern oder sich für assistierten Suizid oder Euthanasie zu entscheiden, um sich der Illusion hinzugeben, ihn zu beherrschen", betonte der Präsident der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, am Montagabend in seiner Predigt bei einer Vesper in der Jerusalemer Grabeskirche.

Die Bischöfe - unter ihnen der Salzburger Erzbischof Franz Lackner - tagen aktuell in Korazim und Jerusalem. Am vierten Tag der bis Mittwoch dauernden Vollversammlung im Heiligen Land befassten sich die Vertreter der Bischofskonferenzen aus 45 Ländern mit den Themen Bioethik, Flüchtlinge/Migration und Familie.

Besorgt äußerten sich die Bischöfe über die Konflikte in verschiedenen Regionen der Welt, die die gegenwärtigen Flüchtlingswellen nach Europa verursachen. Nur wenn sich die Staatengemeinschaft einschließlich Europa einem dauerhaften Frieden in diesen Konfliktgebieten verpflichte, könne der Flüchtlingszustrom reduziert werden.

Als besorgniserregend bezeichneten die Bischöfe besonders die Lage der irakischen Flüchtlinge in Jordanien, für deren Probleme trotz enormer Anstrengung keine Lösung in Sicht sei.

Der Präfekt der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, beklagte in einem Interview am Rande der CCEE-Beratungen in Jerusalem, das Drama der Ortskirchen im Nahen Osten. Die Konflikte führten dazu, dass Christen abwandern müssten, um zu überleben. "Das ist eine tiefe Wunde für die katholische Identität. Das beantwortet aber nicht die Frage nach den Migranten in Europa", so Ouellet.

Postitiv sei hingegen der Zuzug von Christen im Heiligen Land, etwa aus den Philippinen. "Er stärkt die christliche Identität, die im Nahen Osten fehlt beziehungsweise zu verschwinden droht", so der Kardinal.

Ouellet zeigte Verständnis für die Ängste in der EU: "Europa steht vor dieser Invasion, und man spürt die Angst. Die Angst ist stärker in Ungarn, wo die Kultur des großen Teils muslimischer Ankömmlinge hinterfragt wird. Nur: Wenn Menschen zu uns kommen, die in einer extremen Lage sind, entspricht es unserer katholischen Kultur, sie aufzunehmen und ihre Bedürfnisse zu stillen. Das muss über den Zweifeln und Vorurteilen stehen, die Motive für eine Zurückweisung von Menschen in Not sein könnten. Da gibt es für uns keine Zweideutigkeit; das war immer die Haltung der katholischen Kirche. Wir müssen im Sinne derer reagieren, die in einer Extremsituation sind." Europa sei jedoch in einem Wertekonflikt. "Wenn es mehr Einvernehmen über Werte gäbe, gäbe es vielleicht einen offeneren Empfang für die Flüchtlinge", sagte Ouellet weiter.

Der Papst reagiere in dieser Situation als Vater, der an die Bischöfe appelliere, so Ouellet: "Ich bin nahe am Papst, und ich beobachte, dass er wie ein Vater gegenüber Kindern in der Not reagiert, egal welcher Religion. Er reagiert aus dem Herzen und fordert die Bischöfe und die Kirche auf, es ihm gleichzutun. Das regelt nicht alle politischen Probleme vor Ort. Aber das Zeugnis der Kirche ist eine klare Botschaft im Blick auf Menschenrechte, Barmherzigkeit und Mitgefühl gegenüber Menschen in Not."

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