Wie halten Sie es mit dem C, Herr General?

10. Juni 2015 in Interview


Peter Tauber, Generalsekretär der CDU, spricht im idea-Interview über Sterbehilfe, Abtreibung, Islam und seinen Glauben. Das Gespräch führten Helmut Matthies und Dennis Pfeifer.


Berlin (kath.net/idea) Knapp zwei Jahre ist Peter Tauber (Foto) schon Generalsekretär der CDU. Seine Ernennung war für viele Beobachter damals eine Überraschung. Die Medien nennen ihn einen modernen Konservativen. idea sprach mit dem bekennenden evangelischen Christen über Sterbehilfe, Abtreibung, Islam und seinen Glauben. Das Gespräch führten Helmut Matthies und Dennis Pfeifer.

idea: Herr Dr. Tauber, Sie bezeichnen Martin Luther als Ihren Helden der Geschichte, weil er – wie Sie einmal sagten – „für seine Überzeugung bis zur letzten Konsequenz eingetreten ist“. Wofür würden Sie in letzter Konsequenz eintreten?

Tauber: Wenn ich das Gefühl hätte, die Zustimmung zu einer Entscheidung wäre in hohem Maße ungerecht oder falsch – dann würde ich mich verweigern. Oder umgekehrt an einer Sache festhalten, die ich für richtig und gut erachte.

Für ein Verbot der Sterbehilfe

idea: Welches aktuelle Beispiel gäbe es da?

Tauber: Beispielsweise die Sterbehilfe, mit der wir uns ja bald im Parlament beschäftigen. Ich finde es ein ganz starkes Zeichen, wie sensibel die Abgeordneten mit diesem Thema umgehen. Denn wenn man sich die Umfragen anschaut, dann wird deutlich: Viele Bürger sind der Meinung, dass man auch in Deutschland leichter beim Sterben helfen können sollte – wie in der Schweiz oder den Niederlanden. Hier eine Position zu finden, die das Maximale an Schutz des Lebens ermöglicht, aber trotzdem sicherstellt, dass es dafür eine parlamentarische Mehrheit gibt, ist eine Herausforderung.

idea: Und wie ist Ihre Position?

Tauber: Ich bin für ein Verbot der Sterbehilfe – sowohl der organisierten als auch der geschäftsmäßigen, wo es also einen finanziellen Anreiz dafür gibt, einem Menschen zum Sterben zu verhelfen. Denn ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man eine klare Trennlinie ziehen möchte zwischen denen, die es vermeintlich im Ehrenamt tun, und den anderen, die dafür ein Honorar bekommen. Von daher braucht es ein klares Verbot als wertendes Signal des Gesetzgebers.

idea: Wo würden Sie hier bis zur letzten Konsequenz gehen?

Tauber: Ich werde – wie auch viele Kollegen – intensiv dafür werben, für unsere Position eine Mehrheit zu bekommen. Und ich glaube, dass wir dafür gute Chancen haben.

Wir brauchen mehr Mission

idea: Zum Thema Kirche: Besonders die evangelische kritisiert ja oft die Politik, vor allem die der CDU.

Tauber: Ich kritisiere aber als evangelischer Christ auch immer mal gerne meine Kirche!

idea: Warum?

Tauber: Ich sehe mit Staunen, dass die Kirche einerseits – was ich auch richtig finde – zu vielen Fragen in unserm Land Stellung bezieht. Aber andererseits ist sie manchmal erstaunlich still bei Themen, die ich als Kirchenmitglied für sehr wichtig halte. Das gilt sowohl in Sachen Christenverfolgung als auch bei der Mission. Wir sind ja ein Land, das aus christlicher Sicht eher mehr Verkündigung der christlichen Botschaft braucht als weniger. Ich finde beispielsweise, dass man bei der diakonischen Arbeit viel öfter erzählen sollte, warum man sie tut. Da erlegt sich die Kirche eine völlig unangebrachte Zurückhaltung auf. Ich wünsche mir, dass sie ihrem eigentlichen Auftrag – nämlich der Verbreitung der frohen Botschaft – wieder viel mehr Raum widmet.

Gehört der Islam zur CDU?

idea: Es gibt in der CDU immer mehr Mitglieder, die sich zum muslimischen Glauben bekennen.
Sie haben seit 2013 mit Cemile Giousouf aus Hagen auch die erste muslimische CDU-Bundestagsabgeordnete. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat mit ihrer Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, für Überraschung, Zustimmung wie Kritik gesorgt. Ist das Mehrheitsmeinung in Ihrer Partei – zumal nicht nur der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder es anders sieht?

Tauber: Den Satz haben lange vor Angela Merkel sowohl Wolfgang Schäuble als Innenminister als auch der damalige Bundespräsident Christian Wulff geäußert. Bei über 4,5 Millionen muslimischen Mitbürgern, von denen über 2 Millionen Deutsche sind, gehört nun mal auch der Islam zu Deutschland. Und wir wollen, dass mehr davon in unserer Partei mitarbeiten – das C ist für uns an die Adresse dieser Menschen gerichtet eine Brücke. Aber natürlich nur, wenn sie einen Glauben leben, der mit unseren Werten vereinbar ist. Nicht jede Form des Islams kann einen Platz in unserer Gesellschaft und erst recht in einer Partei wie der CDU haben. Aber es ist selbstverständlich möglich, sich als gläubiger, demokratisch orientierter Moslem in der CDU politisch für dieses Land zu engagieren.

idea: Warum bemüht sich die CDU gerade um Muslime?

