'kath.net ist wirklich jede Kritik wert!'

7. April 2015 in Kommentar


kath.net „ist ein in dieser Form einmaliges katholisches Portal im deutschsprachigen Raum. Ohne Kritik keine Zukunft, denn wer sich nicht hinterfragen lässt, bleibt im eigenen Saft und verschmort darin.“ Kommentar von Peter Winnemöller


Geseke/Bonn/Linz (kath.net/Blog katholon) Es grenzt ja schon an einen Ritterschlag, wenn man dem Chef der KNA beim Verstehen helfen konnte. Da aber Eitelkeit knapp nach der Osterbeichte nicht angezeigt ist, man will ja nicht sofort wieder rückfällig werden und noch Ablass beim Urbi et Orbi erwerben, tut ein wenig Bescheidenheit Not. (Und übrigens: Das nächste Bier in Rom geht auf mich). Trotzdem hat es mich angeregt einmal ein paar Gedanken loszuwerden, wo denn die Wurzel des beschriebenen Phänomens steckt.

Zuerst einmal hoffe ich, dass Ludwig Ring-Eifel in meinem Artikel erkennen konnte, dass da keine Verbitterung oder Verbissenheit drin steckt, sondern einfach nur ein Stück genervte Enttäuschung. Der Grund ist in meinem Artikel nachzulesen. Westfälische Grantigkeit ist kein Akt der Verbitterung. Im Übrigen funktioniert auch mein Humor noch.

Es gäbe im Sinne der ja offensichtlich von allen Beteiligten gewünschten Verbesserung von kath.net genug Grund, sich kritisch mit kath.net auseinander zu setzen. Kritisch – das heißt fragend – nach Motiven zu suchen, warum kath.net so ist, wie es ist. Kritisch heißt auch, nach Wegen zu fragen, die vielleicht anders gegangen werden könnten.

kath.net ist wirklich jede Kritik wert, denn es ist ein in dieser Form einmaliges katholisches Portal im deutschsprachigen Raum.

Ohne Kritik keine Zukunft, denn wer sich nicht hinterfragen lässt, bleibt im eigenen Saft und verschmort darin. So war es eine tolle Sache der Redaktion, den Chefredakteur der KNA um eine Antwort auf meine Replik auf einen Artikel von Joachim Heinz zu bitten. So geht Diskurs. Aber auch intern wird viel und engagiert diskutiert. Das gilt vice versa aber auch für die KNA.

Der Artikel von Joachim Heinz ist – herzlichen Dank an die Redaktion von kath.net – meiner Replik auf derselben Seite angehängt worden: Klick.

Die Antwort von Ludwig Ring-Eifel ist hier nachzulesen: nocheinKlick.

Kern der Diskussion ist aus meiner Sicht die Frage, ob es bei kath.net und im Kreise der Leserschaft von kath.net eine, so Ring-Eifel, „in sich geschlossene Verdachtshermeneutik“ gibt. Er gibt allerdings zu, dass es ein ähnliches Phänomen auch umgekehrt gibt. Da würde man jede Äußerung „aus der rechten Ecke” am liebsten mit Ausschluss aus der demokratischen Debatte bestrafen.

Damit ist die Verwerfungslinie recht gut beschrieben. Es sei an dieser Stelle ergänzt, dass es auch gegen kath.net und gegen katholische Blogger echte Ohrfeigen gibt, die einer Verdachtshermeneutik nicht bedürfen. Wie anders soll man es verstehen, wenn ein Mitarbeiter eines katholischen Bistums von kath.net – wörtlich! – als von einem „Drecksportal” spricht. In dieser Deutlichkeit war es zwar einmalig und ich werde den Namen ganz sicher nicht nennen, doch auch bei weniger deutlicher Sprache lässt sich erkennen, wo – ganz ohne Verdachtshermeneutik – sich wirklich Hass und Verachtung gegen Andersdenkende Bahn brechen.

Klare Ansage: Da tun sich beide Seiten gar nichts. Folglich kann man auf beiden Seiten der Verwerfungslinie diese in sich geschlossene Verdachtshermeneutik wahrnehmen.

Der einzig denkbare Ausweg ist aus meiner Sicht eine Hermeneutik der Ehrlichkeit.

Hermeneutik ist ein Schlüssel, der einen Text dem Leser öffnet. Texte sind immer vielschichtig und es kommt darauf an, welche Schicht ich öffne. So würde ich es zurückweisen, dass ich z.B. den Text von Joachim Heinz missinterpretiert hätte, allerdings würde ich eingestehen, vielleicht nicht jede denkbare Ebene geöffnet zu haben. Es fällt auch ohne in sich geschlossene Verdachtshermeneutik aber mit den gemachten Erfahrungen nicht allzu schwer, die Watsch’n zu identifizieren. Was ich dazu gesagt habe, ist unter obigem Link nachzulesen.

