Schönborn: Jugendliche Terroristen sind kein neues Phänomen

1. März 2015 in Österreich


Wiener Erzbischof sprach bei "Theo Tag" mit Jugendlichen über Motive junger Menschen, sich dem IS anzuschließen, über den Grund der Faszination am neuen Papst und Frauenpriestertum.


Wien (kath.net/ KAP)
"Ausbruch eines kollektiven Wahnsinns" ist nach den Worten von Kardinal Christoph Schönborn der Terror von IS und Boko Haram. Anlässlich der "Theo Tage", die Jugendlichen die Vielzahl kirchlicher Berufe und deren Alltag vor Augen führen sollen, sprach er am Donnerstag im Don-Bosco-Haus in Wien mit Schülerinnen und Schülern darüber, was junge Menschen motiviert, sich dem IS anzuschließen, was er von Papst Franziskus hält und ob es einmal katholische Priesterinnen geben wird.

Rund 130 junge Leute seien in den vergangenen Jahren dem IS beigetreten und in den Bürgerkrieg nach Syrien oder den Irak gezogen. Hinter dem "Dschihad" des IS steckten massive Machtinteressen, lukrativ sei das besonders für Waffenhändler. "Es sind wirklich dunkle politische Spiele, die dahinter stehen und viele, viele junge Menschen die hier verführt werden", so Schönborn.

Neu sei das Phänomen von freiwillig in den Krieg ziehenden Jugendlichen dennoch nicht. In seiner Jugend habe die Fremdenlegion dieselbe Anziehung auf junge Menschen ausgeübt. "Fremdenlegion - das war wild, abenteuerlich und gefährlich", ein verlockendes Abenteuer um der Unzufriedenheit zu Hause und vielleicht zu engen Lebensbedingungen zu entgehen, so der Kardinal.

Zu äußerster Gewalt bereite Jugendliche hat Schönborn auch in seiner Studienzeit in den 1960er-Jahren in Deutschland kennen gelernt. "Ich habe Studenten gekannt, meine Kommilitonen, die in den Terror gegangen sind, die gesagt haben 'Scheiß Gesellschaft, das muss alles in die Luft gesprengt werden', die dann bis dahin gegangen sind, dass sie prominente Leute erschossen haben".

Damals entstand auch die linksextremistische Terrorgruppe Rote Armee Fraktion. Schon die Kreuzzüge hätten eine Möglichkeit für junge, beschäftigungslose Ritter dargestellt, ins Abenteuer zu ziehen. Die Mischung aus einer Unzufriedenheit mit den eigenen Lebensbedingungen, der Faszination von Gewalt und der Abenteuerlust, sei schon oft eine große Versuchung für Jugendliche gewesen, ist sich Schönborn sicher.

Dem Terror könne nur mit Solidarität gegenüber den Opfern, so vielen Hilfsaktionen wie möglich und der Aufnahme von Flüchtlingen entgegnet werden. Auch wenn oft konkrete Hilfe nur schwer möglich sei, müsse den Opfern und auch den Nachbarländern der Kriegsgebiete, die die meisten Flüchtenden aufnehmen, gezeigt werden: "Nicht vergessen, wir denken an euch!"

Der immer wieder an ihn gerichteten Frage, was die Kirche gegen eine Islamisierung Europas tue, habe er nur eines entgegen zu setzten: "Die meisten Muslime haben halt mehr Kinder als die Christen."

Als jemanden mit einer großen Nähe für die Armen sieht er den seit knapp zwei Jahren amtierenden Papst Franziskus. Bereits seit dessen Zeit als Weihbischof von Buenos Aires Ende der 1990er-Jahre kennt Schönborn Franziskus, und schon damals hat er ihn beeindruckt.

Durch seinen einfachen Lebensstil und die direkte Art fordere der Papst die Kardinäle immer wieder heraus. Zwischen zwei großen Polizeiautos kurve der Papst in einem kleinen, ungepanzerten Ford mit seinem Chauffeur durch Rom. Aber nicht nur den eigenen Lebensstil betreffend sei der Papst radikal, auch die Reform des Vatikans ziehe er wirklich durch, ist Schönborn überzeugt.

Der Wiener Erzbischof berichtete, wie Franziskus ihn in den Aufsichtsrat der Vatikanbank bestellt habe. Gegen Schönborns Einwände, er hätte nicht die notwendigen Vorkenntnisse, habe der Papst gesagt: "Es genügt, wenn du ehrlich bist."

Zur Frage des Frauenpriestertums berichtete Schönborn, er habe mit dem Papst auch darüber gesprochen. Einerseits sei es ein Faktum, dass Frauen und Mädchen immer diesen Wunsch hätten, was ernst zu nehmen sei, anderseits sei die Erfüllung von der Tradition der Kirche her aktuell "nicht möglich". Er wisse nicht, so der Kardinal, ob es hier einmal zu einer Änderung kommen werde. In dem Gespräch mit Franziskus sei es unter anderem darum gegangen, dass große heilige Frauen die Sehnsucht nach dem Priestersein gehabt hätten, aber gleichzeitig akzeptiert hätten, dass dies nicht möglich sei.

Als "Stachel, der gut ist", bezeichnete Schönborn den Zölibat. Andere christliche Kirchen hätten andere Wege gefunden, eines bleibe jedoch: Jesus habe Priester vor diese Herausforderung durch sein eigenes, trotz intensiver Beziehungen zu Frauen, zölibatäres Leben gestellt. "Wir tun immer so, als wäre der Zölibat eine Sache der Priester. In Wien leben aber hunderttausende Menschen zölibatär, wie ältere und alleinstehende Menschen. Das sind trotzdem normale Menschen, die viel Herz und viel Zuwendung haben können", gab der Kardinal zu bedenken. Gleich wie ein Eheleben könne auch ein zölibatäres Leben gelingen, aber auch scheitern.

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