Das Abendland als Klanggemälde

28. April 2015 in Interview


Andre Lamijon: „Ich lehne die klischeehafte Darstellung und Verzerrung von Geschichte durch die Medien ab. Am meisten ärgert mich, dass die Rolle des Christentums entweder falsch und entwertend dargestellt wird.“ Interview vom Michael Hageböck


Freiburg (kath.net) Andre Lamijon legt mit „Morgenrots Kindern“ seine zweite CD mit fulminant vertonter Lyrik vor. Abermals brachte er professionelle Musiker und bekannte Synchronsprecher für die Aufnahmen ins Studio. Über dieses ungewöhnliche Projekt sowie über sein Erstlingswerk, welches das Abendland zum Thema hatte, sprach er mit Michael Hageböck.

kath.net: Mit dem „Abendland-Projekt“ haben Sie einige dichte Texte über den Okzident vorgestellt. Was veranlasste Sie, eine Doppel-CD mit Gedichten zu diesem Thema aufzunehmen?

Lamijon: Der Grund so ein Werk zu schaffen, liegt in der eigenen Liebe zur Geschichte. Andererseits ist sie Reaktion auf die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber unserer Vergangenheit. Schließlich lehne ich die klischeehafte Darstellung und Verzerrung von Geschichte durch die Medien ab. Am meisten ärgert mich, dass die Rolle des Christentums entweder falsch und entwertend dargestellt wird.

kath.net: Insbesondere die ersten und die letzten Stücke faszinieren mich. In treffenden Zeilen nehmen Sie den Zuhörer von der Menschwerdung Gottes mit über die Alpen ins wilde Germanien. Ich finde es erstaunlich, wie heute jemand so wunderbar lebendig die Wiege der abendländischen Kultur darstellt. Im Schulunterricht haben Sie das sicher doch nicht gehört.

Lamijon: Ich habe meine Schulzeit in der DDR verlebt und da begann der Geschichtsunterricht etwas verallgemeinert mit der Spartakusaufstand und endete mit der Gründung der SED. Dazwischen lag noch der deutsche Bauernaufstand, die Französische Revolution, die Russische Oktoberrevolution und der 2. Weltkrieg. Unser Wissen kreiste um die jeweiligen Idole der Partei. Thomas Münster oder Lenin hatten wir gefälligst zu bewundern. Da wird man als junger Mensch misstrauisch, zumal wenn so viel Blut an den Händen von solchen Personen klebt.

kath.net: Wie würden Sie Abendland definieren?

Lamijon: Das Abendland ist ohne das Christentum nicht denkbar. Die Verfeinerung der Sitten, auf die es oft reduziert wird, ist zu wenig. Der Schlüssel liegt im Denken und der Verantwortlichkeit etwas größerem, nämlich Gott gegenüber. Wo im Christentum die Liebe der Weg ist, um zum Frieden zu gelangen, sucht das Heidentum mit dem Schwert das Ziel zu erbeuten.

Das Abendland definieren: Große Herrscher im Dienst der Kirche, hohes Geistesleben, ausgehend von den Klöstern, welches die Völker zu großen Erfindungen und Werken befähigte. Gemälde, Symphonien, Architektur, eine endlose Kette, bis hin zu den Errungenschaften des Alltags, gingen von der abendländischen Kultur aus. Davon zehren wir bis heute. Allzu viele bahnbrechende Entdeckungen aus dem Kulturkreis des Islam sind mir nicht bekannt.

kath.net: Nach Tolkien und Chesterton gehören Elfen, Nymphen und Riesenkinder zu unserer Kultur. Auch Sie haben diese Gestalten in Ihren Gang durch das Abendland integriert. Wie passen für Sie christlicher Glauben und heidnische Sagen zusammen?

Lamijon: Die Apostel und Missionare des Christentums hielten nicht Einzug in einen geschichtslosen, leeren Raum, in dem lauter Bewusstlose lebten. Die Stämme Europas haben ihre Erfahrungen gesammelt mit den Mächten, die sie umgeben und sie versucht einzuordnen. Das moralische Rechtsempfinden der Germanen und Kelten stand dabei mit Sicherheit über dem von Atheisten heutiger Tage. Abtreibung, Kinderschändung etc. sind geistige Schäden der Moderne.

