Papst betet vor dem Turiner Grabtuch

21. Juni 2015 in Aktuelles


Auftakt zu Turin-Besuch – Franziskus prangert ungerechte Wirtschaft an


Turin (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat am Sonntagvormittag vor dem Turiner Grabtuch gebetet. Vor dem rund vier Meter langen Leinen, das im Turiner Dom in einem Spezialbehältnis vor dem Altarraum gezeigt wird, verharrte der Papst mehrere Minuten im stillen Gebet.

Am Morgen war der Papst von Rom aus in die norditalienische Industriestadt geflogen, die besonders stark unter der herrschenden Wirtschaftskrise leidet. In einer Rede vor dem Dom gleich nach seiner Ankunft rief der Papst zu mehr sozialer Gerechtigkeit auf. Das heutige Wirtschaftsleben sei geprägt von Massenarbeitslosigkeit, Korruption und der Anbetung des Geldes, sagte er.

Die Welt leide unter einer profitorientierten Ökonomie, die vor allem junge und alte Menschen ausgrenze und wegwerfe. Im Mittelpunkt dürfe aber nicht das Interesse des Kapitals stehen, sondern das Gemeinwohl. Franziskus forderte einen "Pakt" zwischen allen gesellschaftlichen Akteuren und Generationen, um die Ungerechtigkeiten des globalen Wirtschaftssystems zu überwinden.

In einer Rede vor dem Dom betonte Franziskus besonders auch das Recht auf Arbeit. "Die Arbeit ist nicht nur für die Wirtschaft notwendig, sondern für die menschliche Person selbst, für seine Würde, für seine staatliche Teilhabe und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt." Doch der Arbeitsmarkt benachteilige vor allem Jugendliche und Frauen. "Die Frauen, die doch das Hauptgewicht bei der Sorge um den Haushalt, die Kinder und die Alten zu tragen haben, werden immer noch diskriminiert, auch in der Arbeitswelt." Weiter rief der Papst Schulen, Universitäten und Unternehmer auf, stärker in die berufliche Ausbildung zu investieren.

Franziskus warnte auch davor, die wachsenden Migrantenzahlen für das Übel der Arbeitslosigkeit und andere soziale Nöte verantwortlich zu machen. "Die Einwanderung verstärkt den Wettbewerb, aber die Migranten sind nicht daran schuld, denn sie sind selbst Opfer der Ungerechtigkeit dieser Wirtschaft, die sie wegwirft, und der Kriege", sagte er.

Weiter forderte Franziskus einen entschiedenen Kampf gegen die Korruption und mafiöse Strukturen im Wirtschaftsleben. Die Korruption sei so weit verbreitet, dass sie bereits als normales Verhalten gelte. Die Gesellschaften bräuchten neuen Mut, um ihre sozialen und wirtschaftlichen Krisen zu überwinden. Entscheidend ist dabei nach den Worten des Papstes der Respekt vor alten Menschen wie der jungen Generation. Beide seien ein Reichtum für die Gesellschaft.

Nach seiner Rede begab sich Franziskus in den Turiner Dom, wo das Grabtuch noch bis kommenden Mittwoch ausgestellt ist. Im Anschluss an das Gebet vor dem Tuch fuhr der Papst im offenen Papamobil unter dem Jubel Tausender Menschen weiter zur Piazza Reale im Stadtzentrum, wo er eine Messe feiern wollte.



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