Ukraine: Caritas-Bischof liest Poroschenko die Leviten

26. Juni 2015 in Weltkirche


Bischof von Charkiw-Zaporizhia, Szyrokoradiuk: Regierung muss Kampf gegen Korruption und Armut beschleunigen


Kiew (kath.net/KAP) Der Wandel der Ukraine zu einem an Europa orientierten Staat verläuft viel zu langsam und schleppend: Das hat Stanislaw Szyrokoradiuk, der römisch-katholische Bischof der Diözese Charkiw-Zaporizhia, in einem offenen Brief an Staatspräsidenten Petro Poroschenko dargelegt. "Die Kirche kann gegen die sozialen Ungerechtigkeiten nicht schweigen", so Szyrokoradiuk, der sich im Vorjahr selbst aktiv an der Maidan-Bewegung beteiligte und Präsident der römisch-katholischen "Caritas Spes" ist (nur "Caritas" heißt in der Ukraine die griechisch-katholische Organisation). Gelinge es Poroschenko nicht, ein neues Kapitel in der Ukraine aufzuschlagen, drohe ein "dritter Maidan", den niemand wolle.

Enttäuschung und Unzufriedenheit würden sich in der Ukraine deshalb breit machen, da der Kampf der Regierung gegen Korruption und für mehr Transparenz nur selektiv und für die Medien geführt werde, beklagte der Bischof. Selbst in der Armee gedeihe die Korruption, "man verkauft alles, selbst das menschliche Leben und die Heimat". Seit vergangenem Jahr sei die Bevölkerung drastisch verarmt, "aber einige haben sich auch drastisch bereichert", stellte Szyrokoradiuk fest.

Für die soziale Situation der Menschen besonders einschneidend seien die hohen Gaspreise im Land. Dahinter stehe jedoch nicht nur Russland, das damit die Wirtschaft und Industrie der Ukraine zerstöre: "Warum verkauft man den Ukrainern ukrainisches Gas für russischen Preis?", hinterfragte der Caritas-Bischof, der daran erinnerte, dass das Argument der Preisdifferenz zwischen ausländischem und ukrainischem Gas in den Maidan-Tagen just vom heutigen Premierminister Arsenij Jazenjuk eingebracht worden war.

Statt durch Zuschüsse und Subventionen die Bevölkerung abhängig zu machen, solle die Regierung die Bürger schützen, ihre Ausbildung fördern und es ermöglichen, Abgaben selbst zu bezahlen, betonte Szyrokoradiuk. Dass es dabei keine schnellen Ergebnisse geben könne, sei nur verständlich, doch dürfe es kein "Böses unter dem Deckmantel des Guten" geben.

Sofortiges Handeln forderte der Caritas Spes-Präsident angesichts der hohen Zahlen an Abtreibungen, deren Durchführung - für Mädchen ab 14 Jahren auch ohne Zustimmung der Eltern - vom Gesundheitsministerium gefördert werde. Mittlerweile gebe es bereits einen "Abtreibungstourismus" in die Ukraine, "weil in unserem Land die Kindestötung so einfach ist", so der Bischof, der vor drastischen Folgen und "geistiger und materieller Verarmung" für die gesamte Gesellschaft warnte.

Um die Ukraine von den "kommunistischen Folgen" zu befreien, sollte zudem in den Augen des Bischofs der arbeitsfreie Sonntag eingeführt bzw. Sonntagsarbeit wie in Europa sonst üblich doppelt vergütet werden. Der den Christen heilige Tag, der derzeit in der Hand gieriger Märkte sei, solle der Familie und der Kirche zurückgegeben werden.

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