Tauber: In diesem Land leben 16 Millionen Menschen, die eine Einwanderungsgeschichte haben. Mich interessieren natürlich nicht nur die Muslime, sondern genauso die katholischen Polen oder die Orthodoxen, die aus Russland eingewandert sind. Offensichtlich finden es aber manche besonders spannend, wenn auch Muslime in der CDU sind. Darüber wird einfach mehr geredet. Generell haben wir zu wenig Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte in unserer Partei. Unser Ziel als Volkspartei muss es aber sein, noch besser den Querschnitt der Bevölkerung abzubilden.

Es wird keinen EU-Beitritt der Türkei geben

idea: Alle reden von Integration, aber auch in der CDU wagt kaum noch jemand, Kritik an islamischen Tendenzen in Deutschland zu üben. Da macht der türkische Ministerpräsident Wahlkampf in Dortmund und erklärt, überall, wo eine türkische Fahne in Deutschland wehe, sei die Türkei. Auch biete sein Land jedem Moslem in Deutschland an, kostenlos eine solche Fahne und dazu noch einen Koran zu bekommen. Kein CDU-Politiker kritisiert, das sei eine völlig unzulässige Einmischung in die deutsche Innenpolitik und schade jeder Integration.

Tauber: Dass Menschen mit einem türkischen Pass in Deutschland sich mit den Wahlen in ihrem Heimatland beschäftigen, finde ich erst mal nicht schlimm. Wir diskutieren beim Thema Wahlbeteiligung derzeit ja auch, was wir für die Auslandsdeutschen noch besser machen können. Ich widerspreche außerdem der Behauptung, die CDU würde sich nicht klar gegen jede Form des Islamismus als einer freiheitsfeindlichen Auslegung oder Deutung des Islams stellen. Dieser kann in einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft nach unserem Verständnis keinen Platz finden. Das von Ihnen Angesprochene zeigt außerdem deutlich: Wir haben hier eine völlig andere Vorstellung von Pluralität und Freiheit in der Gesellschaft, als sie die türkische Regierung hat. Und nicht von ungefähr ist auch die Frage, ob die Türkei in die EU aufgenommen wird, gar nicht mehr auf der Tagesordnung.

idea: Es gibt also keinen Beitritt der Türkei in die EU?

Tauber: Wir als CDU sehen uns durch die aktuelle Entwicklung in der Türkei eher noch mehr bestätigt. Und mit Interesse vernehme ich, dass sich auch andere Parteien nicht mehr so laut oder gar nicht für einen Beitritt starkmachen.

Der Schutz ungeborener Kinder ist mir wichtig

idea: Ein Thema, das viele engagierte katholische und evangelische Christen an der Basis beschäftigt, ist, dass jedes Jahr über 100.000 Kinder im reichen Deutschland daran gehindert werden zu leben. Denn sie werden im Mutterleib getötet. Im Wahlprogramm der CDU für die Bundestagswahl 2013 ist mit keinem Wort davon die Rede, aber vom Schutz der Bienen …

Tauber: Sie können sich sicher sein: Es gibt keine andere Partei im Bundestag, die sich überhaupt des Themas Abtreibung annimmt – außer CDU und CSU.

idea: Obwohl es um Menschenleben geht! Als Sie Landesvorsitzender der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union (JU) 2006 in Hessen waren, wünschten Sie eine Verschärfung der Möglichkeiten, abtreiben zu können. Auch sollte die Finanzierung durch die Krankenkassen beendet werden. Zu Beginn Ihrer Zeit als CDU-Generalsekretär äußerten Sie immerhin noch, es dürfe uns nicht kaltlassen, dass jedes Jahr so viele Abtreibungen erfolgen. Warum wird aber im Bundestag dazu geschwiegen?

Tauber: Ich habe den Schutz ungeborener Kinder in vielen Interviews als wichtiges Thema benannt. Ich selbst bin Mitglied der Christdemokraten für das Leben, die sich für Mütter in Not einsetzen und versuchen, Abtreibungen möglichst überflüssig zu machen. Mit deren Vorsitzenden Mechthild Löhr habe ich in meinem Büro schon zweimal einen regen Austausch gehabt. Und wir diskutieren auch im Bundestag über den Schutz des Lebens – nicht nur am Ende, sondern auch zu Beginn, zum Beispiel als wir über Spätabtreibungen gesprochen haben.

idea: Stehen Sie immer noch hinter dem Papier, das die Junge Union damals verfasst hat?

Tauber: Als damaliger Landesvorsitzender habe ich das Papier selbstverständlich mitgetragen.

idea: Warum machen Sie nicht mal mit beim „Marsch für das Leben“ in Berlin – der größten Kundgebung gegen Abtreibung, die in diesem Jahr am 19. September stattfindet?

