'Captain Hundeblick' war nicht der letzte Vierbeiner des Tages

4. August 2015 in Spirituelles


Auszug aus dem Bestsellerbuch "Tagebuch eines Jerusalempilgers. 14.000 Kilometer - 14.000 Hunde - Ein Priester" - Von Johannes Maria Schwarz


Jerusalem (kath.net)
Tag 133 - 40 km (4577 km)
Hunde, Mönche, Raumschiff-Sprit
Der Morgen war wolkenverhangen, aber mein Zeltplatz auf dem kargen Grasrücken weit über dem Tal hatte seinen Reiz nicht verloren. Ich ließ mir Zeit mit dem Zusammenpacken und sah zu, wie das zunehmende Licht langsam Konturen in die zerfurchten Berge zeichnete. Gegen acht brach ich auf. Mein Ziel für heute war Wardzia, die berühmte Höhlenstadt und einst das geistige Powerhouse Georgiens.

Zunächst ging es jedoch hinunter nach Aspindza, vorbei an den brennenden Müllbergen des lokalen „Altstoffsammelzentrums“. Die frisch ausgewiesene Mountainbikestrecke, auf der ich zu diesem Zeitpunkt unterwegs war, vermittelte hier zwar keine reizvollen, aber dafür „authentisch rohe“ georgische Eindrücke. Auch Aspindza selbst verbreitete eher den Hauch postsowjetischen Untergangs. Was vom Berg aus noch nach einem Flecken Farbe ausgesehen hatte, wirkte auf Augenhöhe ziemlich trostlos. Am Hauptplatz standen arbeitslose Männer, lagen heimatlose Hunde und telefonierten telefonrechnungslose ältere Damen.

Ich saß auf den Stufen des einzigen offenen Ladens, verzehrte georgisches Brot mit Schokolade und ließ das blasse Leben des Ortes an mir vorüberziehen.

Nach einer halben Stunde brach ich auf. Zwölf Kilometer wanderte ich die Hauptstraße entlang bis zur Abzweigung nach Wardzia. Ich war immer noch beeindruckt von der Qualität der Fahrbahn. Georgien mag auf seinen Nebenstraßen der Ukraine den Rang ablaufen, aber auf der Verbindung zwischen der türkischen Grenze und Armenien lag der feinste Asphalt seit dem Verlassen der EU.

Im Schatten der eindrucksvollen Burgruine von Khertvisi machte ich meine Mittagspause und bekam prompt Besuch von einem Riesenhund – einem Bettler, der mit treuherzigen Blicken mein Herz zu erweichen suchte. Damit war er wesentlich freundlicher, als das aggressive Vieh, dass mich ein paar Kilometer zuvor von hinten angegriffen und fast gefressen hatte. Ein paar verdiente Krumen fielen daher unter den sprichwörtlichen Tisch und wurden schwanzwedelnd verspeist.

„Captain Hundeblick“ war nicht der letzte Vierbeiner des Tages. Am Nachmittag wartete ein weiterer Bello am Straßenrand und konnte seine Freude über meine Erscheinung kaum unterdrücken. Er presste sich an mich und der Schwanz wedelte den gesamten Hund hin und her.


Meine Straße führte vorbei an zahllosen alten Ruinen und Bauwerken – darunter ein alter türkischer Sklavenmarkt und eine Karawanserei. Dann, rund drei Kilometer vor meinem Ziel, traf ich die richtige Entscheidung und machte einen wunderbaren Abstecher zur monastischen Höhlensiedlung von Wanis Kwabebi. Die Ursprünge des Felsenklosters lagen im 8. Jahrhundert. Zahllose Räume und Tunnel waren hier auf mehreren Etagen in den weichen Stein der Felswand geschlagen worden. Nach Jahrhunderten der Blüte, dann des Verfalls, waren sie lange verwaist gewesen, bis vor einem Jahr die Mönche hierher zurückgekehrt waren. Fünf von ihnen lebten nun in den untersten Höhlen und luden mich ein zu Wasser und Wein. Weit über ihrem Refektorium, in den höchsten Höhlen und Kapellen, verbrachte ich wunderbare Momente der Stille und des Gebets. Wolken eilten über den blauen Himmel; Schwalben zogen kunstvolle Kreise an der senkrechten Felswand; und weit unter mir toste das Wasser der Kura, deren Lauf ich schon vor einer Woche in Ardahan gequert hatte.

Dann ging es weiter nach Wardzia. Diese Felsenanlage war riesig. 2.000 Mönche sollen zur Zeit ihrer Blüte in der Höhlenstadt gelebt haben. Auch Königin Tamara hatte hier Zuflucht gefunden. Diese Herrscherin führte Ende des 12. Jahrhunderts das mittelalterliche Georgien in seine goldene Epoche. Sie schuf Elemente von Bürgerrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Todesstrafe und Verstümmelung setzte sie aus, ließ Kirchen und Klöster errichten, förderte Wissenschaft und Kunst. Gerne hätte Friedrich Barbarossa einen seiner Söhne mit ihr verheiratet, aber sie wählte einen anderen.

800 Jahre später war die durchlöcherte Bergflanke immer noch beeindruckend, auch wenn zahlreiche Erdbeben die außenliegenden Gebäude und Mauern zerstört hatten. Im Herzen der Anlage befindet sich heute noch ein aktives Kloster – mit der weitaus bescheideneren Zahl von fünf Mönchen. Sehr beschaulich war ihr Leben hier jedoch wohl nicht.

Wardzia zählt als Kandidat für das Weltkulturerbe zu den wichtigsten Touristenattraktionen der Region.
Ich selbst bezog, nach einem kurzen Besuch der Felsengänge im Abendlicht, eine günstige Pension am Fuß des Klosters und spazierte über die Straße zu einem kleinen Bistro. Mangels Chatschapuri (einem traditionellen, überbackenen Käsebrot) löffelte ich am kleinen Plastiktisch eine scharfe, würzige Suppe.

Wenig später stand ein Mönch in der Tür. Auf Russisch wechselten wir ein paar Worte, dann setzte er mir ein „Vierterl“ Weinbrand vor. War das herzliche Ökumene oder der Versuch, den Katholiken auszuschalten? Höflichkeit erforderte, dass ich anstieß und trank. Tränen stiegen in meine Augen. Die Nase brannte. Die klare Flüssigkeit war entweder sowjetischer Raketentreibstoff oder Farbverdünner. Der Mönch lachte.

Während ich nun, eine halbe Stunde später, auf meinem Bett sitze, das leicht zu schwanken scheint, beschließe ich darüber nicht länger nachzudenken und mache die Augen zu.

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kath.net-Buchtipp:
Tagebuch eines Jerusalempilgers: 14.000 Kilometer - 14.000 Hunde - Ein Priester.
Von Johannes Maria Schwarz
Gebundene Ausgabe, 464 Seiten
Eigenverlag 2015
ISBN: 978-3200039773
Preis 15,90

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