Das Thema 'Liturgie' brennt auf den Nägeln – was tun?

11. Februar 2015 in Kommentar


Liturgie in der Diskussion: Wer möchte gegen den Pfarrer den ersten Stein werfen, wenn er sich nicht immer gegen die Aktiven in der Pfarrei sich stemmen kann? Gastkommentar von Pfr. Stephan Spiegel


Senden (kath.net) Peter Winnemöller hat auf kath.net eine wichtige Frage gestellt: „Was kann der Laie tun, wenn der Priester die Liturgie missbräuchlich feiert?“ Auch die anschließende Leserdiskussion zeigt, dass das Thema auf den Nägeln brennt. Anzeigen beim Bischof oder Papst sind halt unsympathisch, denn schon als Schüler haben wir die „Petzen“ nicht gemocht. Liebevolle und konstruktive Kritik bei Betroffenen stößt dagegen oft auf taube Ohren oder der Kritiker steht letztlich selbst als verfemter „Fundi“ da.

Als Pfarrer stehe ich sozusagen auf der anderen, der kritisierten Seite.

Und doch hoffe ich, dass ich seit meiner Priesterweihe 1992 nie bewusst und willentlich die heilige Liturgie verunstaltet habe. Denn die würdige Feier der heiligen Messe ist mir persönlich sehr wichtig, so dass ich an jeder neuen Stelle, an die mich mein Bischof geschickt hat, alle Künste der Diplomatie einsetzen musste, um den Pfarreimitgliedern gleich zu Beginn deutlich zu machen, dass ich die Liturgie der Kirche strikt nach Messbuch und Rubriken feiere und dass die Messe eben kein „Legokasten“ ist, aus dem wir nach eigenem Geschmack Klötzchen bauen können.

Ich bekomme zwar seit meiner Priesterweihe nur noch selten mit, wie in anderen Pfarreien die Mitbrüder zelebrieren. Dennoch möchte ich davor warnen, allzu schnell eine Pauschalverurteilung der Priester auszusprechen. Oft sieht der Pfarreialltag so aus, dass man auf der einen Seite Gläubige hat, die rechtschaffen und fromm die Messe auch werktags mitfeiern, die aber leider oft auch sehr lieblos den Priester kritisieren, wenn ihnen irgendetwas nicht passt und die sich leider oft eben nicht bei den Pfarreiaktivitäten einbringen. Auf der anderen Seite hat man die ebenso rechtschaffenen aber manchmal nicht so frommen Gläubigen, die oft auch nur punktuell in die Messe gehen, die aber die Gremien und die aktive Pfarreiarbeit mittragen. Und die bestimmen zwangsläufig den öffentlichen Ton in der Pfarrei. Wer möchte nun gegen den Priester den ersten Stein werfen, wenn ein Pfarrer nicht immer gegen die Aktiven in der Pfarrei sich stemmen kann? Wenn dem Pfarrer auch noch vor Augen gehalten wird, dass sein Vorgänger oder der Nachbarpfarrer im Dekanat die liturgischen Vorschriften liberaler sieht? Wie viel heroischen Tugendgrad hat man das Recht einzufordern?

Ich habe es selbst in meiner aktuellen Pfarrei erlebt, dass ich den Gläubigen theologisch und liturgisch gegenüber meinem Vorgänger einen Paradigmenwechsel um 180 Grad zugemutet habe. Das ging natürlich nicht geräuschlos. Zuerst sind viele, die sich bisher engagiert hatten, weggebrochen. Das habe ich auch bei den Gottesdienstzählungen gespürt. Doch nach gar nicht so langer Zeit hat sich die Zahl der Mitfeiernden im sonntäglichen Hauptgottesdienst erholt und ist im Vergleich zu vorher sogar gestiegen. Dabei kommen etliche von auswärts in meiner Pfarrei in den Gottesdienst. Nach meiner Meinung aus zwei Gründen:

1. Wir haben keine rotierenden Gottesdienstzeiten, so dass die im religiösen Leben wichtige „Verlässlichkeit“ gegeben ist.
2. In meiner Pfarrei findet man die katholische Liturgie nach Messbuch.

Nur wie groß muss der Leidensdruck bei den Gläubigen sein, dass man sich einer anderen Pfarrei, einem Wallfahrtsort oder einer Gebetstätte zuwendet?

Als Pfarrer möchte man, egal wie man gestrickt ist, den Mitbrüdern in keiner Weise die Gläubigen abwerben. Auf der anderen Seite hat man aber den danach Fragenden und Suchenden auch Heimat zu geben. Nur geholfen ist einem Pfarrer nicht, wenn Gläubige, denen man sich in Sicht von Kirche, Theologie und Liturgie verbunden fühlt, als „Gourmet“ bei einem aufschlagen, die dann aber nach dem Gottesdienst wieder verschwinden und den Pfarrer eben nicht in der Pfarreiarbeit unterstützen. Deren Kinder könnte man dringend als Ministranten brauchen, gerade auch für eine würdige Liturgie. In der Sakramentenkatechese, in der Jugendarbeit und in den Gremien wäre man für deren Unterstützung ebenfalls dankbar.
Deswegen appelliere ich an dieser Stelle daran, dass statt voreiliger Verurteilung der Priester man doch bitteschön in der eigenen Pfarrei mithelfen möge.

Wenn dort der Leidensdruck aus welchem Grund auch immer zu groß ist und man sich einer anderen Pfarrei zuwendet, weil man dort sich liturgisch-sakramental eher zuhause fühlt, dann sollte man aber dort sich auch mit einbringen und mithelfen, dass der Pfarrer dieser Pfarrei seinen Stil auch durchhalten kann.

Stephan Spiegel ist Pfarrer der Pfarrei St. Josef der Arbeiter in Senden/Bistum Augsburg.



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