Wenn die Kirche wegen ehemaliger Muslime zu klein wird...

9. April 2015 in Deutschland


Während die meisten landeskirchlichen Gemeinden schrumpfen, wächst die Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Leipzig. Von idea-Redakteur Matthias Pankau


Leipzig (kath.net/idea) Die St. Trinitatis-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Leipzig erlebt das, was in der EKD seit Jahren angestrebt und was nahezu gebetsmühlenartig wiederholt wird: Sie wächst gegen den Trend – wenn auch auf niedrigem Niveau. 160 Mitglieder hat die Gemeinde derzeit, etwa ein Drittel davon sind Konvertiten – ehemalige Muslime, die Christen geworden sind, vor allem Iraner. Begonnen hat diese Entwicklung vor 15 Jahren, und zwar ganz unspektakulär – mit Deutschunterricht. Anders als heute gab es damals für Asylbewerber noch keine Möglichkeit, Deutschkurse zu besuchen. So stellte die Gemeinde ihre Räume zur Verfügung und gab den Männern und Frauen Sprachunterricht, wobei sie die Luther-Bibel als Textbuch benutzte. Auf diese Weise lernten sie nicht nur die Sprache, sondern erfuhren zugleich etwas über die Grundlagen des christlichen Glaubens. Wenig später baten die ersten Kursteilnehmer darum, getauft zu werden. Bald brachten sie Freunde und Bekannte mit, die sich ebenfalls für das Christentum interessierten.

Der Platz reicht nicht mehr

„Heute besteht unsere Gemeinde zu einem Drittel aus früheren Muslimen“, sagt Pfarrer Markus Fischer. Auch wenn zu den Sonntagsgottesdiensten selten alle Gemeindeglieder kommen, wurde es in der kleinen, weinroten Holzkirche, in der die Gemeinde bislang zuhause war, allmählich eng.

Das Gebäude im bürgerlichen Stadtteil Eutritzsch war 1950 als Notkirche für die ausgebombte Gemeinde errichtet worden und eigentlich als Provisorium gedacht gewesen. Also suchte die Gemeinde das Gespräch mit der sächsischen Landeskirche, denn die verfügt nach Strukturreform und damit verbundenen Gemeinde-Zusammenlegungen über etliche Kirchengebäude, die nicht mehr bzw. kaum noch genutzt werden. Eines davon ist die Lukaskirche in Leipzig-Volkmarsdorf. Als sie 1893 geweiht wurde, hatte die Gemeinde 18.000 Mitglieder; zuletzt waren es noch 300. Längst ist die Gemeinde mit drei anderen zu einem Kirchspiel fusioniert, das vier Gotteshäuser aber gar nicht erhalten kann. So stand das Gebäude in den letzten Jahren leer. Für Pfarrer Fischer ein verheerendes Signal: „Ein leeres Kirchengebäude predigt lauter als alles, was wir sagen.“ Künftig soll hier wieder Christus verkündigt werden. Auch während der Woche soll die Kirche möglichst häufig geöffnet sein und so zum Anlaufpunkt für die Menschen im Viertel werden: „Wir wollen Hoffnung verbreiten.“

Die Kinder fragten: „Dürfen wir mitmachen?“

Völlig fremd ist der St. Trinitatisgemeinde die neue Umgebung nicht. Bereits vor drei Jahren startete sie in Zusammenarbeit mit der Lutherischen Kirchenmission das Sozialprojekt „Die Brücke“ und eröffnete ein Büro direkt gegenüber der Lukaskirche. „Gleich am ersten Tag, als wir noch die Kisten auspackten, kamen die ersten Kinder und fragten: Dürfen wir mitmachen?“, erzählt Hugo Gevers, Missionar der Gemeinde. „Sie sehnen sich nach Annahme, haben zuhause aber nie erfahren, was das ist.“ Inzwischen sei „Die Brücke“ ein fester Anlaufpunkt für viele Heranwachsende. „Man könnte sagen, hier ist eine Gemeinde von Menschen entstanden, die zwar noch nicht zur Kirche gehört, aber sehr offen für die christliche Botschaft ist“, sagt er. Viele hörten zum ersten Mal, dass sie als Ebenbild Gottes geschaffen und geliebt seien: „Sie saugen das regelrecht auf.“

Ein musikalisches Bildungsprogramm für Jugendliche

Die Gemeinde hat zahlreiche Projekte für Kinder und Jugendliche gestartet – handwerkliche und musikalische. Das Ziel: Sie sollen merken, dass sie etwas können und dass sie wichtig sind. So leitet Pastor Christopher Ahlman mehrere Chöre. In den nächsten Jahren möchte er ein musikalisches Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche aufbauen. Die Lukaskirche ist dafür ein guter Ort. „Wegen der ausgezeichneten Akustik wurden hier zu DDR-Zeiten viele Schallplatten aufgenommen“, weiß er. Eine Kostprobe der Gesangskünste der verschiedenen Chöre werden nicht nur die Leipziger spätestens am 6. September bekommen. Dann nämlich wird der Mitteldeutsche Rundfunk (mdr) den Fernsehgottesdienst aus der Lukaskirche übertragen.

Auch eine Berliner Gemeinde der SELK hat starken Zustrom von Muslimen, die Christen werden: „Berlin: Ständig konvertieren weitere Muslime zum Christentum“


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