Blutige Bilanz des Fastenmonats Ramadan

19. Juli 2015 in Aktuelles


Hunderte Menschen wurden durch IS-Terror getötet oder verletzt.


London/Teheran/Penzberg (kath.net/ idea)
Von Gewalt und Terror begleitet war der islamische Fastenmonat Ramadan, der am 16. Juli zu Ende ging. Die 1,6 Milliarden Muslime waren aufgerufen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unter anderem auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex zu verzichten. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) setzte ihre Ankündigung um, aus dem Ramadan „einen Monat der Katastrophen, Niederlagen und Schande für Ungläubige“ zu machen. Dazu zählt die sunnitisch ausgerichtete Miliz auch gemäßigte Muslime und Schiiten. IS verübte im Ramadan zahlreiche Anschläge, bei denen Hunderte Menschen getötet oder verletzt wurden. So erschoss am 26. Juni ein Terrorist am Strand der tunesischen Stadt Sousse 38 Touristen, unter ihnen 30 Briten und zwei Deutsche. Am gleichen Tag sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in Kuwait in die Luft.

Dabei starben 27 Menschen. Bei einer Anschlagserie auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel wurden am 1. Juli über 70 Personen getötet. Ziel waren Kontrollpunkte der Sicherheitskräfte und eine Polizeiwache. Zu allen Attentaten bekannten sich der IS bzw. Ableger der Organisation. Die Terrormiliz ging auch grausam gegen Personen vor, die tagsüber während des Ramadan gegessen haben sollen. 94 Fastenbrecher seien in Syrien ausgepeitscht und gekreuzigt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (London). Unter den Opfern seien auch fünf Minderjährige gewesen. Der israelische Präsident Reuven Rivlin beklagte, dass sich der Fastenmonat in einen „Ramadan des Terrors“ verwandelt habe.

Iran: Inhaftierungen und Peitschenhiebe für Fastenbrecher

Im schiitisch regierten Iran griff die Religionspolizei hart gegen Fastenbrecher durch. Laut Medienberichten kam es in Hunderten von Fällen zu Verwarnungen, Geldstrafen, Inhaftierungen und Peitschenhieben. In der ostiranischen Stadt Täbriz wurden 92 Personen verhaftet, die in einem Hotel gespeist hatten. Die Bestrafungen sorgte im Iran für eine heftige Debatte im Internet.

Eine Frau fragte auf dem Nachrichtenportal YJC: „„Hat denn die Polizei nichts Besseres zu tun, als in Parks und Coffeeshops nach Fastenverweigerern zu suchen?“ Ein anderer Iraner schrieb auf dem Portal Fars News: „Durch Haft und Peitschenhiebe ist noch niemand zu einem frommen Muslim geworden.“ Dagegen forderte ein weiterer Internetnutzer auf YJC ein noch härteres Durchgreifen: „Alle 92 Menschen, die in dem Hotel in Täbriz beim Essen erwischt worden sind, hätte man vor dem Hotel hinrichten müssen, damit es in den nächsten 100 Jahren keiner mehr wagt, das Fasten zu verweigern.“

Christen beteten im Ramadan für die islamische Welt

Die Evangelische Allianz rief während des Ramadan zu ihrer internationalen Aktion „30 Tage Gebet für die islamische Welt“ auf. Schwerpunkt sei in diesem Jahr gewesen, dass sich in islamischen Ländern vermehrt Menschen dem christlichen Glauben zuwenden, berichtete der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.

Trotz Gewalt und Terror in diesen Staaten sollten Christen wahrnehmen: „Gott wirkt. Er baut seine Gemeinde – auch in der islamischen Welt.“ Die Gebetsaktion habe Hunderttausende von Christen motiviert, Gott dafür zu danken. Die Aktion wolle auch dazu beitragen, Vorbehalte gegenüber Muslimen aufzugeben und auf sie als Menschen zuzugehen, „die Gott liebt“. Dabei verschließe man nicht die Augen „vor den furchtbaren Terrorakten, die selbst im Fastenmonat Ramadan nicht abnehmen“. Mit der eigenen Fassungslosigkeit könne man sich aber im Gebet an Gott wenden. Laut Steeb hat die Nachfrage nach Gebetsheften für die Aktion in diesem Jahr im deutschsprachigen Raum zugenommen.

Über 60.000 Exemplare seien in Deutschland, der Schweiz und Österreich verbreitet worden. Deutschland: Erstmals islamisches Festgebet live im Fernsehen Der Ramadan mündet in ein dreitägiges „Zuckerfest“. Daran nehmen in Deutschland zunehmend auch Politiker und Kirchenleute teil. Als erster Sender übertrug das Bayerische Fernsehen ein Festgebet zum Ende des Ramadan live. Die rund 100 Minuten lange Feier fand am 17. Juli um 5 Uhr im oberbayerischen Penzberg statt.

Der örtliche Imam Benjamin Idriz predigte auf Deutsch, während die meisten liturgischen Teile der Feier in arabischer Sprache vorgetragen und den Zuschauern von Experten erläutert wurden. Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde sprachen Grußworte, in denen sie Gemeinsamkeiten mit ihren „muslimischen Brüdern und Schwestern“ herausstellten. Der evangelische Pfarrer Klaus Pfaller sagte, keine Religion sei im Besitz der göttlichen Wahrheit. Gemeinsam suchten Christen und Muslimen Gott, der sie „als seine geliebten Kinder auf den Weg des Lebens führt“. Gewaltakte schmerzten, weil sie das gemeinsame Lebenshaus bedrohten, sagte er im Blick auf den islamistischen Terror.

Pfallers katholischer Kollege Josef Kirchensteiner verglich den Ramadan mit der christlichen Passions- und Fastenzeit. Diese Wochen, in der sich Menschen verstärkt auf den Glauben besinnen, bewirkten neue Zuversicht und Lebensfreude.

IS verstößt gegen den Koran

In seiner Predigt betonte Idriz die Friedfertigkeit des Islam. Der Ramadan erinnere Muslime daran, sich für eine friedliche Welt einzusetzen. Muslime solidarisierten sich mit allen Opfern von Gewalt und Vertreibung. Dem IS warf Idriz vor, gegen die Vorschriften des Korans zu verstoßen. An die muslimische Jugend appellierte er, sich nicht von Propagandisten belügen und verführen zu lassen. Zugleich kritisierte er, dass Muslime in Deutschland für die „Wahnsinnstaten“ des IS im Nahen Osten verantwortlich gemacht würden. Man messe auch nicht das Christentum oder das Judentum an einzelnen Vorgängen in der Geschichte. Die Rundfunkübertragung der Feier zum Fastenbrechen sei ein lang erwartetes Signal der Wertschätzung für die muslimische Gemeinschaft. Ihre Mitglieder zahlten Steuern und Rundfunkgebühren wie alle anderen Bürger.

Bundespräsident wünscht respektvolles Zusammenleben

Bundespräsident Joachim Gauck wünschte „allen Muslimen in unserem Land ein frohes und gesegnetes Fest“. Er fühle sich dem Gedanken des Ramadan verbunden, sagte der evangelische Theologe. Dies sei „ein Festmonat der Freude, des Gebets und der Nächstenliebe, der die Gläubigen zur Verantwortung für den Anderen anhält“, schrieb Gauck an die Muslime in Deutschland. Ein respektvolles, friedliches Zusammenleben ermögliche eine gute gemeinsame Zukunft.


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