Religiöse Zensur und schwarze Nachrichtenlöcher

13. Februar 2015 in Chronik


«Reporter ohne Grenzen» legen «Rangliste der Pressefreiheit» vor. Im Nahen Osten scheint vor allem der Islam in seinen streng konservativen oder radikalen Varianten ein Hindernis für die Pressefreiheit zu sein. Von Joachim Heinz (KNA)


Berlin (kath.net/KNA) Raif Badawi ist mittlerweile auch in höchsten Kreisen kein Unbekannter mehr - auch wenn der Blogger seit mehr als zwei Jahren in seiner Heimat Saudi-Arabien im Gefängnis sitzt, . Am Dienstag sprach der britische Thronfolger Prinz Charles bei einem Treffen mit dem neuen saudischen König Salman den Fall an, der viele Menschen schon allein aufgrund der drakonischen Strafe bewegt, die für Badawi im Raum steht. Wegen Beleidigung des Islam wurde der Familienvater und Gründer des Portals «Die Saudischen Liberalen» zu zehn Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben verurteilt.

Badawi steht damit beispielhaft für einen beunruhigenden Trend, den die am Donnerstag vorgelegte «Rangliste der Pressefreiheit» von «Reporter ohne Grenzen» dokumentiert. Dafür wertete die Organisation Daten aus 180 Staaten und Regionen im Zeitraum von Oktober 2013 bis Oktober 2014 aus. Demnach greift die religiöse Zensur um sich: Immer mehr Länder nutzten Verbote von Gotteslästerung, um gegen unliebsame Berichterstatter vorzugehen. Neben Saudi-Arabien gehören dazu auch Iran oder Kuwait.

Nimmt man die Krisenherde im Nahen Osten oder Nigeria hinzu, so scheint vor allem der Islam in seinen streng konservativen oder radikalen Varianten ein Hindernis für die Pressefreiheit zu sein. Terrorgruppen wie der «Islamische Staat» (IS) in Syrien und Irak hätten aufgrund der Unterdrückung von neutralen Beobachtern «schwarze Nachrichtenlöcher» erschaffen, aus denen keinerlei unabhängige Informationen mehr an die Außenwelt gelangten, beklagt der Vorstandssprecher von «Reporter ohne Grenzen», Michael Rediske.

Dass sich die Lage für Medienschaffende insgesamt im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert hat, liegt aber nicht nur am Thema Religion. So zeigten die Kämpfe im Osten der Ukraine, dass Journalisten immer öfter zur «Verfügungsmasse der Konfliktparteien» würden, so Rediske. Zugleich belegt die Krise in der Ukraine, dass auch in Europa längst nicht nur eitel Sonnenschein herrscht.

Zwar stehen mit Finnland, Norwegen und Dänemark die üblichen Verdächtigen auf den ersten Plätzen der Liste, und auch Deutschland belegt mit Rang 12 einen Platz im oberen Mittelfeld der EU-Staaten. Aber mit Andorra legte ein Land aus dem Herzen Europas auch den größten Abstieg hin. Das zwischen Spanien und Frankreich in den Pyrenäen gelegene Fürstentum fiel im Vergleich zum Vorjahr um 27 Plätze auf Rang 32. Vor allem die Macht der Banken - auch als Anzeigenkunden - bedrohe die Unabhängigkeit der Medien, hieß es.

Ähnliches gilt offenbar für das Steuerparadies Luxemburg, das sich um 15 Plätze verschlechterte und nun auf Rang 19 liegt. Dort behinderten Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und Medien einen investigativen Journalismus, monierten «Reporter ohne Grenzen». In Italien, um 24 Plätze auf Rang 73 nach hinten gerutscht, gerieten im vergangenen Jahr «erschreckend viele Journalisten» durch Mafia-Drohungen, Anschläge und unbegründete Verleumdungsanklagen unter Druck.

In manchen Staaten Lateinamerikas bedrohen den Angaben zufolge paramilitärische Banden eine unabhängige Berichterstattung. Im nordostafrikanischen Sudan beschlagnahmten die Behörden 50 komplette Zeitungsauflagen; am düstersten sieht es - wieder einmal – in Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan aus. Der afrikanische Staat sowie die beiden asiatischen Länder bilden das Schlusslicht der Rangliste.

Aber aus Asien kommt zugleich der größte Lichtblick des aktuellen Rankings. Die Mongolei machte einen Sprung um 34 Plätze auf Rang 54. Die Umwandlung der staatlichen in öffentlich-rechtliche Medien trug nach Ansicht von «Reporter ohne Grenzen» zu einem deutlich verbesserten Umfeld für die Arbeit von Journalisten bei.

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