Deutschland: Abtreibung darf 'neuer Holocaust' genannt werden

24. April 2003 in Deutschland


Oberlandesgericht Karlsruhe erlässt wichtiges Urteil für Lebensrechtler: Abtreibungsärzte müssen drastische Kritik eines Abtreibungsgegners hinnehmen.


Deutschland (www.kath.net)
Juristischer Erfolg für Abtreibungsgegner in Deutschland. DasOberlandesgericht Karlsruhe hat am Mittwoch ein wichtiges Urteil zurMeinungsfreiheitin der Abtreibungsdiskussion erlassen. Kläger in dem Rechtsverfahren war einim Bezirk des Landgerichts Heidelberg niedergelassener Frauenarzt, derin seiner Praxis Abtreibungen vornahm. Der beklagte Lebensrechtler Klaus GünterAnnen protestierte wiederholt auf der Straße vor der Praxis des Klägers.Dabei trug er ein Schild mit der Aufschrift: "Stoppt rechtswidrigeAbtreibungen in der Praxis des (Name des Klägers)". Ferner verteilte erFlugblätter, in denen es hieß: "In (Name des Ortes): RechtswidrigeAbtreibungen - Und Sie schweigen zum Mord an unseren Kindern?... Wussten Sieschon, dass in (Name des Ortes) rechtswidrige Abtreibungen durchgeführtwerden?" In den Flugblättern wurde Abtreibungen als "neuer Holocaust"bezeichnet.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch. Beim LandgerichtHeidelberg hatte er teilweise Erfolg: Das Landgericht untersagte demBeklagten, den Namen des Klägers zu nennen und dabei Abtreibung mit denBegriffen "Mord" und "neuer Holocaust" zu verbinden. Zugleich wies es dasweitere Begehren des Klägers zurück, der dem Beklagten auch verbietenwollte, die Tätigkeit des Klägers als "rechtswidrige Abtreibungen" zubezeichnen. Beide Parteien hatten damals gegen das Urteil Berufungeingelegt. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Dagegen hat der 6.Zivilsenat des Oberlandesgerichts auf die Berufung des Beklagten dieEntscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Wörtlich heißt es in der Presseaussendung:
"Der 6. Zivilsenat führt aus, die Kritik des Beklagten sei zwar geeignet,die Ehre des Klägers zu beeinträchtigen. Auch herabsetzende Äußerungen überDritte könnten jedoch vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs.1 Grundgesetz) gedeckt sein. Es bedürfe einer Abwägung zwischen demGrundrecht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung und demPersönlichkeitsrecht des Klägers. Diese Abwägung falle zugunsten desBeklagten aus. Dabei sei es dem Gericht verwehrt, die Kritik inhaltlich zubewerten. Diene die Äußerung - wie hier - nicht eigennützigen Zwecken,sondern sei sie als Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer dieÖffentlichkeit bewegenden, fundamentalen Frage anzusehen, spreche eineVermutung für die Zulässigkeit der Meinungsäußerung. Verwende der Beklagtedie Begriffe "Mord" und "neuer Holocaust", verstehe das der Adressat alsprovozierenden Protest eines entschiedenen Abtreibungsgegners, nicht aberals Gleichsetzung mit einer vorsätzlichen Tötung im Sinne desMordparagraphen oder mit dem Holocaust in seinem geschichtlichen Sinne. Dasfolge aus dem sonstigen Inhalt des Flugblatts, in dem der Beklagte seinenStandpunkt argumentativ unterlege. Zwar liege auch darin ein erheblicherVorwurf und eine spürbare Kränkung des Klägers, doch müsse er das hinnehmen.Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG decke auch die vom Beklagten konkretgewählte Form der Meinungsäußerung, vor der Praxis des Klägers zudemonstrieren. Die Berufung des Beklagten war damit erfolgreich. Soweit derBeklagte die vom Kläger vorgenommenen Abtreibungen als rechtswidrigbezeichne, entspreche das der Rechtslage. Denn das Bundesverfassungsgerichtnehme an, der Abbruch nach Beratung, ohne ärztliche Indikation, seirechtswidrig, aber nicht strafbar. Daher sei die Berufung des Klägerszurückzuweisen.

Die Causa dürfte allerdings weitergehen. Denn das OLG Stuttgart hat ihnin einem Fall, der einen in Württemberg praktizierenden Frauenarzt betrafund ganz ähnlich lag, wie der hier entschiedene, einen Lebensrechtler zurUnterlassung verurteilt. Dagegen hat der Bundesgerichtshof eine frühereÄußerung des Beklagten: "Damals: Holocaust - heute: Babycaust" als vomGrundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt angesehen. Darum dürfte sichdemnächst auch noch der Bundesgerichtshof damit befassen.


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