Tue Gutes und lass dich dafür auszeichnen…

18. März 2015 in Kommentar


Werden homosexuelle Menschen diskriminiert? Den Behinderten (etwa Blinde, Rollstuhlfahrer, Sprachgeschädigte) geht es heute schlechter als vor 20 Jahren, doch wie viele Berichte erscheinen darüber? Gastkommentar von Notger Kainzbauer


Vatikan (kath.net) Auch darauf hat man sich geeinigt: Wo ‚Helfen’ nicht weh tut, hilft man am liebsten – und bekommt dafür noch den meisten Applaus!

Als Kind und Jugendlicher hatte ich nur den einen Traum: Endlich, endlich Sprechen zu können! Denn ich war ein sehr, sehr starker Stotterer. Nebst eisernem Willen meinerseits war es vor allem die Hilfe anderer Menschen, die es schließlich ermöglichte, dem Stottern beizukommen, so dass ich später sogar Vorträge oder Lesungen im Gottesdienst halten konnte. All diesen Menschen ging es nur darum, einem Mitmenschen zu helfen, sprechen zu können. Solche Menschen gibt es viele. Darüber hinaus gibt es viele andere, die mit ihrem selbstlosen Einsatz wahrhaft Außerordentliches vollbringen. Doch selbst kirchlichen Medien ist das höchstens eine Randnotiz wert.

Ist einer aber prominent und hat sich lukrativ für eine Sache engagiert und dafür sogar kirchlicherseits bepreisen lassen, die im Grunde alles andere als preiswürdig ist, aber inzwischen allseits opportun, dann erspart sich selbst Radio Vatikan eine Berichterstattung darüber nicht.

Als Stotterer wird man von den Mitschülern ausgelacht und als „Depperl“ hingestellt. Sogar manche Lehrer lachten manchmal mit, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dies als Diskriminierung und sogar als Angriff aufzufassen, wie das gewisse Gruppen für sich beanspruchen, geschweige denn als „Stotterer-Phobie“. Ich wollte später meine früheren Erfahrungen als Stotterer einmal zu Papier bringen, evtl. als Roman. Doch kein Verlag interessierte sich dafür. Und als ich einmal in kirchlichen (!) Räumen anderen Stotterern Mut machen wollte, lehnte man mein Angebot kirchlicherseits schlicht ab.

Den Behinderten geht es heute schlechter als vor 20 Jahren. Das Blindengeld wurde gekürzt und Barrierefreiheit ist ein sehr hohles Wort. Betriebe können sich um die Einstellung von Behinderten herumdrücken oder mit ein paar Euro “freikaufen“. Gibt es etwa blindengerechte Computer oder Smartphones? Nein! Es gibt nur Notbehelfe. Wer redet von den Rechten der Behinderten? Kaum jemand! Wie viele Berichte in den Mainstreammedien über die Diskriminierung von Behinderten erscheinen? Wenig! Wie viel davon erscheint in den Nachrichten von Radio Vatikan? Zwar schon einiges, aber das ist ja auch eine urchristliche Thematik.

Eine andere Gruppe hat es dagegen geschafft, sich Privilegien zu verschaffen und medial als angeblich diskriminierte Minderheit tagtäglich präsent zu sein. Da wird ein Fußballmillionär für seinen „Mut“ gelobt, sich als Homosexueller zu outen und durch die Talkshows „gereicht“, wobei er wiederum reichlich Monetäres verdient. (Notabene: Wenn ein erwachsener Behinderter in Deutschland eine Therapie braucht, muss er einen Teil der Kosten aus eigener Tasche bezahlen.) Gehört in Deutschland wirklich „Mut“ dazu, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen, wie es in den Medien landauf und landab den Lesern vorgegaukelt wird? Nein! Schließlich hatten wir in Deutschland einen homosexuellen Vizekanzler und einen ebensolchen Hauptstadt-Bürgermeister.

Radio Vatikan aber findet es wert, eine Preisverleihung in Deutschland (wegen seines Einsatzes gegen „Homophobie“) an den oben erwähnten deutschen Fußballmillionär als Vatikannachricht (sic!) zu verbreiten. Der Preis wurde von einem deutschen katholischen Verband verliehen (einer von tausenden Preisen, die jährlich in der deutschen Kirche verliehen werden) und hat zum Vatikan nicht den geringsten Bezug. Ist die Kirchenwelt so arm an Meldungen, dass über eine solche Quantité négligeable berichtet werden muss? Gibt es keine wichtigeren Nachrichten? Oder gibt es andere Gründe für derlei „Wohlwollen“?

