Bischof Genn: Homosexuelle Lebenspartnerschaften sind keine 'Ehe'

9. Juli 2015 in Deutschland


Bischof: Bei Themen wie Ehe zwischen Mann und Frau, Ablehnung der Abtreibung, Ablehnung jeglicher Euthanasie, Widerstand gegen Fremdenhass die christlichen Positionen auch bei Widerspruch vertreten - 'Starken kritischen Geist zum Reifen bringen!'


Münster (kath.net) Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat sich am Sonntag in der Predigt zum Pontifikalamt anlässlich der Großen Prozession gegen eine rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe ausgesprochen. Genn ermutigte die Gläubigen, notfalls auch bei diesem Thema „auch im Gegensatz zu einer dominierenden Kultur“ um sie herum und zu „teilweise übermächtig scheinenden gesellschaftlichen Positionen“ zu stehen. Während Genn deutlich auf die nötige Toleranz von Christen gegenüber Schwulen und Lesben hinwies und betonte: „Es geziemt sich nicht für einen Christen, einen homosexuellen Menschen zu diskriminieren“, legte er gleichzeitig auch Wert darauf: „Es geziemt sich aber sehr für einen Christen, homosexuellen Lebenspartnerschaften nicht den Begriff der Ehe zuzusprechen, weil sie der Gemeinschaft von Mann und Frau als Fundament der Familie vorbehalten ist.“ Für diese Positionen wurde der Bischof bereits durch die SPD Münster kritisiert.

Auch in anderen Punkten legte Genn in der Predigt, die um das Erregen von Anstoß anhand eines Evangelientextextes kreiste, den Finger auf hochaktuelle Themen. So kritisierte er die nur auszugsweise Rezeption der jüngsten Enzyklika des Papstes, „Laudato si“. Der Papst spreche „beispielsweise auch von der Ablehnung der Abtreibung, und er gibt auf vielfältige Weise in seinen Predigten Ausdruck, dass das Leben von Anfang bis zum Ende schützenswert bleiben muss“. Der Bischof von Münster betonte: „Der Schutz des Lebens am Anfang und damit die Ablehnung der Abtreibung wie auch der Schutz des Lebens am Ende und damit die Ablehnung der Euthanasie in jeder Form, und dazu gehört auch der assistierte Suizid, dem wir als Christen und Christinnen in keiner Weise zustimmen können.“

Ebenso betonte der Bischof: „Gleichzeitig stellt es in alltäglichen Situationen bisweilen durchaus eine Herausforderung dar, denen zu widerstehen, die Fremdenhass schüren, und sei es nur mit kleinen Worten und Stammtischparolen.“

kath.net dokumentiert die Predigt des Bischofs von Münster im Pontifikalamt aus Anlass der Großen Prozession am Sonntag, 5. Juli 2015m in voller Länge:
Lesungen vom 14. Sonntag im Jahreskreis B: Ez 1, 28c-2, 5; 2 Kor 12, 7-10; Mk 6, 1b-6.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben! Heute Morgen begrüße ich ganz besonders die Mitglieder der Tamilischen Gemeinde in unserem Bistum, die diesen Gottesdienst mit ihren Gesängen und Gebeten mitgestalten. Ich freue mich sehr und sehe dies als ein Zeichen unserer Gemeinschaft und Verbundenheit im Glauben, die über alle Grenzen von Sprachen, Völkern und Nationen übergreift. Seien Sie herzlich willkommen!

„Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab“ (Mk 6, 3c). Ausgerechnet in Seiner Heimatstadt Nazareth wird Jesus abgelehnt, wie wir es heute im Evangelium hören. Dieser Prediger und Wundertäter, auf den die Leute aus Seiner Ursprungsgemeinde einerseits stolz waren, ist zugleich jemand, an dem sie sich stoßen, weil sie Ihm das alles aufgrund Seiner Herkunft aus der Familie eines Zimmermanns gar nicht zutrauen. Sie können nicht leugnen, dass Er eine Redegabe hat, und dass Menschen durch ihn von unterschiedlichsten Gebrechen geheilt werden. Und so stellen sie sich die Frage: „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann?“ (ebd. 2b-3a).