Man mag sich nun fragen, warum eine Katholische Nachrichtenagentur für die Leser von kath.net und für viele katholische Blogger so wenig katholisch erscheint. Zwei von vielen Aspekten seien dazu hier mal aufgezeigt. Da ist zum einen die Existenz der KNA als Nachrichtenagentur auf dem Nachrichtenmarkt. Zum anderen ist das kleine Wort „katholisch” im Namen der Agentur.

Eine Nachrichtenagentur ist zunächst einmal nichts als eine Nachrichtenagentur. Ihre Aufgabe ist es, Weltgeschehen zu erfassen, zu dokumentieren und in Form von Meldungen den Zeitungsredaktionen zur Verfügung zu stellen. Deutungsschlüssel für die nüchterne Nachricht mitzuliefern, in Form von Hintergrundberichten und Kommentaren gehört als Serviceleistung dazu. Daran ist nichts katholisch oder unkatholisch. Da kann man nur fragen, machen sie ihren Job gut oder machen sie ihn schlecht. Der Markt fällt hier das Urteil. KNA ist hier zwar nicht der ganz große Player im Vergleich zu dpa oder ap oder afp, doch sie spielt eine Rolle auf dem deutschen Nachrichtenmarkt und hat sogar von der Fusionswelle auf dem deutschen Zeitungsmarkt profitiert, da sie dadurch nun auch von Zeitungen berücksichtigt wird, die in weniger katholischen Gebieten in Deutschland erscheinen.

Daraus ergibt sich eigentlich nur eines: Mitarbeiter von KNA haben nicht in erster Linie katholisch zu sein, sondern gut. Sie haben gefälligst qualitativ hochwertige journalistische Texte zu liefern. Dazu bedarf es der durchaus vertieften Sachkenntnis des Fachgebietes, über das sie berichten. Ein Wirtschaftsjournalist hat sich in Fragen der Wirtschaft auszukennen, ein Politikjournalist hat gefälligst sowohl die politischen Zeitfragen wie auch die historischen Hintergründe parat zu haben, etc.

Nun ist die KNA aber nicht irgendeine Nachrichtenagentur, sie ist die Nachrichtenagentur im Eigentum der katholischen Kirche in Deutschland. Genau genommen gehört die KNA mehrheitlich der „Katholisches Medienhaus GmbH”. Weitere Anteilseigener sind deutsche Zeitungsverlage, katholische deutsche Bistümer und der Deutsche Caritas-Verband DCV. Alleiniger Gesellschafter der „Katholisches Medienhaus GmbH” ist der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). (s. hier)

Und daraus ergibt sich ein Problem. Wer nun denkt, die KNA wäre so etwas wie ein Sprachrohr der katholischen Kirche, täuscht sich. Diese Täuschung ist der Grund für so manches Missverständnis. Obwohl die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter der KNA katholisch sein dürfte, kann man von KNA nicht erwarten, was man – übrigens zu Recht – von kath.net erwartet: Eine ungebrochene Treue zum ordentlichen Lehramt der Kirche. Und hier sind wir beim zweiten Aspekt.

Die Mitarbeiter der KNA bilden in etwa das gesamte Spektrum der katholischen Kirche in Deutschland ab. Aus meiner Sicht verlaufen die Trennungslinien hier aber nicht, wie so oft angenommen, entlang eines Grabens progressiv/konservativ. Die – in unseren Kreisen so oft geschmähten – Sozialwissenschaften können hier ein wenig weiter helfen, ein tieferes Verstehen zu gewinnen. Zwei Studien dazu, die Sinus Milieus Studie (hier das MDG Milieuhandbuch) und der Bertelsmann Religionsmonitor können helfen. Nur noch eine Minderheit der Menschen in unserem Land teilt den Glauben der Kirche. Auch innerhalb der katholischen Kirche schwindet die Deckung zwischen dem persönlichen Glauben und der von der Kirche verbindlich zu glauben vorgelegten Lehre. Das ist Fakt.

Es zeigt sich unter anderem sichtbar in der schwindenden Sonntagspraxis. Gerade zehn Prozent der Katholiken geht regelmäßig am Sonntag in die Hl. Messe. Dabei lautet das Kirchengebot Nr. 1 ganz klar: Du sollst am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen der heiligen Messe andächtig beiwohnen und dich knechtlicher Arbeit enthalten. So, jetzt Hand aufs Herz, wer hat nicht schon mal einen Sonntag „anschreiben lassen”, wie man das bei uns in Westfalen manchmal nennt. Wer nicht, werfe den ersten Stein.

Doch eines ist klar, die Linie verläuft nicht da, wo jemand jeden Sonntag in der Messe sitzt oder es lässt. Die Linie verläuft da, wo man das Gebot als solches in gleicher Weise anerkennt, wie die Tatsache, dass man gegen ein Gebot auch verstoßen kann.

