Rosa, fluffig, süß und klebrig

13. April 2015 in Kommentar


Wie Zuckerwatte die Beschreibung der neuen Kirche, die Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, geschrieben hat. Sympathisch soll die Kirche der Zukunft sein, sympathisch sollen die Christen sein. Von Peter Winnemöller


Geseke (kath.net/katholon Blog) Wie Zuckerwatte wirkt sie, diese Beschreibung der neuen Kirche, die Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, für das Online-Magazin futur2 geschrieben hat. Beim Lesen dieser oben verlinkten Beschreibung von GV Pfeffer trat das Bild einer solchen Kirche lebendig von mein inneres Auge. Und so würde das dann wohl aussehen:

Es ist eine Kirche, in der die Christen „interessante Leute” sind, die von einer inneren Kraft getragen sind. Sie sind wenige, weil es „anspruchsvoll ist, Christ zu sein”. Sie treffen sich in „attraktiven Kirchenzentren”, wo sie unter Anleitung von „gut ausgebildeten Leiterinnen und Leitern in meditativ- angenehmer Atmosphäre ‘Eucharistie’ feiern”. Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Gottesdienste bringen sich selber ein, sie sind schließlich auch gut ausgebildet. Das Zukunftsbild kennt keine katholische Kirche mehr. Es hat den Anspruch der Universalität zu Gunsten eines elitären Denkens und eines nahe an Synkretismus heran reichenden Ökumenismus aufgegeben, denn man will „vielfältige Angebote machen und unterschiedlichen Traditionen gerecht werden”.

Natürlich ist eine solche Elitekirche auch sozial aktiv, man bietet umfangreiche seelsorgliche, soziale und caritative Angebote, die aus Spenden und von Staatsgeldern finanziert werden. Es ist alles hochprofessionell, mit viel Geld ausgestattet, so dass sich keiner der Christen selber die Hände schmutzig machen muss. Dafür bringen die Christen dieser Zukunftskirche ihre hohe fachliche Kompetenz in die Gesellschaft ein. Sympathisch soll die Kirche der Zukunft sein. Sympathisch sollen die Christen sein.

Man sieht es förmlich vor sich, wie sie ihre Limousinen auf den Parkplatz vor dem mit Stahl und Glas umgebauten früheren neugotischen Edelkirchenzentrum parken. Menschen aus der urbanen und ländlichen oberen Mittelschicht kommen hier zusammen. Sie verdienen gut, sie leben gut und sie lassen es sich erkennbar auch spirituell gut gehen in ihrem modernen Kirchenzentrum. Kinder in Markenklamotten sammeln sich zu hochprofessionell geleiteten, altersgerechten Angeboten. Natürlich zeitgemäß, pädagogisch wertvoll und multimedial. Währenddessen genießen die Eltern in edler Freizeitkleidung und in ansprechend meditativer Umgebung den selbstgestalteten Gottesdienst.

Es pulsiert das pralle Leben um diese Kirchenzentren, denn man ist immer auf der Höhe der Zeit mit seinen Angeboten. Coaches und Organisationsentwickler haben den Finger am Puls der Gesellschaft und erarbeiten marktgerechte Kirchenprodukte, um ein maximales spirituelles Wohlbefinden der zahlenden Kunden zu gewährleisten. Aus Freude am Mitmachen und weil sie es können bringen sich viele ein in die Gestaltung. Man will ja glänzen, nicht nur mit seinem Geld, auch mit seinem Wissen und seiner spirituellen Erfahrung. Professionelle Organisationen beraten die attraktive Zukunftskirche, man muss schließlich am Markt bestehen können. Externes Knowhow auch von Nichtchristen steigert die Attraktivität. Immer neue Symbole und optische Auftritte werden entwickelt. Das Kreuz, jenes grausige Marterinstrument, hat in einer solchen Kirche natürlich längst ausgedient. Das ergibt sich schon von selbst. Design und Auftreten repräsentieren den neuen Markenkern der Zukunftskirche. Die Botschaft ist exakt auf die Zielgruppe ausgerichtet. Störendes wird eliminiert. Moralische Standards entsprechen der Lebenswirklichkeit der Klientel.

Ja, es gibt auch das Soziale. Man hat es outgesourced, abgegeben an hochprofessionell arbeitende Firmen, die wirtschaftlich handeln und profitabel sein müssen. Diesen steht man mit seinem hohen Knowhow natürlich immer gerne zur Seite. Die Armen, die Alten und Kranken würden das Bild des attraktiven Kirchenzentrums doch zu sehr stören. Darum ist räumliche Nähe nicht gewünscht. Ihre Unbildung wäre ein Makel, der störte. Ihre Einfachheit wäre deplatziert. Doch für das Image sind sie gut, darum bekommen sie ihre eigenen Einrichtungen (und natürlich einen Platz auf der makellosen Webseite).

Längst ist die Seelsorge in den Händen erstklassiger Personalcoaches, die die gut zahlende Klientel in allen Lebenslagen beraten und für exzellente Persönlichkeitsentwicklung und damit natürlich auch wirtschaftlichen Erfolg stehen. Die Sünde ist abgeschafft und durch moderate Fehlertoleranz und persönliche Evaluation von Entwicklungsprozessen bestens ersetzt. Sakramentalität der Seelsorge hat ebenso ausgedient wie die Sakramentalität des Amtes. Flexibilität geht vor. Zu starre Lebens- und Glaubensentwürfe können am Markt nicht mehr bestehen. Motivationstrainer machen die modernen Christen immer wieder fit für den Alltag.