Der Weisheitslehrer Jesus Sirach schreibt vor der Zeit Jesu den Handwerkern eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft zu. Zugleich aber betont er: „Zur Volksversammlung werden sie nicht hinzugezogen, in der Gemeinde ragen sie nicht hervor …. Weise Bildung offenbaren sie nicht, Sinnsprüche sind bei ihnen nicht zu finden. Sie kennen sich nur in weltlichen Berufen aus, ihr Sinnen richtet sich auf die Ausübung des Gewerbes“ (Sir 38, 33a.c.-34a). Vielleicht spielt ein solches Denken bei den Leuten aus Nazareth eine wichtige Rolle, Jesus einfach nicht das zuzutrauen, was andererseits doch offenbar ist. Sie nehmen deshalb Anstoß an Ihm, Er wird ihnen zum Ärgernis. Diese Ablehnung verschließt sich vor seiner Heilkraft, so dass der Evangelist bemerkt: „Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6, 5-6a).

Liebe Schwestern und Brüder, auch heute findet Jesus bei nicht wenigen immer noch Begeisterung; Menschen, die Ihm zusprechen, die Ihn für einen großen Lehrer halten, und die in ihrer Wertschätzung weit über das hinausgehen, was Seine unmittelbaren Mitbürger Ihm an Respekt versagen. – Und doch gehört das Ärgernis, der Anstoß, zu Seiner Sendung (ebd. 3, 6). Ablehnung und Widerspruch stehen gleich am Anfang. Bei Lukas wird dies sogar schon dem Kind als Verheißung mitgegeben, wenn der greise Simeon bei der Begegnung mit Maria und Josef über das kleine Jesuskind sagt: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“ (Lk 2, 34c).

Über dieses Phänomen, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich heute mit Ihnen ein wenig nachdenken. Es gilt nämlich nicht nur von Jesus, sondern wie wir in der ersten Lesung des Propheten Ezechiel hören, gehörte es zum Sendungsauftrag der alttestamentlichen Propheten, mit den Worten Gottes zu einem widerspenstigen Volk, zu „Söhnen mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen“ (Ez 1, 4a), gesandt zu werden.

Wie ist es mit denen, die Jesus nachfolgen? Wie ist es also mit uns? – Die jährliche Bußprozession durch unsere Stadt Münster, hervorgegangen aus großen Bedrängnissen im späten Mittelalter und in Treue durch die Jahrhunderte fortgeführt, war schließlich auch ein Anlass, auf unsere nicht immer widerspruchsfreie Sendung als Christinnen und Christen in der Gesellschaft aufmerksam zu machen.

Darf diese Sendung auch für uns persönlich ein Stück Anstoß bedeuten? Schmeckt uns das überhaupt? Es ist doch nicht so einfach, Anstoß und Widerspruch hervorzurufen, Ärgernis zu sein, Widerstand zu erfahren. Es geht uns doch, und dies nicht zu Unrecht, darum, die Menschen für die wunderbare Botschaft des Evangeliums zu gewinnen, und daher möchten wir, wie wir gerne sagen, in der Gesellschaft gut ankommen. – Wie passt dazu das Phänomen der Konfrontation, dem wir heute im Evangelium aus der Lebensgeschichte Jesu so intensiv, gerade in Seiner unmittelbaren Heimat, begegnen?
Ich darf einmal ein paar Punkte nennen, über die das Nachdenken sich lohnt:

- Wir sind alle sehr dankbar für das Echo, das Papst Franziskus erfährt. Nicht zuletzt hat sich das jüngst in seiner Enzyklika zu den Fragen der Umwelt und der Schöpfung gezeigt. Es ist ermutigend und großartig zu sehen, wie ein solches Wort in den Herzen vieler Menschen, auch derer, die nicht glauben, Aufnahme findet.
Andererseits werden aus den Verlautbarungen unseres Papstes meist nur recht ausgewählte Passagen herausgegriffen und zitiert. – So spricht Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika beispielsweise auch von der Ablehnung der Abtreibung, und er gibt auf vielfältige Weise in seinen Predigten Ausdruck, dass das Leben von Anfang bis zum Ende schützenswert bleiben muss. – Er stellt sich dabei ganz in die Linie seines Vorgängers Johannes Pauls II., der vor genau 20 Jahren mit seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ Punkte benannt hat, die bis heute gerade von Christen in der Gesellschaft angemahnt werden müssen: Der Schutz des Lebens am Anfang und damit die Ablehnung der Abtreibung wie auch der Schutz des Lebens am Ende und damit die Ablehnung der Euthanasie in jeder Form, und dazu gehört auch der assistierte Suizid, dem wir als Christen und Christinnen in keiner Weise zustimmen können. Papst Johannes Paul spricht davon, dass wir Christen herausgerufen sind, „eine kulturelle Wende herbeizuführen“ und sagt: „im heutigen gesellschaftlichen Kontext, der von einem dramatischen Kampf zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“ gekennzeichnet ist, muss man einen starken kritischen Geist zum Reifen bringen - muss man einen starken kritischen Geist zum Reifen bringen! -, der die wahren Werte und die echten Erfordernisse zu erkennen in der Lage ist“.

Sind wir dazu bereit, liebe Schwestern und Brüder? Sind wir bereit, den Widerstand, den ein solches Engagement hervorruft, auszuhalten? Sind wir bereit, selber auch unser Gewissen zu formen und formen zu lassen, um in uns einen starken kritischen Geist zum Reifen zu bringen, der notfalls auch bereit ist, im Gegensatz zu einer dominierenden Kultur um uns herum zu stehen? Das wird uns etwas kosten, so dass es auch von uns heißt: „Und sie nahmen Anstoß an ihm/ihnen, lehnten ihn/sie ab“ (Mk 6, 3c).

- Ein zweiter Punkt: Es ist bewundernswert zu sehen, wie viele Menschen sich in unseren Gemeinden um die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern bemühen. An dieser Stelle möchte ich all denjenigen meinen ausdrücklichen Dank in aller Öffentlichkeit bekunden.

Gleichzeitig stellt es in alltäglichen Situationen bisweilen durchaus eine Herausforderung dar, denen zu widerstehen, die Fremdenhass schüren, und sei es nur mit kleinen Worten und Stammtischparolen. Auch kann es zur Herausforderung werden, Verantwortliche in den Behörden darauf hinzuweisen, dass bei aller Legalität mancher Abschiebung zugleich zum Teil eine Brutalität angewandt wird, welche die Würde des anderen zutiefst missachtet, wie es mir kürzlich ein Pfarrer aus einer Gemeinde unseres Bistums aus eigenem Miterleben schilderte. Sie können diesen Beitrag auch in der jetzigen Ausgabe unserer Kirchenzeitung „Kirche und Leben“ nachlesen. Was nützt es, wenn etwas legal ist, zugleich aber menschenunwürdig? – Der Umgang mit unseren Migranten stellt außerdem die Heraus-forderung dar, den Politikern immer wieder ins Gewissen zu reden, ob der Kontinent Afrika genug beachtet ist, oder ob nicht doch letztlich wirtschaftliche bzw. nur um den eigenen Vorteil kreisende Überlegungen vorherrschen, so dass das vielleicht etwas pauschal formulierte Wort von Papst Franziskus, die Wirtschaft töte, sich als wahr erweist. „Und sie nahmen Anstoß an Ihm“ – auch hier könnte es so gehen.