Es gibt Pfarreien, die zu Paar-Segnungsgottesdiensten explizit auch homosexuelle Paare einladen. Ein Segnungsgottesdienst für Behinderte findet in diesen Pfarreien allerdings nicht statt. Sieht liberale, fortschrittliche Seelsorge so aus? Wenn in einem Wiener Kaffeehaus das Küssen von zwei lesbischen Frauen nicht erwünscht ist, geht ein shitstorm durch die ganze Republik und fast alle Medien echauffieren sich. Ich selbst habe auch blinde Studenten betreut. Wenn ich mit „meinen“ Blinden zum Essen gegangen bin und es fiel einmal etwas neben den Teller oder es wurde ein bisschen „gekleckert“, dann konnte es durchaus passieren – und nicht nur einmal – dass man diskret darauf hingewiesen wurde, das nächste Mal doch bitteschön ohne Blinde zu erscheinen. Ich habe das mehreren Medien mitgeteilt. Reaktion: Null.

Das Outing eines Fußballmillionärs ist eine leichte und zudem finanziell einträgliche Übung und alle Medien quer durchs Land interessieren sich dafür und überschütten ihn mit Lob für seinen Mut. Nur „Mut“ ist hier das falsche Wort. Aber vermutlich hat es zu seinem „Helden-Status“ beigetragen, was ihm und uns da zugemutet wird. Dass aber gerade Radio Vatikan diese „anmutige“ Campagne gegen „Homophobie“ der Meldung wert findet, spricht für sich. Verlegenheiten oder Absichten sind kaum zu verbergen, Heldenstatus hin oder her.

Jedoch, echte Helden sehen anders aus: Es sind die sog. „Stillen im Lande“, die opferbereit und klaglos beispielsweise kranke Angehörige pflegen, oft rund um die Uhr. Ihnen bleibt auch kaum Zeit für den keck trainierten Blick in die willige Kamera.

Der fleckige Apfel taugt schon nicht fürs eitle Auge; umso weniger erst der Mensch, der sich erlaubt, die „makellosen“ Klischees einer orientierungsgestörten Gesellschaft zu karikieren, weil er krank, behindert oder nur alt ist. Unsere Menschheit lässt sich nicht reduzieren auf eine „Insel“ der Schönen, Cleveren und Reichen, die es sich einfach „g’richt hab’n“ – wie Karl Kraus in seinen „letzten Tagen der Menschheit“ weiß.

In meinem Bekanntenkreis gibt es einige schwule Menschen. Wenn Radio Vatikan einen Fußballmillionär besonders herausstellt, dann leistet es all den Homosexuellen, die ein ganz normales Leben führen wollen, einen Bärendienst, denn diese wollen nicht primär über ihre sexuelle Orientierung definiert werden. Konkret: Die Homosexuellen, die ich kenne, wollen nicht tagtäglich in den Medien über Homophobie und Diskriminierung lesen, sondern sie wollen ganz einfach normal leben. Homophobie und Diskriminierung werden von den Mainstreammedien (und Radio Vatikan) gepuscht und erschweren das Leben der Homosexuellen. Zurückhaltung wäre hier dringend angebracht. Der geniale Schriftsteller Joseph Roth schrieb 1927 in seinem Roman „Die Flucht ohne Ende“, dass es im Berlin der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts 13 Lokale für Schwule und Lesben gab und dass das auch ganz „gut so“ war und wenig Probleme machte. Man könnte es auch als weise Empfehlung/Mahnung deuten, in dieser Thematik einfach Normalität und keine mediale Überhöhung walten zu lassen.

Für die Seelsorge und die Berichterstattung über kirchliche Themen wäre ein Blick in die Bibel allemal hilfreicher, als das verstohlene Schielen nach zeitgeistflachen Themen weltlicher Medien und Talkshows. Quo vadis, ecclesia?

Anm. d.R.: Bei dem von Radio Vatikan veröffentlichten Bericht handelte es sich ursprünglich um einen Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur.

Foto: Symbolbild



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