US-Erzbischof tritt wegen Missbrauchsskandals zurück

16. Juni 2015 in Weltkirche


Nienstedts Rücktritt erfolgt kurz nach Vorwürfen der Staatsanwaltschaft über das Versagen des Erzbistums beim Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch – Auch der Weihbischof gibt sein Amt ab.


Minneapolis-St. Paul (kath.net/KNA) Erzbischof John Nienstedt (68) ist von der Leitung des US-Erzbistums Saint Paul und Minneapolis zurückgetreten. Der Schritt, den der Vatikan und die Bistumsleitung zeitgleich am Montag bekanntgaben, kam zehn Tage nach Vorwürfen der Staatsanwaltschaft, das Erzbistum habe beim Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch versagt. Mit Nienstedt gab auch Weihbischof Lee Piche (57) sein Amt ab. Er war mit der kircheninternen Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beauftragt.

Während der Vatikan, wie allgemein üblich, keine konkreten Gründe für den Amtsverzicht angab, teilte Nienstedt mit, er wolle der Erzdiözese «einen Neuanfang inmitten der vielen Herausforderungen» ermöglichen. Die Kirche sei die Kirche Jesu Christi. «Meine Leitung hat die Aufmerksamkeit leider von den guten Werken seiner Kirche abgelenkt und von denen, die sie vollbringen», so Nienstedt.

Nach zahlreichen Missbrauchsklagen hatte das Erzbistum Minneapolis im Januar Gläubigerschutz nach dem US-Insolvenzrecht beantragt. Die Bilanz für das Steuerjahr 2014 wies ein Minus von 9,1 Millionen Dollar aus; zudem sah sich die Kirchenleitung mit möglichen weiteren Missbrauchsklagen konfrontiert. Erzbischof Nienstedt hatte sich nach eigenen Worten zum Konkurs entschlossen, um eine adäquate Entschädigung von Missbrauchsopfern sicherzustellen und teure Rechtsstreitigkeiten abzuwenden.

Ende Mai gab die Kirchenleitung bekannt, sie werde sich in Notverkäufen von mehreren Immobilien trennen, darunter der Residenz des Erzbischofs und der Kanzlei. Insgesamt hoffte die Kirchenleitung laut Medienberichten auf einen Erlös von 10,6 Millionen Dollar (9,7 Millionen Euro). Allein der Komplex von Bischofshaus und Kanzlei solle 6,3 Millionen Dollar erbringen.

Das Erzbistum benötigt nach eigenen Angaben das Geld sowohl für Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer wie auch für laufende Ausgaben während des Insolvenzverfahrens. Finanzchef Tom Mertens betonte damals laut einer Zeitung, die Verkäufe erfolgten freiwillig und nicht auf gerichtliche Anordnung.

Am vergangenen Mittwoch hatte Papst Franziskus die Schaffung eines eigenen Tribunals bei der Glaubenskongregation angekündigt, das sich mit dem Versagen von Bischöfen bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen befassen soll. Der Beschluss folgte Empfehlungen des Kardinalsrates für die Kurienreform und der päpstlichen Kinderschutzkommission.

Vatikansprecher Federico Lombardi sagte laut der US-Zeitschrift «National Catholic Reporter» (Onlineausgabe) am Montag, er wisse nicht, ob sich die zurückgetretenen Bischöfe Nienstedt und Piche vor dem neuen vatikanischen Gericht verantworten müssten. Er nannte die Frage allerdings «berechtigt».

Ebenfalls am Montag gab der Vatikan bekannt, dass der erste Prozess des neuen Gerichts gegen den früheren Vatikanbotschafter in der Dominikanischen Republik, Jozef Wesolowski (66), geführt wird. Ihm werden sexueller Missbrauch von Jungen und der Besitz von Kinderpornografie zur Last gelegt.

Nienstedt, seit 2008 Erzbischof von Minneapolis, geriet 2013 in die Kritik, Anschuldigungen gegen einen übergriffigen Priester vertuscht zu haben. Der betreffende Geistliche, Curtis Wehmeyer, sitzt derzeit eine fünfjährige Haftstrafe wegen Sex mit Minderjährigen und Besitzes von kinderpornografischem Material ab. Gegen Nienstedt selbst wurde im Juli 2014 der Vorwurf sexueller Beziehungen mit anderen Klerikern und erwachsenen Priesteramtsanwärtern laut. Nienstedt bestritt dies. Das Erzbistum beauftragte Weihbischof Piche mit internen Ermittlungen.

Für die übergangsweise Leitung des Erzbistums setzte Papst Franziskus Bernard Hebda ein. Der 55-jährige Jurist ist als sogenannter Koadjutor seit 2013 Anwärter für die Leitung des Erzbistums Newark.

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Foto © Erzbistum Saint Paul and Minneapolis


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