«Die Krim ist heiliges ukrainisches Land»

29. Mai 2015 in Interview


Der ukrainische Außenminister Klimkin über Krise und Frieden. Von Natalia Karfut (KNA)


Rom (kath.net/KNA) Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin (47) hat am Dienstag und Mittwoch den Vatikan besucht. Bei der Generalaudienz traf er auch Papst Franziskus. Von ihm und der Vatikandiplomatie erhofft sich der Politiker in der Ukraine-Krise viel. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zum Abschluss seines Italienbesuchs äußerte Klimkin auch Hoffnung auf einen Papstbesuch in der Ukraine.

KNA: Herr Minister, wie ist die derzeitige Situation im Osten der Ukraine?

Klimkin: Angespannt und schwierig. Die Separatisten schießen nach wie vor mit schwerer Artillerie, die sie nicht abgezogen haben. Unsererseits haben wir das letzte Minsk-Abkommen erfüllt und diese Waffen zurückverlegt. Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) können sich bei uns frei bewegen, anders als bei den Separatisten. Wir sehen auch keinen Fortschritt bei der Freilassung von Geiseln. Die rund 400 ukrainischen Geiseln in Donezk und Lugansk leben unter unmenschlichen Bedingungen. Wegen der Behinderung der OSZE-Mission im Donbass kann dort von Vorbereitungen auf freie, faire Wahlen keine Rede sein. Auch das verstößt gegen die Minsk-Abkommen. Deshalb brauchen wir mehr Druck auf Russland in Form von Sanktionen und klaren politischen Botschaften. Die Ukraine braucht die Hilfe der EU und der G7-Länder.

KNA: Was erhoffen Sie sich vom Heiligen Stuhl?

Klimkin: Klare Appelle für den Frieden. Die Botschaften von Papst Franziskus sind für uns sehr wichtig. Seine Worte haben weltweit eine hohe moralische Bedeutung. Alle Ukrainer haben einen besonderen Respekt gegenüber dem Heiligen Stuhl und Papst Franziskus. Auch kurze Botschaften haben eine außerordentliche Kraft und können sehr wertvoll für uns sein.

KNA: Engagiert sich der Heilige Stuhl auch diplomatisch?

Klimkin: Ja, im Rahmen internationaler Organisationen wie der OSZE haben seine Vertreter wichtige Initiativen unterstützt, zum Beispiel die Verstärkung der OSZE-Monitoring-Mission. Dafür sind wir sehr dankbar. Derzeit arbeiten wir mit dem Vatikan an weiteren Initiativen im Sinn einer friedlichen Lösung.

KNA: Die Krim scheint derzeit in Vergessenheit zu geraten. Wie ist die Lage auf der Halbinsel?

Klimkin: Wir haben die Krim überhaupt nicht vergessen. Für uns ist
sie heiliges ukrainisches Land. Das möchte ich hier noch einmal bekräftigen: Die Krim war ukrainisch, ist ukrainisch und bleibt ukrainisch. Im Moment ist die Situation dort schlimm, und zwar für alle: die Russischsprachigen, die Krimtataren und die Ukrainer. Das betrifft besonders die Menschenrechte. Es gibt viele Fälle, wo Leute einfach verschwinden. Es gibt mehr als 20 Fälle bei Krimtataren, mindestens drei von ihnen wurden später tot gefunden. Es gibt keine freien Medien, den Krimtataren wurden die Lizenzen entzogen. Die Rückkehr der Krim bleibt einer von drei Punkten, bei denen wir keine Kompromisse machen können.

KNA: Welche sind die beiden anderen?

Klimkin: Zum einen die Einigkeit des Landes. Eine Föderalisierung im russischen Sinn lehnen wir ab. Russland darf kein Vetorecht für bestimmte Gebiete und damit Einfluss auf die Politik in Kiew erhalten. Zum anderen bestehen wir auf dem europäischen Weg des Landes. Dafür hat die Revolution auf dem Maidan stattgefunden. Für alle Ukrainer ist die Annäherung an die EU die entscheidende Perspektive. Diesen Weg können wir nicht in Frage stellen.

KNA: Haben Sie mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin auch über einen möglichen Papstbesuch in die Ukraine gesprochen?

Klimkin: Auch das war ein Thema. Ich verstehe, dass so ein Besuch nicht in wenigen Monaten zu organisieren ist. Aber wir hoffen fest, dass er kommt. Wir brauchen mehr Engagement von Seiten des Vatikan und besonders vom Papst selbst. Sein Besuch hätte eine riesige moralische Wirkung. Wir werden daran weiterarbeiten. Der Kalender des Heiligen Vaters ist sehr voll, aber die schwierige Lage in der Ukraine ist allen bekannt.

KNA: Wie funktioniert die Zusammenarbeit von Staat und Kirche in der Ukraine?

Klimkin: Die Rolle der Kirche in der jetzigen Situaton ist für mich von der großer Bedeutung. Es war meine Idee, eine Art Kirchenrat unter der Schirmherrschaft des Außenministeriums zu schaffen. Wir hatten schon die erste Sitzung vor drei Wochen. Die Atmosphäre war sehr positiv. Übernächste Woche gibt es ein zweites Treffen. Am Runden Tisch sitzen Vertreter aller ukrainischen Kirchen und wir beraten gemeinsam, wie wir unser Land innerhalb und außerhalb unterstützen können. Die Bereitschaft der Kirchen zur Kooperation ist da. Das war vor Jahren nicht der Fall. Aber jetzt versteht man, dass die Souveränität und territoriale Integrität des Landes wichtig sind für alle.

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Foto Pawlo Klimkin: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
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