Und was die Riesen, Nymphen und Elfen angeht: Die Heilige Schrift selbst spricht von den Riesen in der Genesis. Sagen sind keine Märchen, sondern ausgeschmückte Erfahrungsberichte. Am Ende bleibt, dass Christus über allem steht. St. Bonifatius hat die Donar Eiche nicht gefällt, weil er Holz brauchte, sondern weil es ihm gegeben war, das Kreuz als Zeichen des Triumphes über alte Mächte und Gewalten zu setzen und den Menschen die Verheißungen Gottes vor Augen zu stellen.

kath.net: „Himmelskönigin“ erzählt von einem Gestrandeten - jedoch weniger von einer historischen Person, als von einem Menschen, der zum Glauben findet. Ist der Text auch etwas autobiografisch? Sie sind atheistisch aufgewachsen, haben sich während Ihrer Zeit bei den Gebirgsjägern in Bayern evangelisch taufen lassen und wurden in Berlin katholisch. Gottes Wege scheinen immer wieder wunderbar. Erzählen Sie uns von Ihrer Konversion.

Lamijon: Im Prinzip bin ich ein Beispiel für meine Generation, die in der DDR aufwuchs. Christliche Erziehung fand nicht statt. Weder in der Familie, noch in der Schule. Wenn das Wort Kirche überhaupt irgendwann fiel, dann im negativen Zusammenhang. Bücher über christliche Themen erreichten mich nicht.

Aber wenn der Herr ruft, gibt es kein Halten mehr. Bei mir geschah das Anfang der 90er Jahre. Es war ein langer Weg bis zur (evangelischen) Taufe. Die Suche nach dem Ursprung, der Kirche, der geschichtlichen Wahrheit, vor allem einige persönliche Erlebnissen, durch die mir Gott meine Sünden vor Augen hielt und seine Macht offenbarte, haben mich dann in Berlin zur katholischen Kirche geführt.

Bei meiner ehemaligen Antihaltung zum Glauben und meinem Lebenswandel wundere ich mich immer noch, dass Christus sich zu mir herab beugte, statt mich zu verwerfen. Der Muttergottes habe ich dabei viel zu verdanken. Es ist sehr traurig, dass in der evangelischen Kirche und in den meisten freikirchlichen oder protestantischen Sprengeln das Wissen und der Glaube verloren ging, das auf Mariens Fürsprache hin, beim Herrn gewährt wird. Schon unter Menschen schlägt der eigene Sohn der Mutter kaum eine Bitte ab und Jesus Christus ist der Sohn Gottes und der Erlöser. Also ist auch alles möglich.

kath.net: Sie sind Familienvater und arbeiten in verschiedenen Tätigkeiten, um ihre CD-Projekte finanzieren zu können. Ist das nicht ein hartes Brot? Woher der Idealismus?

Lamijon: Die meiste Zeit meines Lebens war ich gegen irgendetwas, dann wurde es Zeit für etwas zu sein. Christus hat mir geholfen, das zu sehen. Natürlich ärgert mich der ganze Pseudo -Kulturbetrieb, der (wie Benedikt XVI. treffend sagte) um eine Kultur des Todes kreist. Die Unterhaltungsindustrie soll produzieren und wir sollen kaufen ohne nachzudenken. Und danach sollen wir wieder kaufen, bis wir besoffen sind von lauwarmen Tönen, Bildern und mittelmäßigen Werken, bis wir das Mittelmaß sozusagen verinnerlicht haben. Dann sehnt sich auch keiner mehr nach höchsten Maßstäben - in letzter Konsequenz nach Gott. Um dieser Verflachung entgegen zu treten, produzierte ich meine CDs.

kath.net: „Ins heilige Land“ stellt die Kreuzfahrer als tragische aber sympathische Helden dar. Bedarf die Darstellung dieser Epoche in den Schulbüchern einer Revision?

Lamijon: Auf jeden Fall. Die Kreuzzüge werden allgemein entweder als Schurkenstück oder als Verschwörung der Kirche gegen den Rest der Welt angesehen. Meist gefolgt in den Diskussionen von Hexenverbrennungen oder dem Fall Galliei. Dabei spielen Fakten kaum mehr eine Rolle, vielmehr werden nur Klischees nachgebetet. Geschichte wird mit den Augen des jeweiligen Zeitgeistes betrachtet, nicht aus der Zeit heraus. Dazu kommt, dass im Westen die 68er und im Osten die alten Eliten in Position stehen, die es ihnen auch heute noch erlauben, diesen ganzen Unsinn fern der Wahrheit unter dem Mantel der Aufklärung zu verbreiten, nur weil es ihrer Weltsicht dient.

kath.net: Manche Passagen sind brisant: „…auch weil er dem Sohn die Macht gegeben, / dem Mensch die Sünden zu vergeben, / auf das des Menschenseele ewig lebt / Das Kreuz über dem Halbmond steht!“ Sind diese Zeilen nicht etwas zu provokativ?

