'Wir' mit 'Feuerzungen' statt bloß 'Wir auch'

18. Mai 2015 in Kommentar


„Die jüngste Stellungnahme des ZdK fordert mich zum Widerspruch auf“ – „Wir sollten uns um die Bischöfe scharen und sie ermutigen, es gibt kein schwereres und undankbareres Amt in der Kirche.“ Von Helmut Müller


Vallendar (kath.net) „Wir“ mit „Feuerzungen“ statt bloß „Wir auch“. Im Meinungskampf der Gegenwart sollte das die Devise der Kirche in der Welt von heute sein. Das ZdK als „Parlament der Katholiken“ ist damit schon von seiner Struktur her überfordert. Wir brauchen eine neue APO.

Die jüngste Stellungnahme des ZdK fordert mich zum Widerspruch auf. Wie viele andere getaufte Katholiken fühle ich mich von ihm nicht vertreten. Allerdings muss man davon ausgehen, dass seine Stellungnahme rein nominell unter Kirchensteuerzahlern mehrheitsfähig ist, auch wenn vermutlich noch einmal die Mehrheit davon gar nicht weiß, was das ZdK ist. Wie dem auch sei, ist es in einer nicht direkten parlamentarischen Demokratie, in der Gewählte und Nominierte zum „Parlament“ gehören, zu solchen Aussagen legitimiert. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber dieses obskure Parlament spiegelt in seiner Einstimmigkeit nicht einmal das Meinungsbild der es zu Vertretenden ab, sondern die Mehrheitsmeinung, der es umgebenden säkularen Gesellschaft wieder. Schon seit Jahrzehnten bin ich allerdings daran gewöhnt, nicht mehr mit Mehrheiten reden zu können. Gerade deshalb möchte ich meine Meinung äußern. In der Sache teile ich voll und ganz die Ansicht des Passauer Bischofs Stefan Oster, dem ich für seine mutige Stellungnahme zur ZdK-Verlautbarung meinen Dank aussprechen möchte. Daher folgen keine weiteren Argumente in der Sache, sondern nur zum Thema politisch organisierte Kirchlichkeit in einer parlamentarischen Demokratie, in der auch von ihrem Glauben überzeugte Christen leben.

Zunächst: In einer parlamentarischen Demokratie, wie der unseren, leben nicht nur Christen. Deshalb ist sie säkular organisiert und das ist gut so. Organisierte Kirchlichkeit könnte darin besser vorkommen. Verständlich ist daher, dass man nicht geradezu zwanghaft mit ihr im Konsens sein müsste, in der Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Papst aber sehr wohl. Auch da kann es nicht um eine bloß plebiszitäre, sondern nur um eine qualitative Zustimmung gehen. Schon Cicero warnte Jahrzehnte vor Christus vor einem multitudinis consensus, der verführerischen Zustimmung der Menge. Wenn es also jetzt beim ZdK einmütige Beschlusslagen gibt und selbst die anwesenden Vertreter geistlicher Gemeinschaften mitgestimmt haben sollten, dann muss es eben eine neue APO, dieses Mal eine der anderen Art geben. Für jüngere Zeitgenossen: „APO“ heißt außerparlamentarische Opposition. Als steuerzahlender, getaufter und gefirmter Katholik widerspreche ich der Organisation, die behauptet mich zu vertreten. Das ist säkular legitim und nach meiner Überzeugung sogar gerade jetzt geboten:

Liturgisch feiern wir in wenigen Tagen die Anfänge des jungen Christentums. Am „ersten Pfingsttag“ wagten sich vor fast 2000 Jahren die bisherigen Drückeberger als todesmutige Bekenner auf die Straße. Kardinal Ottaviani beschrieb das Verhalten der Jünger am Gründonnerstag und Karfreitag wie folgt: „Die erste Handlung der jungen Gemeinde war, dass sie gemeinsam stiften gegangen sind“. Ab Pfingsten erst „drängt die Liebe Christi“ (2Kor, 5,14) die Jünger aus dem Abendmahlsaal in die Welt, und wenn sie das „Evangelium nicht künden“ (1Kor, 9,16), ist ihnen ab jetzt nicht wohl dabei. Pfingsten bedeutet also nicht bloß nach
• Mehrheiten schielen,
• sich im Konsens suhlen und fragen
• bringt das Quote,
• kommt das gut an, was wir zu sagen haben,
• passt das in die Lebenswirklichkeit (statt sie zu verändern),
• denken wir nur realistisch, anstatt pfingstlich oder
• sind wir nicht bloß „in der Welt von heute“ (GS), sondern müssen zuweilen auch im Kontrast zu ihr stehen?

