Appelle und Kritik bei Befreiungsfeier in KZ-Gedenkstätte Dachau

3. Mai 2015 in Chronik


Die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen darf nicht enden. Darin waren sich alle einig beim Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau vor 70 Jahren.


Dachau (kath.net/KNA) 70 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau haben Politiker und Religionsvertreter an die künftigen Generationen appelliert, die Erinnerung an die NS-Verbrechen weiterzutragen. Gerade die jungen Menschen suchten Antworten, wie der «Zivilisationsbruch» des Holocaust möglich geworden sei, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag in Dachau. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte mit Blick auf die Jugendlichen: «Ihr seid zwar nicht schuldig, aber ihr tragt Verantwortung!» Bei den Gedenkfeiern wurde aber auch Kritik an den Formen der Erinnerungskultur in der Bundesrepublik laut.

Im KZ Dachau waren zwischen 1933 und 1945 mehr als 200.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert, die meisten von ihnen waren politische Gefangene. Unter den KZ-Häftlingen waren auch Juden, Sinti und Roma sowie Angehörige anderer verfolgter Minderheiten. Die Zahl der Toten wird auf mindestens 41.500 geschätzt. Das Konzentrationslager wurde am 29. April 1945 von US-amerikanischen Truppen befreit.

An den Dachauer Gedenkfeiern, die am Mittwoch begonnen hatten, nahmen rund 1.500 Menschen teil, unter ihnen zahlreiche KZ-Überlebende aus ganz Europa. Auch sechs US-Soldaten, die damals zu den ersten Augenzeugen der Verbrechen gehörten, waren nach Dachau gekommen.

Die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen und die Befreiung des KZ seien «wichtig für Europa und den Aufbau einer humanen Zivilisation», betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Er dankte auch den überlebenden Zeitzeugen, von denen viele erst nach Jahrzehnten die Kraft gefunden hätten, über das Erlittene zu sprechen.

Auch Merkel sagte an die anwesenden KZ-Überlebenden gewandt, es sei «ein großes Glück, dass Menschen wie Sie bereit sind, uns Ihre Lebensgeschichte zu erzählen». Das große Leid in den Konzentrationslagern entziehe sich dem Vorstellungsvermögen. Schilderungen von betroffenen Menschen ermöglichten es gerade jungen Menschen, Daten und Zahlen mit Namen und Lebenswegen zu verbinden. Deutschland dürfe niemals seine Augen vor der Vergangenheit verschließen, ergänzte die Kanzlerin. Der Kampf gegen Ausgrenzung sei eine Aufgabe für Staat und Gesellschaft. «Das sind wir den Überlebenden und uns allen schuldig.»

Schuster bekräftigte seine Forderung, dass Schüler ab der neunten Jahrgangsstufe zum Besuch einer KZ-Gedenkstätte verpflichtet werden sollten. «Ich hoffe, dass mein Vorschlag im bayerischen Landtag noch einmal wohlwollend geprüft und auch in anderen Bundesländern aufgegriffen wird», sagte er. Nur wenn man die authentischen Orte besuche, bekomme man eine Ahnung, «wie es gewesen ist». Fachleute hatten sich skeptisch zu verpflichtenden Besuchen in Gedenkstätten geäußert.

Der KZ-Überlebende und Vorsitzende der Lagergemeinschaft Dachau, Max Mannheimer, sagte, aus dem heutigen Gedenken müsse ein verantwortliches Bewusstsein und mutiges Handeln gegen jede Art von Ungerechtigkeit entstehen. «Menschen dürfen nicht verfolgt werden, weil sie anders leben und glauben, eine andere Hautfarbe oder Sprache haben.» Der 95-Jährige unterstrich, von den Gedenkfeierlichkeiten 2015 solle ein «Zeichen der Versöhnung und der Menschenrechte» ausgehen.

Skeptisch äußerte sich die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, mit Blick auf die deutsche Erinnerungskultur. «Wir haben ein Problem», sagte sie. Sie könne den oft zitierten Satz «Nie wieder» inzwischen nicht mehr hören. Tatsächlich habe in der Gesellschaft weit weniger Umdenken und Lernen stattgefunden, «als wir glaubten». Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland werde immer häufiger brüskiert. Zustimmung erhielt die frühere Zentralrats-Präsidentin Knobloch vom Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller. «Ich teile Ihre Auffassung voll und ganz», sagte er. Die deutsche Gesellschaft hätte im vergangenen Jahr mehr gegen die antisemitischen Demonstrationen im Zuge des Gazakonflikts tun müssen.

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