Lamijon: Nein, überhaupt nicht! Jesus ist der Christus, der Gesalbte – also König und damit mehr als ein Prophet. Im Übrigen wurde Christus laut dem Koran gar nicht gekreuzigt, sondern ein anderer an seiner Stelle. Somit hätte auch kein Heilsereignis stattgefunden und Christus wäre nur ein Prophet unter vielen. Genau so wird er auch im Islam dargestellt. Die Anerkennung des Kreuztodes führt zur Auferstehung der Toten und Vergebung der Sünden und letztlich zur Trinität. Denn Christus als Sohn Gottes, gesandt im Heiligen Geist, den seine Werke bezeugen, würden bei einer Anerkennung der genannten Punkte den Islam ad absurdum führen.

kath.net: Sie beschreiben, dass Christus als Stern im Morgenland aufgeht. Wie düster ist es heute um jenes Land bestellt, wo die Sonne untergeht, dem Abendland?

Lamijon: Sehr düster. Die Globalisierung hat den Handlungsspielraum der Politiker für ihr jeweiliges Volk immens eingeschränkt. Unter dem Denkmantel einer „Weltverantwortlichkeit“ scheint sich keiner der Regierenden der Verantwortung für sein eigenes Volk bewusst zu sein.

Ganz zu schweigen davon, dass sich kaum mehr einer als Diener seines Staates und damit seiner Bürger begreift. Machthunger, Eitelkeit, Unfähigkeit an der Spitze des Staates sind zwar keine Erfindungen der Moderne. Aber soweit, dass die Völker aufgelöst werden und damit ihre Traditionen, ihr Glaube und jedes gesunde Rechtsempfinden, soweit dürfte es wohl in der Geschichte noch nie gekommen sein. Das Christentum in Europa ist im höchsten Maße bedroht.

kath.net: Sie vergleichen das heutige Abendland mit Babylon - Drogenbarone und Waffenschieber heißen „Willkommen im 21. Jahrhundert“.

Lamijon: Stellen Sie sich vor, Sie müssten Karls dem Großen erklären, wie das Deutschland oder Frankreich des 21. Jahrhunderts aussieht. Dann müssten Sie ihm verständlich machen, dass in Europa jedes Jahr tausendfach Vergewaltigung, Mord und Totschlag, Kindstötung stattfindet, dass Huren vom Staat angeordnet Renten beziehen, dass Männer Männer und Frauen Frauen heiraten dürfen und so mancher Bischof oder Kardinal das als Zugeständnis an den Zeitgeist befürwortet. Wie konnte es zu Menschen-, Waffen- und Drogenhandel im großen Stil kommen?

kath.net: Gedichte wie „Sturmwarnung“ oder „Über die Jahrhunderte“ erzählen von Mühen und Leid, aber auch vom bleibenden Wert des Abendlandes. Worin besteht dieser?

Lamijon: Der bleibende Wert des Abendlandes besteht in unsrem Erbe: Die Traditionen, die aus dem christlichem Glauben heraus geschaffenen geistigen und materiellen Werke, der den Völkern Europas diesen kulturellen und gesellschaftlichen Fortschritt und Blüte über 1500 Jahre hinweg erst ermöglichte.

Den Opferkulten der Maya und Aztekenkultur könnte man einen Michelangelo oder Da Vinci entgegensetzen, den Pyramiden unsere Dome und der Scharia unser Rechtswesen. Die Weiterentwicklung der griechisch-römischen Kultur in Mitteleuropa hat Einzigartiges hervorgebracht. Kennen Sie einen afrikanischen Beethoven, einen buddhistischen Shakespeare? Oder einen islamischen Wissenschaftler, dessen Erfindungen die Welt technisch revolutionierten? Leider sind wir in den letzten 200 Jahren allzu verschwenderisch und gedankenlos mit unserem Erbe umgegangen.

kath.net: Sehen Sie irgendwo Anzeichen für ein Morgenrot, indem das Abendland wie der Phönix sich im „Adlertanz“ erhebt?

Lamijon: Ich würde sagen; die Nacht wird dunkler und das Licht heller. Das 21. Jahrhundert wird von großen Umbrüchen so wenig verschont bleiben wie die vergangenen. Dazu kommt aber, dass dieses Jahrhundert technisch in der Lage ist, das Potenzial des Grauens zu vertausendfachen. Für Europa sehe ich eher eine Entchristianisierung. Im Elternhaus und in der Schule ist das Kreuz und christliche Erziehung kaum mehr präsent. Damit ändert sich auch das Denken der Menschen und ihre Haltung zu Moral und Gerechtigkeit. Das Christentum wird dennoch nicht untergehen, sondern neu erwachen, da bin ich mir ganz sicher. Beispielsweise in Asien.

kath.net: Trotz düsterer Prognosen stecken Sie Ihren Kopf nicht in den Sand. Mit „Licht der Erlösung“ legen Sie nun eine neue CD vor, die für mich für einen neuen Aufbruch steht. Gemeinsam mit vielen Musikern firmieren Sie unter dem Namen „Morgenrots Kinder“. Wie kam es zu diesem Projekt?

