Schuster: Verurteilung Oskar Grönings hat hohe Bedeutung

16. Juli 2015 in Deutschland


Früherer Zentralratspräsident Dieter Graumann bezeichnete es als schlimm, «dass die deutsche Strafjustiz früher jahrzehntelang keinen großen Eifer bei der Verfolgung von Naziverbrechern an den Tag legte».


Berlin/Lüneburg (kath.net/KNA) Der Zentralrat der Juden in Deutschland und das Internationale Auschwitz Komitee haben den Schuldspruch gegen den SS-Mann Oskar Gröning gewürdigt. Es sei sehr wichtig, dass ein NS-Täter zur Rechenschaft gezogen werde, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Mittwoch in Berlin. «Die Versäumnisse der deutschen Justiz, die solche Verfahren jahrzehntelang verschleppt oder verhindert hat, lassen sich damit zwar nicht mehr gut machen. Dennoch hat die Verurteilung Grönings für die Opfer und ihre Angehörigen eine hohe Bedeutung.»

Das Landgericht Lüneburg hatte den 94-jährigen Gröning zu vier Jahren Haft verurteilt. Er habe sich der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen schuldig gemacht. Laut Medienberichten wird die Staatsanwaltschaft nun die Haftfähigkeit des gesundheitlich angeschlagenen Mannes prüfen.

Während des Prozesses habe Gröning «wenigstens» eine moralische Mitschuld eingeräumt, sagte Schuster weiter. Auch habe das Verfahren der Gesellschaft nochmals die Shoah-Verbrechen vor Augen geführt und «gezeigt, dass die Opfer noch Jahrzehnte später unter den Folgen leiden.» Dies sei ein wichtiger Beitrag für den Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Er hoffe nun, dass sich noch weitere NS-Täter vor Gericht verantworten müssen.

Auch der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sprach von einem wichtigen Prozess. «Er hat den Überlebenden von Auschwitz neue Wege nach Deutschland und ein neues Bild unseres Landes eröffnet», sagte er bild.de. Das Strafmaß zeige indes «das ganze Dilemma» des Prozesses. Es lenke den Blick auf die Frage: «Wo stehen wir heute, wenn Menschen verfolgt und gedemütigt werden», so Heubner.

Laut dem früheren Zentralratspräsident Dieter Graumann signalisiert das Urteil, dass Gerechtigkeit keine Verfallszeit kenne. Ob Gröning die Haftstrafe antreten müsse, sei dabei unerheblich, sagte er der «Bild»-Zeitung (Donnerstag). In einer Zeit, in der es immer wieder Holocaust-Leugner gebe, sei es wichtig, NS-Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Schlimm sei, «dass die deutsche Strafjustiz früher jahrzehntelang keinen großen Eifer bei der Verfolgung von Naziverbrechern an den Tag legte», so Graumann, der heute Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses ist. Umso mehr sei die Beharrlichkeit der Behörden in diesem Fall ausdrücklich zu loben.

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