Theologieprofessor: Zeitgemäßheit ist das herrschende Dogma der EKD

24. Juli 2015 in Deutschland


Evangelischer Theologe Reinhard Slenczka: „Von einer normativen Funktion von Schrift als Wort Gottes und Bekenntnis als Manifestation des Heiligen Geistes kann hier überhaupt keine Rede mehr sein.“


Erlangen (kath.net/idea) Scharfe Kritik an dem im März erschienenen EKD-Grundlagentext „Für uns gestorben – die Bedeutung von Leiden und Sterben Jesu Christi“ übt der Theologieprofessor Reinhard Slenczka (Erlangen). Darin werde ein „Kuschelgott“ gemalt, schreibt er in einer Stellungnahme zu dem Papier. Dessen Autoren karikierten und bagatellisierten den in der Bibel bezeugten „Zorn Gottes“ gemäß menschlicher Meinungen. Als Beispiel verweist Slenczka auf die Aussage im Text: „Die feministische Theologie hat darauf aufmerksam gemacht, dass hinter der Vorstellung eines zornig aufbegehrenden Gottes ein Gottesbild steht, bei dem unterdrückerische und bisweilen sogar sadistisch anmutende Vaterbilder auf Gott projiziert werden.“ Dem Theologen zufolge geht es beim „Zorn Gottes“ um das gegenwärtige und zukünftige Gerichtshandeln Gottes, „das durch das Wort Gottes für Zeit und Ewigkeit erkannt wird“. Damit solle zur Umkehr gerufen und deutlich werden, „wie Gott in unserem persönlichen Leben in der Geschichte von Völkern den Ungehorsam und die Übertretung seiner Gebote bestraft“. Deshalb müsse man ernsthaft fragen, mit welchem Recht Kirchenverwaltungen erklärten, dass gleichgeschlechtlchtlicher Verkehr keine Sünde sei. Dabei heiße es im Römerbrief (Kapitel 1) und im 1. Korintherbrief (Kapitel 6), „dass diejenigen, die das tun, das Reich Gottes nicht erben werden“.

Die Kirche soll vor dem Gericht Gottes warnen und zur Umkehr rufen

Laut Slenczka besteht das Wächteramt der Kirche und ihrer Diener darin, vor Gericht und Strafe Gottes zu warnen und zur Umkehr zu rufen. Er beklagt ferner, dass das Handeln, Leiden und Sterben Jesu Christi an mehreren Stellen in dem Papier entpersonalisiert sei. Es gehe um Zeichen, Symbole, Vorgänge und Erfahrungen, die alle im subjektiven Bereich menschlicher Gefühle lägen. Slenczka: „Die Personalität Gottes wird also in eine Idee aufgelöst.“ Das entspreche der religiösen Lehre der Gnosis, die im Neuen Testament abgelehnt wird.

Das herrschende Dogma der EKD ist die Zeitgemäßheit

Der Theologe sieht die EKD-Erklärungen generell kritisch: In ihnen sei die Zeitgemäßheit das herrschende Dogma, dem nicht widersprochen werden dürfe: „Von einer normativen Funktion von Schrift als Wort Gottes und Bekenntnis als Manifestation des Heiligen Geistes kann hier überhaupt keine Rede mehr sein.“ An die Stelle von Bibel und Bekenntnis seien „die herrschenden gesellschaftspolitischen Forderungen und Bekenntnisse getreten“. So gebe es heute in der EKD keine Kirchenleitung und auch keine theologische Fakultät mehr, die sich den Zwängen des Gender Mainstreaming entziehe und dagegen protestiere. Die feministisch geprägten Gender-Studien lehren, dass die Geschlechterverhältnisse weder naturgegeben, noch unveränderlich, sondern sozial und kulturgeprägt seien.

Zivilreligion in der evangelischen Kirche

Slenczka sieht das Verhältnis von geistlicher Leitung und rechtlicher Ordnung in der evangelischen Kirche ungeklärt. Es sei eine „unbestreitbare Tatsache, dass in der EKD die geistliche Wirklichkeit der Kirche mit ihren Mitteln Amt, Wort und Sakrament keinerlei bestimmende Funktion hat“. Das aber bedeute, dass man es mit einer Zivilreligion zu tun habe, „die seit alters her von der geistlichen oder biblischen Religion zu unterscheiden ist“.


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