Lamijon:: Morgenrots Kinder, ist die Weiterentwicklung des Abendland-Gedankens. Einhergehend mit der Frage: wie erkläre ich christlichen Glauben möglichst faszinierend, so das Menschen zuhören, die vielleicht nie die Bibel in die Hand nehmen würden. Ein Ansatzpunkt war es, Jesus Christus als Herr über Mächte und Gewalten in den Vordergrund zu rücken, denn der Zeitgeist „akzeptiert“ höchstens noch die menschliche Seite des Gottessohnes, will aber von seiner Hoheit und Macht wenig wissen.

Tatsächlich hatte ich eine Fortsetzung des Abendlandprojektes vor Augen und wollte mit „Licht der Erlösung“ nur ein kleines Zwischenwerk vorlegen. Tja, dann ist es doch wieder etwas größer geworden. Ich habe einige Musiker angerufen und die haben dann auch alle zugesagt. Seltsamerweise, denn unter allen Mitwirkenden gibt es neben mir nur einen zweiten Katholiken. Vom Baptisten über Freikirchler bis hin zum getauften Ungläubigen waren viele Menschen bereit, an diesem Christuslob mit zuarbeiten.

kath.net: Worin bestand Ihr Anteil an der Arbeit?

Lamijon: Die Ideengebung, die Auswahl und Zusammenstellung der Titel, der Musik- Änderungswünsche (die kein Komponist liebt), die Auswahl der Sprecher, Aufnahme und Schnitt im Studio und natürlich das Schreiben der Texte.

kath.net: Die Stücke sind sehr unterschiedlich arrangiert: Wie haben Sie es geschafft, so viele professionelle Musiker und Sprecher für eine derart christliche Produktion zusammen zu bringen?

Lamijon: Einige der Komponisten kenne ich persönlich, andere habe ich einfach gefragt. Mit Michael Woodfiel (Bamfeld) als Coproduzent fiel mir der Rest in den Schoß. Was die Sprecher angeht: Mit Jan Spitzer, Bernd Vollbrecht und Clemens Grote arbeite ich schon seit Jahren sehr eng zusammen. Für mich ganz große Kinostimmen. Til Hagen und Detlef und Marie Biersted wollte ich unbedingt dabei haben, weil ihre Stimmen genau ins Klangbild passen.

kath.net: Wie würden Sie Ihr aktuelles Werk selber beschreiben? Ein Klanggemälde mit moderner Lyrik, die den christlichen Glauben zum Inhalt hat? Eine meditative Art von Lobpreis?

Lamijon: Ein Hymnus auf Christus, den König und Erlöser. Die Variationsbreite der Musik von epischer Größe bis zum ganz sachten Violinenpart verstehe ich auch als Gleichnis: Gott ist das Alpha und das Omega - Anfang und Ende, also im Kleinsten ebenso gegenwärtig wie im Größten.

kath.net: Mal werden Naturgewalten beschrieben, hinter denen Gott steht, mal hören wir Hymnen, dann erinnert der Text an Psalmen. Was ist der gemeinsame Nenner, was die Absicht?

Lamijon: Möglichst alle zu erreichen, besonders jene, die nicht den Weg in die Kirche finden und über Jesus Christus kaum Bescheid wissen. Motivation für die aktuelle CD war aber auch der Zorn, wie Atheisten unseren Erlösers darstellen und die Fassungslosigkeit, wie sich Wohlstandsbürger und Heiden einen Jesus zusammenbasteln, der ihnen gerade noch so in den Kram passt.

kath.net: Mir hat das Stück „Licht der Erlösung“ besonders gut gefallen. Eine meiner Töchter war vor allem von „Morgenrots Kinder begeistert. Welche waren für Sie im Studio die größte Herausforderung?

Lamijon: Wenn ich mich recht erinnere, hat das Arrangement von „Licht der Erlösung“, „Golgotha“ und „In der Stille des Morgens“ am längsten Zeit beansprucht. Da alle drei Titel um historische Geschehnisse kreisen, ließen wir dort die meiste Sorgfalt walten.

kath.net: Kann man die CD auch als Live-Performance hören?

Lamijon: Eine Live-Pervormance ist von den Kosten her für uns nicht tragbar. Dafür bräuchte es Mäzene.

kath.net: An welchem Projekt arbeiten Sie als nächstes?

Lamijon: Am Abendland Projekt zwei.


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