Pro und Kontra: Den Blasphemieparagrafen abschaffen?

21. Jänner 2015 in Kommentar


Zwei christliche Juristen vertreten gegensätzliche Positionen


Wetzlar (kath.net/idea)In Deutschland ist eine Debatte entbrannt um die Frage, ob der Blasphemieparagraf abgeschafft werden sollte. Paragraf 166 Strafgesetzbuch ahndet Schriften, die „religiöse oder weltanschauliche Bekenntnisse anderer in einer Weise beschimpfen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Hintergrund ist der Terroranschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, die durch ihre Mohammed-Karikaturen bekanntwurde. Die islamististischen Täter wollten nach eigenen Angaben mit der Ermordung von zehn Redaktionsmitgliedern den Propheten rächen. Sollte der Blasphemieparagraf zugunsten der Meinungsfreiheit abgeschafft werden? Zu dieser Frage nehmen zwei Juristen in einem Pro und Kontra für die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) Stellung.

Rechtsanwalt: Gott hält jede Art menschlicher Beleidigung aus

Der Rechtsanwalt Ingo Friedrich (Babenhausen bei Darmstadt) – Mitglied der Initiative „Christ und Jurist“ – hält es nicht für notwendig, die bestehende Fassung des Paragrafen 166 StGB zu schützen. Die Vorschrift spiele in der Rechtspraxis keine Rolle. Friedrich zufolge können Christen gelassen bleiben, wenn eine Kirche als „Kinderfickersekte“ beleidigt werde: „Damit kommt Gott schon selber klar.“ Wenn man aber jemand umbringen müsse, nur weil die historische Person Mohammed gezeichnet wird, frage er sich, so der Jurist: „Kann es sein, dass da etwas wild verteidigt wird, was keinen Wahrheitsanspruch verdient?“ Außerdem gebe es andere Tatbestände wie Beleidigung oder Volksverhetzung, mit denen solche Äußerungen verteidigt werden könnten. Außerdem könne der öffentliche Friede durch Maßnahmen der Verwaltungsbehörden – zum Beispiel Bilderverbote bei Demonstrationen – geschützt werden. Friedrich: „Ich glaube an einen Gott, der jede Art von menschlicher Beleidigung aushält, ja sich sogar bis zum Tode hat ‚beschimpfen‘ lassen. Die Kirchen selbst täten besser daran, aus vollem Herzen Christus zu suchen, als durch fragwürdige Strafvorschriften ein Kulturchristentum wahren zu wollen.“

Kontra: Die Strafbestimmungen beibehalten

Der Position Friedrichs widerspricht der frühere Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, Prof. Axel von Campenhausen (Hannover). Nach seinen Worten hat die augenblickliche Unruhe mit dem, was undeutlich unter Gotteslästerung verstanden werde, nichts zu tun. Die brutalen Morde von Paris zielten mit der Pressefreiheit auf ein zentrales Stück der demokratischen Ordnung. Von einer Störung der religiösen Gefühle wegen der Karikaturen könne keine Rede sein. Er erkläre sich zwar solidarisch mit dem Protest gegen die Morde von Paris: „Aber ich erkläre mich nicht identisch mit dem Namen der Zeitschrift. Ich finde die systematische Verhöhnung der Religion scheußlich.“ Er würde weder eine Zeitschrift kaufen, die die Religionen verhöhne, noch durch Wiederabdruck weiterverbreiten und dadurch für sie werben. Aber nicht das bilde die Gefahr. Man brauche davon keine Kenntnis zu nehmen. Die Bedrohung gehe aus von Muslimen, die den Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols nicht achteten und selbst ohne staatlichen Auftrag strafend eingriffen: „Dagegen müssen wir uns rüsten, aber nicht durch Änderung oder Abschaffung der Strafbestimmungen über die Gotteslästerung.“


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