Letzter Gruß der Bleichgesichter

20. Juni 2015 in Aktuelles


Freunde und Fans nehmen Abschied von «Winnetou» Pierre Brice - Von Bernd Buchner (KNA).


München (kath.net/ KNA) Ein Schauspieler ist gestorben, doch es wirkt, als sei Winnetou höchstselbst ein zweites Mal in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Freunde und Fans versammeln sich am Donnerstag in München zum Abschied von Pierre Brice, der den Apachenhäuptling in den Filmen der 1960er Jahre wie kein anderer verkörpert hat. Die Jesuitenkirche Sankt Michael ist restlos voll, zuvor sind Hunderte in einer Seitenkapelle am Sarg des Franzosen vorbeidefiliert. Viele tragen Weiß - wie es sich Brice gewünscht hatte. Ein letzter Gruß der Bleichgesichter.

Pierre Louis de Bris, so sein Geburtsname, starb am 6. Juni in Paris. Er wurde 86 Jahre alt. Geboren 1929, durchlief er eine eigentümliche Karriere. Sohn eines Marineoffiziers, hilft er als Junge seinem Vater im Widerstand gegen die Deutschen. Später kämpft Brice als Berufssoldat in Indochina und Algerien. Dann aber wird er von dem deutschen Produzenten Horst Wendlandt als Mime entdeckt. Seine Verkörperung des Apachenhäuptlings Winnetou macht ihn in den 1960er Jahren international berühmt.

Winnetou und er hätten «für die gleichen Werte gekämpft: Gerechtigkeit und Freiheit», sagte Brice einmal. Seine Fans bestätigen das zum Abschied. «Diese Werte sind heute verloren», beklagt die Münchnerin Ida Kohlbeck (66), die im weißen Kleid an der Michaelskirche steht. Renate Ziegler (51), hochgewachsen und ebenfalls weiß gewandet, ist eigens aus Hamburg gekommen. Schon als Kind habe sie den Schauspieler geliebt, sagt sie. Später wirkte Ziegler bei den Bad Segeberger Karl-May-Festspielen mit, lernte Brice persönlich kennen. Einen halben Abend redeten sie über «Gott und die Welt».

Dass Brice ein überzeugter Katholik war, weiß Hermann Wohlgschaft, Priester im schwäbischen Günzburg: Der Schauspieler sei vom «Glaubenszeugnis» Winnetous sehr beeindruckt gewesen und habe sich unter anderem deswegen «sehr in seine Rolle vertieft», schildert der 71-jährige Karl-May-Biograf. Die Wandlung des Apachenhäuplings sei eine Motivation für den Franzosen gewesen. Trocken fügt Wohlgschaft an: «Pierre Brice war in einem Alter, in dem man sterben darf.» Es sei nicht zu erwarten gewesen, «ihn noch einmal als Winnetou auf der Leinwand zu sehen».

In den Romanen von Karl May entwickelt sich Winnetou nach den Worten Wohlgschafts vom blutrünstigen Skalpjäger zu einem Nachfolger Christi. Als er sich am Hancockberg tödlich getroffen zum Sterben hinlegt, raunt er seinem Blutsbruder Old Shatterhand die berühmten letzten Worte zu: «Schar-lih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!» Umstehende Männer singen ihm noch einmal ein von May eigens gedichtetes «Ave Maria» vor: «Es will das Licht des Tages scheiden; / Nun bricht die stille Nacht herein.»

Die Lesergemeinde von Karl May (1842-1912) war anfangs fast ausschließlich katholisch. Auch das mag an manchen Werten gelegen haben, die seine Romane vermitteln: Ehrlichkeit, Menschenfreundlichkeit, Sinn für Gerechtigkeit. Bischöfe empfahlen die «sittlich anregenden» Werke des protestantischen Sachsen. In den Büchern selbst räumt May dem Christentum indes keine Vorrangstellung ein, sondern wirbt für religiöse Vielfalt, zeigt Respekt vor dem Islam oder der indianischen Naturreligion - auch wenn Ober-Apache Winnetou am Ende zum Glauben an Jesus findet.

Die Münchner Trauerfeier, vom Verstorbenen selbst geplant, erinnert nicht nur an Pierre Brice als Winnetou, sondern auch an sein soziales Engagement, etwa als Unicef-Botschafter oder in der Hilfe für bosnische Kriegsopfer. Freunde und Weggefährten kommen zu Wort, dann wird der mit der französischen Trikolore bedeckte Sarg unter den anrührenden Mundharmonika-Klängen aus den «Winnetou»-Filmen aus der Kirche gerollt und in einen weißen Leichenwagen verfrachtet. Seine letzte Ruhe findet Brice in Gräfelfing bei München, dem Wohnsitz seiner Schwägerin. «Meine ewigen Jagdgründe liegen in Deutschland», hat er einmal bekundet.

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