Papstwort über Erziehungsklapps pusht bewährte Pressespielchen

7. Februar 2015 in Kommentar


Franziskus steht wegen seines Erziehungstipps in starkem Gegenwind. Was ist davon zu halten? kath.net-Kommentar von Petra Lorleberg


Stuttgart (kath.net/pl) Es ist ein bewährtes Spielchen: Ein echter oder vermeintlicher Lapsus eines Papstes wird in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Gleichzeitig lässt man andere, unbequemere Aussagen und Themen unter den Tisch fallen. Da aber mit dem Lapsus ein Stück Wirklichkeit abgebildet wird, bemerken es keineswegs alle Zuschauer, dass der Lapsus nur durch einen Zerrspiegel gesehen werden kann. Wie realistisch erkennt man die echte Wirklichkeit – beispielsweise sich selbst – im Zerrspiegel?

Zur Sache: Die Formulierung von Papst Franziskus über Kindererziehung mittels maßvollem Klaps war zweifellos unglücklich und wir Katholiken hätten gern darauf verzichten können. Es gibt kein „würdevolles Schlagen“ von Kindern, trotz aller Wertschätzung von Papst Franziskus muss man dies sagen. Man kann übrigens mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch Papst Franziskus keinen Wunsch hat, sich für eine mäßige körperliche Bestrafung von Kindern zu engagieren.

Es gibt allerdings auch für die Kritiker dieses Papstwortes brennendere Themen. Wenn sich beispielsweise die Grünenpolitikerin und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth über die verunglückte Papstbemerkung echauffiert, dann darf man auch einmal die Frage stellen: Mit welcher moralischen Berechtigung kritisiert ausgerechnet eine Vertreterin der Grünen? Welche Partei hat denn immer wieder die Freigabe der Sexualität mit Kindern (heutzutage nennt man dies „sexuellen Missbrauch“) gefordert und hat dieses Thema bisher kaum aufgearbeitet? Welche Partei engagiert sich stark für schulische Sexualerziehungskonzepte, die den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, zu deutlichsten Äußerungen genötigt haben? In welcher Partei waren bzw. sind Politiker aktiv, deren theoretische und möglicherweise auch praktische Nähe zur Pädophilie nicht aufgearbeitet ist? Wir dürfen einmal ganz kurz fragen, wie groß die berechtigte öffentliche Empörung gewesen wäre, wenn die unglaublichen Bemerkungen des Grünenpolitikers Daniel Cohn-Bendit aus der Feder eines katholischen Geistlichen entsprungen gewesen wären. Ergo: Angesichts der Faktenlage bei den Grünen darf man an das Jesuswort erinnern: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ (Mt 7,3)

Doch es fällt noch ein weiterer Zusammenhang auf. Papst Franziskus äußerte sich in der letzten Zeit mehrfach dezidiert gegen Gendermainstreaming. Das könnte der aktuell herrschenden und offiziell promoteten Denkweise gefährlich werden. Politiker und Massenmedien werden dem Papst hier tunlichst nicht allzu laut widersprechen, denn der offene Widerspruch würde seine Aussagen ja gerade verbreiten. Ebenso hat man bereits seine häufige und explizite Zustimmung und Unterstützung zu den nationalen Prolife-Veranstaltungen „Marsch für das Leben“ geschickt unter den Tisch fallen lassen (Der Papst äußerte sich beispielsweise hier und hier). Das Papstwort über das Familienreferendum in der Slowakei (das Franziskus in der gleichen Veranstaltung wie das Wort zum „würdevollen Schlagen“ sagte) wird nur auffallend zögerlich aufgegriffen, doch sein zeitlicher Zusammenhang mit der Häme über die missglückte Papstaussage zur Kindererziehung ist frappierend. Ich möchte die Vorhersage wagen: Wenn sich Papst Franziskus weiter so dezidiert prolife und so dezidiert gegen Gendermainstreaming äußert, wird den großen Medien jedes halbwegs geeignete päpstliche Fettnäpfchen recht sein, um seine bisher ins ungesund Übergroße gezogene Beliebtheitskurve ins Bodenlose fallen zu lassen.

Was nun? Ein Teil des Charmes unseres Papstes geht ja direkt auf seine herzliche Spontanität in Wort und Geste zurück. Doch während er sich in seinen gestenhaften Handlungen als sehr stilsicher erweist, kommt seine lateinamerikanische Unbeschwertheit im Wort keineswegs immer nur gut an. Einerseits mag man sich wünschen, dass er im wörtlichen Ausdruck den „Wächter vor das Tor seiner Lippen“ stellt, um den der Psalmbeter Gott bittet (Ps 141,3). Doch es ist zu sehen, dass sich Franziskus auch nach knapp zwei Jahren Pontifikat und einigen Fettnäpfchen noch nicht dazu entschieden hat.

Dabei mag man zwei Dinge bedenken: Zum einen hatte sich auch die durch und durch reflektierte Ausdrucksweise von Papst Benedikt XVI. als keineswegs immun vor echten oder herbeigeredeten Fettnäpfchen erwiesen. Und andererseits müsste Franziskus ausgerechnet einen seiner Pluspunkte aufgeben. Ein vorsichtiger, stets reflektierender Papst Franziskus würde hölzern und nur marionettenhaft wirken, er wäre nur noch ein Schatten seiner selbst. Wollen wir dies?

Jene, die Papst Franziskus jetzt so lautstark verurteilen, mögen sich doch fragen, ob sie nicht bisher die unbeschwerte Offenheit des Papstes oft gerade als herzerwärmend empfunden haben. Und ganz leise dürften sie dann die Frage anschließen: Ist ihnen selbst wirklich noch nie ein Wort – oder mehr? – entschlüpft, das sie hinterher nur allzu gern ungeschehen gemacht hätten?

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Generalaudienz 4. Februar 2015




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