- Ein letztes Beispiel: Das Wort vom kritischen Geist, der zum Reifen gebracht werden muss, gilt auch angesichts der Debatte um den Ehebegriff, die wir im Augenblick erleben. Ein kritischer Geist weiß zu unterscheiden: Es geziemt sich nicht für einen Christen, einen homosexuellen Menschen zu diskriminieren. Es geziemt sich aber sehr für einen Christen, homosexuellen Lebenspartnerschaften nicht den Begriff der Ehe zuzusprechen, weil sie der Gemeinschaft von Mann und Frau als Fundament der Familie vorbehalten ist. Es ist falsch, das eine mit dem anderen zu verbinden. Kritisches Denken geht einher mit der Fähigkeit, Unterschiede akzeptieren zu können. So gehört die Ehe von Mann und Frau zu den Wirklichkeiten, von denen der Staatskirchenrechtler Böckenförde gesagt hat, dass der Staat „von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann“ , die ihm also vorgegeben sind. Daran festzuhalten und keinen Menschen zu diskriminieren – das kann dazu führen, dass das Wort auch für uns gilt: „Sie nehmen Anstoß an ihm/an ihnen“.


Liebe Schwestern und Brüder, ich habe diese drei Beispiele genannt, die exemplarisch herausgreifen, was das Ärgernis des Christlichen, das Ärgernis des Jesus Christus, heute mit sich bringen kann. Das eine oder andere mögen wir gerne als Ärgernis auf uns nehmen, manches aber fällt uns wohl schwer, fordert auch uns heraus. Und bisweilen kommen wir uns dabei sehr ohnmächtig und schwach vor.

Natürlich, liebe Schwestern und Brüder, können wir dankbar sein, wenn wir nicht direkter Verfolgung ausgesetzt sind. Bisweilen jedoch kann ein Wort, vielleicht mit einem süffisanten Lächeln verbunden, ebenso schmerzen wie leiblich zugefügte Wunden.
Und doch dürfen wir gerade in unserer Zeit nicht über die sehr konkrete Verfolgung schweigen. Ist es nicht ein Skandal, dass heute Hunderttausende von Schwestern und Brüder in aller Welt wegen des Namens Christi mit dem Tod bedroht werden und Millionen von Christen weltweit unterdrückt werden? Und doch bringt diese in dieser Intensität nie zuvor dagewesene Verfolgung und millionenfache Unterdrückung in der Presse keinen Aufschrei hervor, der angemessen wäre! – Auch hier gilt der kritische Geist der Unterscheidung: Nämlich einerseits niemals im Dialog mit den anderen Religionen und Überzeugungen nachzulassen und zugleich seine Stimme zu erheben gegen jegliches Unrecht, jegliche Verfolgung, jegliche Missachtung der Grundrechte der Religionsfreiheit.

Worauf käme es angesichts dieser teilweise übermächtig scheinenden gesellschaftlichen Positionen also an, so darf man durchaus fragen. – Es kommt auf den Mut an, auch in der Schwachheit dem Wort zu trauen, dass der Herr dem heiligen Paulus in seiner Not und Bedrängnis zuspricht, wie Er uns heute im zweiten Korintherbrief offenbart: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12, 9a).

Dann denke ich an ein Wort von Dietrich Bonhoeffer, der vor 70 Jahren im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde, weil er einer Ideologie, die den Menschen verachtete, sich aber durchaus den Anschein des Vernünftigen gab, widersprach. Von ihm stammen die bemerkenswerten Zeilen:

„Wer hält Stand? Allein der, der im Glauben und alleiniger Bindung an Gott zu gehorsamer und verantwortlicher Tat gerufen ist, der Verantwortliche, dessen Leben nichts sein will als eine Antwort auf Gottes Frage und Ruf“.

Und ich möchte hinzufügen: Und das können Gelehrte ebenso wie Handwerker, Professoren wie Zimmerleute, Bischöfe wie Laien!

Liebe Schwestern und Brüder, die große Prozession als Bußprozession darf auch einmal unser Herz beunruhigen, denn nur so werden wir wirklich stark. Und doch dürfen wir uns gerade auch in der Anfechtung innig mit Demjenigen verbunden wissen, der den Widerspruch gegen sich bis zur Stunde des Kreuzes ausgehalten hat, der standgehalten hat, weil sein Leben nichts anderes sein wollte als eine Antwort auf Gottes Frage und Ruf, und der gerade durch diese widerständige und duldende Treue zur Wahrheit Erlösung für die ganze Welt bewirkte.

Amen.

Foto Bischof Genn (c) Presseamt Münster/Angelika Klausner


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