Ist der „Kexit“ (Kirchenaustritt) aufzuhalten?

17. Juni 2015 in Kommentar


idea: Der „Kexit“ (neudeutsch für Kirchenaustritt) ist zum Massenphänomen geworden - 176.551 Evangelische kehrten 2013 ihrer Gemeinschaft den Rücken, das ist ein massives Plus von 27,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr


Wetzlar (kath.net/idea) Die jüngste EKD-Mitgliederstatistik bringt es an den Tag: Der „Kexit“ (neudeutsch für Kirchenaustritt) ist zum Massenphänomen geworden. 176.551 Evangelische kehrten 2013 ihrer Kirche den Rücken – ein massives Plus von 27,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und die Austritte werden nach ersten Angaben 2014 noch viel stärker gestiegen sein – vor allem wegen der Reaktionen auf den ungeschickt verkündeten automatischen Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge. Verschärfend kommt hinzu: Die ohnehin vergleichsweise spärlichen Eintritte sanken 2013 um 2,5 Prozent auf 50.116.

Stunde der Wahrheit

Das kommt einer Bankrotterklärung bedrohlich nahe – wenn auch vorerst nicht finanziell, weil die Kirchensteuern dank der guten Konjunktur noch reichlich fließen. Trotzdem schlägt die Stunde der Wahrheit: Schluss mit den beschwichtigenden Erklärungen, der Mitgliederschwund sei nur eine Folge der Bevölkerungsentwicklung; da könne man halt nichts machen. Schluss mit der unkritischen Anbiederung an den Zeitgeist: Die „Orientierungshilfe“ der EKD aus dem Jahr 2013, die allen möglichen Formen von „Ehe“ und „Familie“ kirchliche Anerkennung verspricht, hat den „Kexit“ nicht aufgehalten, sondern ihn wahrscheinlich befördert. Wie viele Kirchenmitglieder noch auf dem Absprung sind, ist unklar; klar ist aber, wie winzig die Kerngemeinde der treuen Gottesdienstbesucher ist: beschämende 3,5 Prozent aller Mitglieder. Wobei auffällt, dass der Gottesdienstbesuch in den pietistischen Kernlanden von Sachsen und Württemberg am höchsten und im theologisch liberalen Norden am niedrigsten ist.

Auf die Balance kommt es an

Das lässt nur einen Schluss zu: Es ist Zeit für ein Umdenken. Jahrzehntelang haben die Kirchenleitungen das gesellschaftspolitische Wirken an die erste Stelle gesetzt. Hingegen waren seelsorgerlich tröstende und aufrichtende Worte für die täglichen Sorgen und Nöte der Menschen, für ihre Fragen nach Sinn und Vergänglichkeit des Lebens kaum zu hören – höchstens hin und wieder bei schweren Katastrophen.

Natürlich hat der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), recht, wenn er betont, dass das Gesellschaftspolitische und das Seelsorgliche geistlich zusammengehören wie Nächsten- und Gottesliebe.

Aber auf die Balance kommt es an. Und da neigt sich die Waagschale bei der evangelischen Kirche eindeutig zur Politik.

Honoriert wird es ihr im Kirchenvolk nicht, wenn sie sich wie eine zivilgesellschaftliche Organisation unter vielen gebärdet: Dann kann man sich auch gleich Greenpeace oder Amnesty anschließen. Bei der Kirche sollte wieder öfter von Jesus statt von Gender, CO2 und TTIP die Rede sein. Vielleicht ließe sich dann der Kexit wenigstens bremsen.


© 2015 www.kath.net