‚Es bleibt viel zu tun‘

9. Mai 2015 in Interview


Ein Schweizer leitet das nördlichste katholische Bistum der Welt - Von Andrea Krogmann (KNA).


Reykjavik (kath.net/ KNA)
Der Schweizer Peter Bürcher (69) ist seit 2007 Bischof im isländischen Reykjavik. Die Diözese ist jung und gehört zu den wenigen der westlichen Welt, deren Taufzahlen die Zahl der Beerdigungen deutlich übersteigen. Nach acht Jahren Amtszeit hat Bürcher dem Papst aus gesundheitlichen Gründen sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Bis zur Entscheidung durch Papst Franziskus bleibt Bürcher Oberhirte der 13.000 Katholiken der Insel. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit ihm über den nördlichsten Teil der katholischen Welt.

KNA: Was für eine Diözese haben Sie vor nunmehr acht Jahren übernommen?

Bürcher: Diese Diözese ist jung, 2008 hat sie erst ihr 40-jähriges Bestehen gefeiert. Als sechster Bischof seit der Reformation stieß ich auf reiche apostolische Erfolge: Konversionen, die ersten Krankenhäuser, die von Ordensgemeinschaften erbaut und geleitet werden. Gleichzeitig sah ich viel Elend. Die Katechese war rudimentär, das liturgische Leben oft vorkonziliar; Sakramentalisierung stand vor der Evangelisierung. Vor allem aber war es eine Diözese in Roten Zahlen.

KNA: Vier Ihrer fünf Vorgänger waren wie Sie Ausländer. Ist die Sprachbarriere ein Handicap?

Bürcher: Es ist sicher ein pastoraler Nachteil. Tatsächlich haben wir aber nicht viele isländische Priester. Von 18 Priestern mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren ist nur ein einziger Isländer, und er ist älter als ich. Zum anderen ist das auch ein Ausdruck der universalen Dimension der Kirche. Wir sind keine Nationalkirche, sondern Teil der Weltkirche. Nur wenige Katholiken hier sind Isländer. Die große Mehrheit sind Polen und Philippiner. So gesehen bräuchte es eher einen polnischen Bischof, der Isländisch spricht.

KNA: Dennoch wären vertiefte Sprachkenntnisse hilfreich.

Bürcher: Wenn ich die Sprache ausreichend hätte lernen wollen, hätte ich zunächst zwei Jahre Vollzeit an der Universität studieren müssen, wie es unsere jungen Priester tun. Da ich das nicht konnte, war mein primäres Ziel, Isländisch lesen zu können, um das Wesentliche zu verstehen und die Messe auf Isländisch feiern und auf Isländisch predigen zu können. Was wir brauchen, sind Berufungen - für das Priesteramt wie für das Ordensleben. Auch unter unseren 31 Ordensfrauen gibt es keine Isländerin.

KNA: Kein Jahr nach Ihrer Ankunft traf die Finanzkrise Island hart - auch die Katholiken?

Bürcher: Die Mehrheit unsrer Katholiken arbeitete in Fischereihäfen oder auf Baustellen - Jobs, die kurzerhand abgebaut wurden. Die Probleme der Arbeitslosigkeit wurden dadurch umso mehr zu einer sozialen und pastoralen Sorge für uns.

KNA: Welche Herausforderungen waren die größten Ihrer Amtszeit?

Bürcher: Wir haben in den vergangenen Jahren zehn Mal mehr Taufen feiern dürfen als Beerdigungen. Das ist sehr hoffnungsvoll. Zudem habe ich alles darangesetzt, die Finanzen und die diözesane Infrastruktur zu konsolidieren. Aus Deutschland und der Schweiz haben wir viel Hilfe erfahren, dank der wir mehrere Grundstücke und Immobilien erwerben konnten. In acht Jahren durfte ich drei neue Kirchen und zwei neue Kapellen einweihen, so dass wir jetzt landesweit 18 Gotteshäuser haben. Dringend stehen der Neubau von zwei Kirchen und die Erweiterung zweier weiterer Kirchen an.

KNA: Wofür sind Sie besonders dankbar?

Bürcher: Im vergangenen Jahr haben wir das römische Messbuch in Isländisch veröffentlicht Es wird nun in allen katholischen Kirchen des Landes eingesetzt. Seit meinem ersten Jahr hier in Island lag mir am Herzen, die Teilnahme unserer Jugendlichen an Weltjugendtagen zu fördern. Zu meiner großen Freude sind sie meinem Appell gefolgt. Sie sind die Gegenwart und die Zukunft unserer Kirche.

KNA: Wenn Papst Franziskus Ihren Rücktritt annimmt - in welchem Zustand werden Sie die Diözese an Ihren Nachfolger übergeben?

Bürcher: Die Zahl der Katholiken wächst im Schnitt um 20 Prozent jährlich; wir haben mit 3,6 Prozent den höchsten Katholikenanteil aller nordischen Länder. Die Diözese hat sich dem ständigen Diakonat geöffnet. Ich durfte die Bereiche Bildung, Katechese und Liturgie erneuern. Zum Thema sexueller Missbrauch haben wir Aufklärung betrieben und vor allem die Prävention verstärkt. Ich hoffe, dass ich die katholische Kirche Islands in einem besseren Zustand hinterlasse, als ich es vorgefunden habe. Gleichzeitig weiß ich, dass es noch viel zu tun gibt - zum Glück für meine Nachfolger. Ich selbst werde dann als emeritierter Bischof den Christen im Heiligen Land mit Freude zur Verfügung stehen.

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