Damals haben sie den geschützten Raum des Abendmahlsaals verlassen, gingen auf die Straße, fingen an in allen Sprachen zu reden, egal ob gelegen oder ungelegen. Das war das Feuer aber auch der Zauber des Anfangs. Chrysostomus hatte einmal gesagt. Die ersten Christen wären Menschen wie die anderen gewesen und doch anders als sie, ihrer normalen menschlichen Natur sei aber eine Feuerzunge dazugegeben worden. Von dieser Feuerzunge ist in der genannten Stellungnahme des ZdK nichts zu spüren. Ein Marsbewohner, der auf der Erde gelandet wäre, könnte angesichts auch weiterer Verlautbarungen organisierter Kirchlichkeit folgenden Eindruck haben: Menschliches Wohl, von christlichem Heil gar nicht zu reden, wird medial schon von politischen Parteien, Gewerkschaften und Non Profit Organisationen proklamiert.

Die Deutungshoheit, was menschliches Wohl ist, bestimmen immer weniger die Kirchen, sondern durch ein top down Verfahren UN-Organisationen und die EU. Gender, „reproduktive Gesundheit“, sexuelle Vielfalt sind nur einige Stichworte. Papst Franziskus hat das mit Kulturkolonialismus kritisiert.

Kaum glaublich, dass es schon sehr früh im vergangenen Jahrhundert Kurt Tucholsky aufgefallen ist, dass Kirchen immer weniger selbstbewusst „Wir“ sagen, sondern nur noch „Wir auch“.

Gerade einmal in der Diskussion um die Sterbehilfe sind kirchliche Gremien in Deutschland markant gegen einen immer größer werdenden allgemeinen gesellschaftlichen Konsens, der nicht von der Kirche bestimmt wird, zu hören,
• Flüchtlingshilfe wird gegen einen großen rechten Rand - Gott sei dank – gestützt.
• Das demographische Problem unserer Gesellschaft, die Zukunft, sprich Kinder, und
• ihre sexuelle Erziehung
• bleiben auf Kosten absonderlicher sexueller Präferenzen einer enorm unterleibsfixierten Gesellschaft als Problematik unter der Wahrnehmungsschwelle kirchlicher Verlautbarungen.

Deshalb braucht es Christen mit Feuerzunge, eine APO in o. g. Sinn, Bischöfe, die Mose sind und keine Aarons und schnell ein goldenes Kalb finden, um das sich tanzen lässt.

Hirten, die Kontakt „nach oben“ haben und den Vorwurf aushalten, den Kontakt zur Basis verloren zu haben, brauchen in einer solchen Gesellschaft „Feuerzungen“, wenn sie sich dagegen stemmen, die Lehre der Kirche in der Lebenswirklichkeit der Welt aufzulösen.

Es gibt sie noch, die Posaune Gottes sind, die zur rechten Zeit ertönt und nicht bloß im Blasorchester des Zeitgeistes unauffällig mitblasen. Das sind starke Metaphern und jeder sich in einer w. o. definierten APO wähnende Christ sollte seinem Bischof den Rücken stärken, wenn er in die Posaune blasen sollte, auch wenn es noch so zaghaft ist. Wir kennen die Gründe nicht, weshalb er das nicht stärker tut. Andererseits ist er, wie Ezechiel zum Wächter Israels berufen wurde, zum Episkopos seines Bistums in der gleichen Aufgabe gefordert. Wir sollten uns um die Bischöfe scharen und sie ermutigen, es gibt kein schwereres und undankbareres Amt in der Kirche.

Trotz der vorangehenden starken Metaphern, bin ich mir bewusst, dass es sich nur um Überzeugungen handelt, die allerdings die Auseinandersetzung suchen und argumentativ um Plausibilität ringen.

kath.net-Lesetipp:
Unterirdische Ansichten eines Oberteufels über die Kirche in der Welt von heute
Von Helmut Müller
80 Seiten
2015 Dominus Verlag
ISBN 978-3-940879-38-7
Preis 5.10 EUR

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