Wo man also den Katechismus – etwas grob gesagt – als Meinung Roms im freien Diskurs ansieht und für sich reklamiert auch bei Ablehnung verbindlicher Glaubenssätze immer noch gut katholisch zu sein, befindet man sich heute auch innerhalb der katholischen Kirche auf der Seite der Mehrheit. Diejenigen Katholiken, die den Katechismus als verbindlich ansehen – bei eingestandener Unfähigkeit, jeden Glaubenssatz ad hoc aus innerster Überzeugung auch unterschreiben zu können – sind die Minderheit. An dieser Grenzlinie verläuft eine breite graue Zone unterschiedlicher Sichten auf die Verbindlichkeit der Glaubenslehre. Die oben genannten Sozialstudien geben einen hilfreichen Blick darauf.

Hinzu kommt noch, dass es eher expeditive oder performative Milieus in journalistische Berufe zieht, was auch für katholische Journalisten gilt. Diese sind häufig noch ein Stück kirchenferner, was die verbindliche Anerkenntnis von Glaubenslehren angeht. Sie werden sich allerdings dennoch selber durchaus als katholisch ansehen, was man angesichts der Taufe und der Firmung auch nicht absprechen kann.

Nimmt man also an – und ich halte das für plausibel –, dass nicht nur in der KNA sondern in allen Bereichen katholischer Medienarbeit die gesamte Bandbreite der katholischen Lebenswirklichkeit in unserem Land vertreten ist, so erklärt sich einiges von allein. Unter anderem eben auch die Gewichtung von Nachrichten, wie z.B. die Bevorzugung von „Wir sind Kirche” oder Hans Küng gegenüber anderen, auf unserer Seite eher als wichtig angesehener Nachrichten. Es wäre tatsächlich mal interessant, zu erfahren, wieviel Prozent der Mitarbeiter (feste und freie) regelmäßig jeden Sonntag die Hl. Messe mitfeiern. Mein persönlicher Tipp: Es wird nicht signifikant vom Bundesdurchschnitt abweichen. Das allein sagt noch nichts, es ist aber ein Indikator, der ein Verstehen öffnen kann. Ein Hinweis eben auf die Tatsache, dass das ganze Spektrum der katholischen Lebenswirklichkeit sich eben auch in einem Mikrokosmos wie einer katholischen Nachrichtenagentur abbildet.

Zieht man nun den Vergleich, so wird man feststellen, dass die Redaktion von kath.net ebenso wie deren Leserklientel, gerade zu der Minderheit – auch innerhalb der Kirche – gehören, für die verbindliche Glaubenssätze und Gebote der Kirche fest stehende und nicht zu hinterfragende Größen sind. Damit bildet kath.net eben nur einen Ausschnitt der katholischen Lebens- und Glaubenswirklichkeit ab. So kann man sich leicht ausmalen, wo diese „in sich geschlossene Verdachtshermeneutik“ ihre Wurzel hat: Nämlich in einem tiefen Misstrauen.

Und das gilt umgekehrt in gleicher Weise!

Eine Hermeneutik der Ehrlichkeit, die eine Chance auf ein gegenseitiges Verstehen bringt, sollte diese fundamentalen Unterschiede in der Lebens- und Glaubenswirklichkeit im Blick haben und ernst nehmen. Denn eines ist klar, heilig, im Sinne von vollkommen, sind weder die einen noch die anderen. Auch wenn ich die Glaubenssätze und Gebote akzeptiere, so heißt das noch lange nicht, dass ich sie wirklich schon halte.

Das am allermeisten gerissene Gebot im Diskurs ist nun gerade das unteilbare Doppelgebot der Liebe. Die Urversuchung bei diesem Gebot ist es, die Gottesliebe und die Nächstenliebe gegeneinander auszuspielen. Buchtipp: klick.

Mag nun jeder selber bei sich nachsehen, wer die Nächsten- oder die Gottesliebe zu Gunsten der jeweils anderen vorzieht. Das ist das Feld, an dem zu arbeiten ist.

Doch genau entlang dieser Nahtstelle sehe ich gerade wegen der oben skizzierten Unterschiede in der Lebens- und Glaubenswirklichkeit die besten Chancen für einen Diskurs in Ehrlichkeit und gegenseitiger Achtung.

Zur weiteren Diskussion siehe auch „Herder Korrespondenz“, Leitartikel von Volker Resing: „Gegen die Polarisierung in der Kirche“.

Treffpunkt Weltkirche Würzburg - Interview mit Bischof Gregor Maria Hanke - Das Interview führt Peter Winnemöller


Peter Winnemöller interviewte für KATH.NET S. Em. Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, über die Heiligsprechung von Papst Johannes XXIII. und Papst Johannes Paul II.


Foto Peter Winnemöller (c) kath.net/Michael Hesemann


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