Interpretationen zu Kardinal Marx und 'ZdK'

19. Mai 2015 in Kommentar


Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat sich zur umstrittenen Erklärung des „ZdK” zu Ehe und Familie geäußert – und man fragt sich, was er meinen könnte. Gastkommentar von Felix Honekamp


Köln (kath.net/Papsttreuer Blog) Über die Erklärung des „ZdK” und ihre mit der katholischen Lehre nicht vereinbaren Forderungen habe ich bereits vor kurzem etwas geschrieben. In meinem Text gab ich noch den Hinweis, dass sich die deutschen Bischöfe – mit Ausnahme des Passauer Bischofs Stefan Oster – bislang vornehm zurück gehalten haben. Am Freitag erschien dann eine Pressemeldung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) über ein Statement des Vorsitzenden, Kardinal Reinhard Marx. Die Pressemeldung lautet wie folgt:

Kardinal Marx zur Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

Zum Dokument des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) „Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen – Familie und Kirche in der Welt von heute“ vom 9. Mai 2015 erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx:

„Die einstimmig verabschiedete Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ‚Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen – Familie und Kirche in der Welt von heute‘ enthält zahlreiche erfreuliche Aussagen, die die theologische und gesellschaftliche Bedeutung der Familie hervorheben und die Förderung der Familie im kirchlichen Bereich und durch Politik und Gesellschaft fordern.

Das Dokument enthält aber auch einige Forderungen, die theologisch so nicht akzeptabel sind. Die Forderung nach einer Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und einer zweiten kirchlich nicht anerkannten Ehe ist mit Lehre und Tradition der Kirche nicht vereinbar. Die Forderung nach einer ‚vorbehaltlosen Akzeptanz‘ des Zusammenlebens in festen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften widerspricht ebenfalls der Lehre und Tradition der Kirche. Beide Themen bedürfen einer weiteren theologischen Klärung und nicht vorschneller, plakativer Forderungen. Eine sicher notwendige theologische Debatte und ein innerkirchlicher Dialog werden so nicht gefördert.“

Zunächst mal sollte man das ganze so lesen wie es ist: Ein zumindest kleiner Rüffel gegen das „ZdK“. Und doch mag sich bei mir nicht so etwas wie Beruhigung einstellen, und das aus mehreren Gründen.

Richtig ist, dass das Dokument des „ZdK“ Forderungen enthält „die theologisch so nicht akzeptabel“ und „mit Lehre und Tradition der Kirche nicht vereinbar“ sind. Fraglich bleibt aber, inwieweit die von Kardinal Marx benannten Punkte („Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und einer zweiten kirchlich nicht anerkannten Ehe“ sowie eine „‚vorbehaltlosen Akzeptanz‘ des Zusammenlebens in festen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“) tatsächlich, wie von ihm beschrieben, einer weiteren theologischen Klärung bedürfen. Weiß der Kardinal da mehr als wir dummes, nicht-theologisch geschultes Kirchenvolk? Bislang hatte ich Bibel, Lehramt und Katechismus immer für eine ausreichende Basis gehalten, jetzt scheint nach den Worten des Kardinals einiges im Fluss und möglich zu sein.

Dem entspricht, dass Marx die Äußerungen des „ZdK“ damit nicht inhaltlich ablehnt, sondern darauf hinweist, dass „eine sicher notwendige theologische Debatte und ein innerkirchlicher Dialog so nicht gefördert [werden].“ Unsere Kanzlerin benutzt bei sowas die Formulierung „Nicht hilfreich“, wenn sie nicht möchte, dass eine Diskussion zu sehr ins öffentliche Bewusstsein gerät.

Wobei ich aber noch schmalere Augen bekomme, sind die Themen, die Kardinal Marx nicht genannt hat. Wenn ich selbst eine Aufzählung nicht vollständig abschließen will, helfe ich mir mit der Formulierung „zum Beispiel“. Die Pressemeldung vermittelt dagegen den Eindruck, dass die zitierten Themen die einzigen „theologisch“ strittigen seien. Ich erinnere noch mal an meine kleine Liste und führe hier noch mal die beiden Forderungen auf, die Kardinal Marx nicht nennt:

„Brücken zwischen der Lehre der Kirche zu Ehe und Familie und der heutigen Lebenswelt der Gläubigen [müssen] gebaut werden durch …

- das Wiedergewinnen von kirchlicher Sprachfähigkeit durch einen unbefangenen Zugang zur menschlichen Sexualität und die Anerkennung, dass diese – im Respekt vor der Selbstbestimmung und Würde des und der Einzelnen – ihren Ort im geschützten und verbindlichen Raum einer Partnerschaft hat;

- eine Neubewertung der Methoden der künstlichen Empfängnisregelung, da in keinem anderen Lebensbereich eine vergleichbar große Differenz zwischen dem päpstlichen Lehramt und den persönlichen Gewissensentscheidungen im Alltag auch der meisten gläubigen Katholikinnen und Katholiken zu konstatieren ist“

Ich frage nur mal so: Sind das keine Forderungen, die „theologisch nicht akzeptabel“ sind? Sind das keine Forderungen, die „mit Lehre und Tradition der Kirche nicht vereinbar“ sind? Als ich zuletzt nachgesehen habe, gehörte Sexualität noch in den geschützten und verbindlichen Rahmen einer Ehe, nicht einfach einer Partnerschaft (vgl. KKK Nr. 2353). Und zuletzt gehörte auch die künstliche Empfängnisverhütung nicht einfach deshalb zum Repertoire gläubiger Katholiken, weil es der Rest der Welt auch so hält.

Dass man über diese und die anderen Themen sprechen muss, dass man ihren Wert immer wieder und immer wieder in neuen Worten vermitteln muss, steht außer Frage. Wir können alle nur hoffen, dass wir – mit einem wichtigen Meilenstein bei der Familiensynode – in dieser Hinsicht alle ein bisschen schlauer werden. Es reicht eben nicht aus, einfach nur den Katechismus zu zitieren, wie ich es oben getan habe, der für 99 % der Menschen in Deutschland vermutlich kaum eine Referenz darstellen dürfte. Es ist Überzeugungsarbeit zu leisten für das katholische Bild der Familie – es zu relativieren und der Diskussion anheimzustellen, nur weil es in der Gesellschaft nicht mehr opportun ist, hieße, große Teile eines Kirchenschatzes an Glauben einzureißen.

„Die Welt“ und „die Kirche“ stehen sich in den vom „ZdK“ (das sich auf die Seite „der Welt“ geschlagen zu haben scheint) angesprochenen Themen sprachlos und taub gegenüber und es ist unsere Aufgabe, die richtige Sprache zu finden und die Ohren der Welt zu öffnen, „die Welt“ sieht zu einem solchen Bemühen gar keine Veranlassung. Die Forderungen des „ZdK“ sind aber dieser notwendigen Öffnung nicht nur nicht förderlich, sie verhindern einen Dialog durch Preisgabe der eigenen Position. Bequem wär’s ja, aber bequem ist die Wahrheit nicht zu haben.

Ich hätte mir von einem Vorsitzenden der DBK, wenn er sich denn schon äußert, eine in dieser Hinsicht klarere Aussage gewünscht. Ich kann aber – leider – nicht sagen, dass meine Erwartungen enttäuscht wurden.

Peter Esser: ZdK Aktion Gänsefüßchen - Uns soll nicht das ´ZdK´ vertreten!



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