Ein Eigentor der deutschen Kirche?

30. April 2015 in Kommentar


Die Preisverleihung des katholischen Sportverbandes DJK an Thomas Hitzlsperger ist konform mit dem Zeitgeist, aber nicht mit der Aufgabe der katholischen Kirche. Ein kath.net-Kommentar von Johannes Graf


Düsseldorf (kath.net/jg)
Die Verleihung von Preisen sagt über die verleihende Institution mindestens so viel aus wie über die geehrte Person. Wenn der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger vom DJK Sportverband den Ethik-Preis des Sports verliehen bekommt, dann ist das doch erstaunlich. Der DJK ist laut Satzung „der katholische Sportverband in der Bundesrepublik Deutschland“ und „unterliegt der kirchlichen Aufsicht nach CIC (Codex Iuris Canonici, Anm.)“.

Hitzlsperger hat den Preis für sein „Engagement im Kampf gegen Homophobie im Fußball“ erhalten. Das passt in unsere Zeit, in welcher der Schutz bestimmter Minderheiten hohe gesellschaftliche Priorität genießt. Hinzu kommt, dass der Preisträger selbst „Betroffener“ von Homophobie war und ist, hat er sich doch vor etwa eineinhalb Jahren selbst öffentlich als homosexuell bezeichnet, um damit eine Diskussion um Homosexualität im Fußball anzustoßen. Im Sport, insbesondere im Fußball, ist das Thema weitgehend tabu, Homosexuelle werden häufig diskriminiert. Zudem wird er für sein Engagement in verschiedenen sozialen Projekten mit antirassistischem Schwerpunkt und seine Unterstützung eines Projektes für HIV-positive Kinder in Südafrika ausgezeichnet, heißt es in der Begründung des Kuratoriums.

Aber passt das auch für eine katholische Sportorganisation? Die DJK hat ihren Ethik-Preis gestiftet, weil sie „den am christlichen Menschenbild orientierten Sport“ als Ideal sieht. Weiters heißt es auf der Internetseite der DJK: „Mit der Verleihung des DJK-Ethik-Preises des Sports will der DJK-Sportverband seine Sicht der Ethik des Sports öffentlich manifestieren und für sie werben.“ Dort ist auch ein Zitat des DJK-Gründers Carl Mosterts zu finden, der 1926 gesagt hat: „Nicht des Sports wegen wird der Sport betrieben, sondern des Menschen wegen.“

Ohne die deutsche Sportszene zu kennen kann ich mir kaum vorstellen, dass es 2015 niemand Würdigeren für den alle zwei Jahre verliehenen DJK-Ethik-Preis gegeben hat, als den offen homosexuellen Hitzlsperger. Dabei ist sein Engagement gegen Homophobie und Rassismus durchaus zu würdigen. Abwertende Bemerkungen, Witze und andere Diskriminierungen gegen Homosexuelle sollten jedem Katholiken fremd sein (siehe KKK 2358). Darunter leiden auch Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen, die nach den Geboten Gottes leben. Da Gott alle Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen und sein Sohn für alle gestorben ist, hat Rassismus ebenfalls keinen Platz in der katholischen Kirche.

Hitzlsperger hat „Homophobie“ – soweit mir bekannt ist – nicht in einem weiten Sinn verwendet. Das muss um der Gerechtigkeit willen hinzugefügt werden. Das Wort ist in unserer Zeit auch ein Kampfbegriff geworden. Als „homophob“ wird heute schnell jemand bezeichnet, der homosexuelle und heterosexuelle Akte nicht als gleichwertig ansieht, erstere ablehnt oder als unnatürlich bezeichnet oder gegen die so genannte „Homo-Ehe“ eintritt. All das trifft auf die katholische Kirche zu.

Dennoch sollte eine katholische Organisation wie die DJK in eine andere Richtung wirken. Die Kirche hat einen missionarischen Auftrag, der für alle Getauften gilt. Warum verleiht die DJK den Ethik-Preis nicht einem Sportler, Trainer oder Funktionär, der sich aus christlicher Motivation für ethisches Verhalten im Sport engagiert? Das scheint mir bei Hitzlsperger nicht der Fall zu sein. In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit sagt der in einer katholisch geprägten Gemeinde in Bayern Aufgewachsene einmal: „Erst viel später las ich Texte über die Selbstverständlichkeit sexueller Vielfalt, zum Beispiel bei dem Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch. Das alles passte nicht zur katholischen Glaubenslehre. Gerade deswegen fand ich es spannend.“ (Die Zeit, 03/2014)

Im Bereich der Sexualität befindet sich die Kirche in vielen westlichen Gesellschaften heute in einer ähnlichen Lage wie in den ersten Jahrhunderten. Im antiken römischen Reich waren sexuelle Promiskuität und Homosexualität üblich. Dem Christentum gelang es, trotz immer wieder kehrender Verfolgung die Kultur langsam zu verändern und zu prägen, wenn auch nicht ohne Versagen, wie uns frühchristliche Autoren wie Cyprian von Karthago und Eusebius berichten. Das ist auch heute eine Herausforderung, der sich die Kirche in den deutschsprachigen Ländern und darüber hinaus stellen muss, wenn sie ihren Auftrag erfüllen will. Dazu sind alle Katholiken aufgerufen, nicht nur die DJK. Unter den heutigen Voraussetzungen einer finanziell abgesicherten, druchgehend organisierten Kirchenstruktur ist es bemerkenswert, dass hier nicht mehr geschieht. Die Verleihung des DJK-Ethik-Preises an Thomas Hitzlsperger ist nur ein Symptom unter vielen.


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