Diese Zukunftskirche ist eine Kirche der Reichen, der Erfolgreichen, der Jungen und der Schönen.
Sie ist eine gnostische Gemeinschaft der gut Ausgebildeten.
Sie ist durchdrungen vom Positiven Denken.

Diese „Kirche” ist wie Zuckerwatte: Rosa, fluffig, süß und klebrig.
Diese Kirche betreibt keine Wärmestuben für Obdachlose.
Diese Kirche betreibt Consultingfirmen, die sie selbst und die großen Player in der Wirtschaft beraten.

Science fiction?

Eine solche Kirche ist gar nicht so unrealistisch, wie es auf den ersten Blick wirken mag. Eine solche Kirche, in der die Methoden der Organisationsentwicklung noch viel mehr in die Entwicklung und Umsetzung pastoraler Prozesse eingebunden werden, ist schon längst in den Köpfen vieler Pastoralstrategen. Die Consultants, die Organisationsberater, bestimmen zunehmend das künftige pastorale Handeln der Kirche. Es ist sogar erwünscht, dass sie dies tun.

Im Blick der Consultants stehen natürlich die zahlungskräftigen Mitglieder der Kirche, weil nur diese dauerhaft die Kirchensteuermittel, von denen sie ja leben, gewährleisten können. Folglich richtet sich die Pastoral einer von Organisationsberatern geprägten Perspektivenentwicklung vorrangig an die zahlungskräftige (und -willige) Kundschaft „in Kirche”, die dann natürlich auch mitbestimmen will, wie „Kirche” künftig funktionieren soll. (Dialogprozesse!) Da wird massiv „Kirche” umgebaut.

Das ist die Kirche, die sich die Consultants vorstellen. Das sind die Phantasien, die unter Einfluss der Consultants in den Ordinariaten zum Teil längst die Gestalt von konkreten Plänen angenommen haben. Natürlich wirkt es hier überzeichnet. Aber diese Kirche ist wirklich eine Kirche der Reichen, der oberen Mittelschicht, einer neuen Art Bürgertum, das schon längst heranwächst und als Klientel für „Kirche” entdeckt ist. Das ist die Kirche der Kirchensteuerzahler, die der Kirche trotz zunehmender Austritte permanent steigende Kirchensteuern bescheren. Diese Klientel soll erhalten bleiben.

Es ist auch eine Kirche, in der viel Geld verdient wird. Berater aller Art haben für gewöhnlich exorbitant hohe Honorare, die natürlich aus Kirchensteuermitteln generiert werden müssen. Schon jetzt fließen immer mehr Kirchensteuermittel in Beratung und Werbung. Consultingfirmen und Werbeagenturen haben den Kirchenmarkt längst entdeckt. Mit der Kernbotschaft des Christentums, dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi, mit dem Kernsymbol des Christentums, dem Kreuz, können sie zwar zumeist nicht viel anfangen. Doch sie sind kreativ genug, diese umzudeuten und umzubiegen, damit sie für jeweils neue Botschaft marktgerecht angepasst werden können.

Die Bistümer nutzen diese modernen Formen der Beratung und Organisationsentwicklung, weil die alten Strukturen der Volkskirche tatsächlich zusammen brechen. Neue Strukturen müssen her. Darüber werden sich wohl alle einig sein.

Auch Papst Franziskus spricht von neuen Strukturen in der Kirche.

Nachdem ich die Vision von Generalvikar Pfeffer gelesen habe, bin ich Fan der armen Kirche für die Armen geworden. Diese Vision zu lesen war wie ein Akt der Erleuchtung. Auch ich habe einen Kirchentraum: ich träume von einer Kirche, in der der Pfarrer mit einer geflickten Soutane (nicht aus Klerikalismus, sondern weil er nichts anderes hat) unter einem etwas bröckeligen Kirchendach im Beichtstuhl sitzt. Eine Kirche, in der einfachen Menschen offene Türen und ein Wort des Trostes finden. Eine Kirche, die die gebrochenen, die Sünder, die Aussätzigen unserer Tage aufnimmt und ihnen das Wort Gottes verkündet.

In der Zukunftskirche von GV Pfeffer wäre mein Oma keine Christin gewesen, denn sie war eine einfache aber starke Frau mit einem fast schon kindlichen und doch so festen Glauben. Es ist dieser Akt der posthumen Ausgrenzung, der mich nachgerade schockiert.

Ja, ich träume von einer Kirche, die in den großen Städten kleine Missionsgemeinschaften aus Laien, Ordensleuten und Priestern in den armen Stadtvierteln gründet und dort das Evangelium verkündet. Ich – der ich so bürgerlich lebe – träume von einer Kirche, die ihre bürgerlichen Strukturen ein für allemal über Bord wirft und an die Ränder geht. Ich weiß nicht, ob ich mitgehen könnte. Doch ich glaube, auch ich könnte dort meinen Ort finden. Die Kirche der Zukunft wird eine verbeulte Kirche sein. Eine verbeulte Kirche ist die das einzig wahre Haus voll Glorie, denn der Glanz der Kirche kommt von ihrem Herrn und eben nicht architektonisch hochwertigen Glaswänden und Stahlträgern.


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