Wird aus Baden-Württembergs Schulen alles Christliche verbannt?

21. Juli 2015 in Deutschland


Kirchenvertreter warnen vor rigoroser Umsetzung des „Kopftuch-Urteils“ - Landesregierung will Bevorzugung des Christentums streichen – Störung des Schulfriedens künftig durch Kopftücher, Kreuze an Halsketten, Schulgottesdienste und Weihnachtsfeier


Stuttgart (kath.net/idea) Die württembergische Christusbewegung „Lebendige Gemeinde“ befürchtet, dass die Umsetzung des „Kopftuch-Urteils“ des Bundesverfassungsgerichts dazu führen kann, alles Christliche aus der Schule zu verbannen. Um den Vorgaben des höchsten deutschen Gerichts gerecht zu werden, will Baden-Württembergs grün-rote Landesregierung das Schulgesetz ändern. Laut dem Urteil vom März darf muslimischen Lehrerinnen nur dann das Tragen eines Kopftuches untersagt werden, wenn dadurch der Schulfrieden gestört wird. Zugleich verlangt das Gericht die Gleichbehandlung aller Religionen. Das aktuelle Schulgesetz enthält jedoch den Passus, dass „die Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ nicht gegen die Pflicht zur politischen, religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Schulbetriebs verstößt. Die Landesregierung will diese Bevorzugung des Christentums ersatzlos streichen. Dies kann zur Folge haben, dass nicht nur Kopftücher als Störung des Schulfriedens angesehen werden können, sondern auch Kreuze an Halsketten, Schulgottesdienste und Weihnachtsfeiern.

Die Landesverfassung will das christliche Menschenbild

Eine rigorose Umsetzung des „Kopftuch-Urteils“ werde die strikte Trennung von Staat und Religion fördern, warnten Experten am 17. Juli in Stuttgart bei einer Anhörung der Landtagsfraktionen von CDU und FDP. Auch der Vorsitzende der „Lebendigen Gemeinde“, Dekan Ralf Albrecht (Nagold/Nordschwarzwald), sieht im Laizismus keine Lösung für das Kopftuch-Problem. Zudem lege die Landesverfassung fest, dass Schüler auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes erzogen werden sollen. „Religionsgemeinschaften sind anerkannte Träger von Bildung und Erziehung – sie zu verpflichten, dies weltanschaulich neutral zu tun, wäre absolut widersinnig“, so Albrecht. Der Vorsitzende des Bildungsausschusses in der württembergischen Landessynode, Dekan Siegfried Jahn (Blaufelden/“Lebendige Gemeinde“), ist ebenfalls der Ansicht, dass christliche Werteerziehung die Fähigkeit steigert, mit anderen Anschauungen umzugehen, anstatt sie einzuschränken: „Gerade wer weiß, was er selbst glaubt, kann anderen Weltanschauungen Raum geben und sich mit ihnen auseinandersetzen.“

Religiöse Themen nicht nur im Religionsunterricht

Bei der Anhörung sagte der Direktor des Pädagogisch-Theologischen Zentrums der Landeskirche, Stefan Hermann (Stuttgart), die beabsichtigte Änderung des Schulgesetzes könne bewirken, dass religiöse Themen im normalen Unterricht kaum noch angesprochen werden. Nötig sei jedoch „eine Schulkultur, die religiöse Unterschiede nicht nur als Konfliktherd behandelt, sondern als pädagogische Chance begreift – gerade auch jenseits des Religionsunterrichts“. Die Tübinger Juristin Iris Kemmler ermutigte dazu, den Vorrang der christlich-abendländischen Werte im Schulgesetz deutlicher zu verankern. Dazu wären die Eingangsbestimmungen des Gesetzes besser geeignet als der Verbotsteil. Nach der Sommerpause wird der Landtag über die Änderung des Gesetzes abstimmen.


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