Tauber: Ich verfolge den „Marsch“ natürlich mit Wohlwollen, da er ein wichtiges Anliegen vertritt. Ich weiß aber noch nicht, ob ich an diesem Tag überhaupt in Berlin sein kann.

Keine Gleichstellung von Homo-Partnerschaften mit der Ehe

idea: Ein anderes ethisches Thema: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) würde gerne die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften der Ehe komplett gleichstellen, hat aber gleichzeitig erklärt, das sei mit dem Koalitionspartner CDU/CSU nicht zu machen. Hat er recht?

Tauber: Die völlige Gleichstellung steht nicht im Koalitionsvertrag. Und wir als CDU halten an unserer bisherigen Beschlusslage fest. Gleichwohl gibt es in der Volkspartei CDU unterschiedliche Meinungen, und wir diskutieren. Was ich gut finde. Sonst heißt es immer, in der CDU werde zu wenig diskutiert.

idea: In diesem Koalitionsvertrag steht jedoch ein Bekenntnis zu den „Regenbogenfamilien“. Bedeutet das auch, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften das volle Adoptionsrecht erhalten?

Tauber: Wir müssen anerkennen, dass es in unserer Gesellschaft verschiedene Familienmodelle gibt. Und selbstverständlich werden in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt, die auch zu einer erfolgreichen Ehe von Mann und Frau gehören: das Einstehen füreinander in guten wie in schlechten Zeiten, Verantwortung und Fürsorge. Aber beim Thema Adoptionsrecht müssen alle Entscheidungen immer vom Kindeswohl aus gedacht werden.

Haben Konservative in der CDU noch eine Heimat?

idea: Rechts neben der CDU ist mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine neue Partei entstanden. Viele Beobachter führen das darauf zurück, dass sich Konservative in der CDU nicht mehr beheimatet fühlen.

Tauber: Einspruch! Nur etwa ein Viertel der AfD-Wähler kommt von der CDU, die anderen stammen von SPD, FDP und Linkspartei. Diejenigen Wähler, die von uns gekommen sind, möchte ich zurückgewinnen. Aber auch da sind nicht alle erreichbar. Die AfD kann sich nach rechts nicht klar abgrenzen, bei uns setzt das C eine klare Grenze, die dazu führt, dass man als Christdemokrat Patriot sein kann und wir unser Land lieben, aber wir können nie nationalistisch denken – wie das viele in der AfD tun.

idea: Aber Konservative in der CDU selbst – wie Wolfgang Bosbach – meinen, die Partei habe ein Problem, Konservative mit einzubeziehen.

Tauber: Ich kenne diese Klagen, ich lese auch die Leserbriefe in ideaSpektrum sehr genau. Ich teile das aber nicht. Und das sage ich als jemand, der sich selbst als konservativ bezeichnet. Die CDU ist eine Sammelbewegung. Da muss man es aushalten können, dass sich andere Mitglieder nicht so äußern, wie man sich das mit dem eigenen Wertegerüst vielleicht wünscht. Was ist denn konservativ? Das ist doch eine Frage der Haltung und nicht an bestimmte inhaltliche Positionen geknüpft. Darüber Klage zu führen, dass man angeblich in der Partei kein Gehör finde, ist zumindest schon mal nicht konservativ. Konservative jammern nicht. Und mit der Botschaft, Konservative hätten angeblich in der CDU einen schweren Stand, wird man schwerlich Menschen, die für bestimmte Werte und eine Haltung einstehen, begeistern können. Darum rede ich lieber darüber, dass die Bereitschaft, zu dienen, Verantwortung zu übernehmen, nicht gleich nach dem Staat zu rufen, Respekt zu zeigen und sich für das eigene Land einzusetzen, Werte sind, die man bei uns gut aufgehoben findet.

idea: Sie betonen auch in Fernsehsendungen immer wieder, dass Sie „gläubiger, evangelischer Christ“ seien. Was bedeutet Ihnen der Glaube an Christus?

Tauber: Ich bekenne gerne fröhlich meinen christlichen Glauben, weil ich auf die Gnade Gottes vertrauen kann. Oder um es mit dem Motto des Evangelischen Kirchentages zu sagen: Mein Glaube erinnert mich daran, dass ich danach strebe, klug zu werden.

idea: Vielen Dank für das Gespräch!

Peter Tauber (Gelnhausen bei Hanau) ist seit Dezember 2013 Generalsekretär der CDU Deutschlands. 2009 wurde der promovierte Historiker erstmals direkt in den Bundestag gewählt. Bei der Bundestagswahl 2013 verteidigte er sein Mandat. Zuvor war er sechs Jahre lang (2003–2009) Landesvorsitzender der Jungen Union Hessen, der Nachwuchsorganisation der CDU. Tauber ist ledig und Mitglied der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Peter Tauber: CDU-Präsidium will keine weiteren Schritte der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften über den Koalitionsvertrag hinaus


Foto Peter Tauber © Tobias Koch (www.petertauber.de)



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