Religionssoziologe: Verhältnis zur Kirche ist lau geworden

8. August 2015 in Deutschland


Abkehr von der Kirche als schleichender Prozess.


München (kath.net/ KNA)
Nach Einschätzung des Religionssoziologen Detlef Pollack hängen die meisten Kirchenaustritte nicht direkt mit der Kirche zusammen. «Zehn bis zwanzig Prozent der Kirchenmitglieder sehen sich selbst als austrittsgeneigt an. Passiert etwas, das sie ärgert, dann sind sie weg», sagte er der «Süddeutschen Zeitung» am Freitag. Empörung etwa über den Missbrauchsskandal sei ein Symptom dafür, dass das Verhältnis vieler zur Kirche «lau» geworden sei.

Nach der im Juli von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Statistik haben 2014 so viele Katholiken wie noch nie ihren Kirchenaustritt erklärt. Dennoch bezeichnen sich laut Pollack bis zu 70 Prozent der Westdeutschen als gläubig. «Das wichtigste Austrittsmotiv war: Ich kann auch ohne Kirche Christ sein», so der evangelische Theologe, der Sprecher des Münsteraner «Exzellenzclusters Religion und Politik» ist und im Frühjahr eine Studie zu «Religion in der Moderne» vorgestellt hat.

Unter den Protestanten, die im vergangenen Jahr aus der Kirche ausgetreten seien, hätten nur wenige die Religion gewechselt, so Pollack weiter. «Andere Lebensbereiche zählen mehr: der Beruf, die Familie, Freizeit.» Die Abkehr von der Kirche sei insofern meist «weniger ein entschiedener Schritt als ein schleichender Prozess».

Auch sei zu beobachten, dass Menschen das Christentum umso höher schätzten, je kritischer sie die Imame sehen. «Sie glauben aber nicht fester an Gott, beten mehr oder gehen häufiger in die Kirche. Das Christentum ist ein abstrakter Gegenentwurf zu dem, was man kritisiert», erläuterte der Wissenschaftler.

Für die Zukunft rechne er weiterhin mit einem «wohlwollend-distanzierten Christentum» in Deutschland. Eine Herausforderung werde das Verhältnis von Staat und Kirche sein. «Aus meiner Sicht wären die Kirchen gut beraten, dieses Feld offensiv anzugehen», so Pollack. Für sie werde es entscheidend sein, «zu erkennen, was an diesem Verhältnis erhaltenswert ist und wo Ansprüche unzeitgemäßg sind. Sonst läuft die Debatte immer mehr gegen sie.»

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