Laien brauchen den 'Hirten-Bischof'!

18. Mai 2015 in Aktuelles


Papst Franziskus bei der Versammlung der Italienischen Bischofskonferenz: Warum lässt man Klöster, Kongregationen so sehr überaltern, dass sie fast kein dem Evangelium entsprechendes Zeugnis mehr sind, das dem Gründungscharisma treu ist?


Rom (kath.net) Papst Franziskus hat heute bei der Versammlung der Italienischen Bischofskonferenz eine bemerkenswerte Ansprache gehalten. Thema der Versammlung war Evangelii gaudium, das erste Apostolische Schreiben von Papst Franziskus.

kath.net dokumentiert Auszüge aus der Ansprache von Papst Franziskus:

Meine Fragen und meine Sorgen ergeben sich aus einer globalen Sicht und vor allem aus den zahlreichen Begegnungen, die ich in diesen zwei Jahren mit den Bischofskonferenzen gehabt habe, wobei ich die Wichtigkeit dessen festgestellt habe, was man als die „kirchliche Sensibilität« (kirchliche Gesinnung) definieren könnte: das heißt, sich dieselben Empfindungen Christi aneignen, Empfindungen der Demut, des Mitleids, der Barmherzigkeit, der Konkretheit und der Weisheit.

Die kirchliche Sensibilität (Gesinnung) bringt es mit sich, nicht scheu oder irrelevant zu sein wenn es darum geht, eine verbreitete Mentalität der öffentlichen und privaten Korruption anzuprangern und zu besiegen, der es gelungen ist, ohne Scham Familien, Rentner, ehrliche Arbeiter, christliche Gemeinden zu verarmen und dabei die jungen Menschen, die systematisch jeder Hoffnung für ihre Zukunft beraubt werden, als Abfall zu behandeln und vor allem die Schwachen und Bedürftigen auszugrenzen. Kirchliche Sensibilität, die uns als gute Hirten zum Volk Gottes hinausgehen lässt, um es vor den ideologischen Kolonisierungen zu verteidigen, die ihm seine Identität und Würde als Menschen nehmen.

Die kirchliche Sensibilität offenbart sich auch in den pastoralen Entscheidungen und in der Ausarbeitung von Dokumenten, wobei nicht der theoretisch-doktrinelle und abstrakte Aspekt überwiegen darf, als seien unsere Orientierungen nicht an das Volk oder an unser Land gerichtet, sondern nur an einige Gelehrte und Spezialisten. Dagegen müssen wir in der Anstrengung fortfahren, sie in konkrete und verständliche Vorschläge umzusetzen.

Die kirchliche und pastorale Sensibilität konkretisiert sich auch in der Stärkung der unverzichtbaren Rolle der Laien, die bereit sind, die Verantwortungen zu übernehmen, die ihnen zukommen. Tatsächlich sollten die Laien, die eine echte christliche Bildung haben, keinen „Piloten-Bischof“ oder „Piloten-Monsignore“ oder klerikalen Input brauchen, um auf allen Ebenen die eigene Verantwortung zu übernehmen, sowohl auf der politischen wie auf der gesellschaftlichen, auf der wirtschaftlichen und auf der legislativen! Sie brauchen dagegen alle den „Hirten-Bischof“!

Schließlich zeigt sich die kirchliche Sensibilität konkret in der Kollegialität und in der Gemeinschaft zwischen den Bischöfen mit ihren Priestern; in der Gemeinschaft zwischen den Bischöfen; zwischen den – materiell und an Berufungen – reichen Bistümern und jenen, die sich in Schwierigkeiten befinden: zwischen den Peripherien und dem Zentrum; zwischen den Bischofskonferenzen und Bischöfen mit dem Nachfolger Petri.

In einigen Teilen der Welt ist eine verbreitete Schwächung der Kollegialität festzustellen, sowohl bei der Festlegung der Pastoralpläne als auch beim gemeinsamen Teilen der wirtschaftlich-finanziellen programmatischen Engagements. Es fehlt die Gewohnheit, die Rezeption von Programmen und die Verwirklichung der Projekte zu verifizieren. Zum Beispiel wird eine Tagung oder ein Event organisiert, der die übliche Stimmen hervorhebt, die Gemeinde narkotisiert, Entscheidungen, Meinungen und Personen homologiert. Statt sich zu jenen Horizonten bringen zu lassen, wohin zu gehen der Heilige Geist uns auffordert.

Ein weiteres Beispiel: warum lässt man die Ordensinstitute, Klöster, Kongregationen so sehr überaltern, dass sie fast kein dem Evangelium entsprechendes Zeugnis mehr sind, das dem Gründungscharisma treu ist? Warum kümmert man sich nicht darum, sie zusammenzulegen, bevor es unter vielen Gesichtspunkten zu spät ist?


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