Darf man ein Baby töten, wenn es nur kurz leben wird?

19. Jänner 2015 in Kommentar


„Wieso ist es erlaubt, ‚vernünftig‘ oder gar ‚menschlich‘, einen Menschen zu töten, weil sein Tod in Kürze eintreten wird? Wie lange muss die vorhergesagte ‚Lebenskürze‘ sein, dass man töten darf?“ Ein kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun


Salzburg (kath.net) „Wenn keine reelle Lebenschance besteht und das Kind und die Eltern leiden, dürfen Ärzte mit einer letalen Injektion das Leben des Babys beenden“, heißt es in einer Grundsatzerklärung der niederländischen medizinischen Gesellschaft. Ich möchte denen, die jetzt denken, das ist doch „nicht ganz unvernünftig“, die Geschichte von „meiner geliebten Angelika“ erzählen, die nun schon rund 20 Jahre zurückliegt. Ich habe sie damals aufgeschrieben und auch veröffentlicht. Es war so:

Lebhaft sehe ich auch heute noch die kleine Angelika vor mir: Sie lebte nur, weil sie an Schläuchen hing, die ihr eine Arterie ersetzten, die ihr eben fehlte. Im mütterlichen Kreislauf konnte sie leben, aber jetzt außerhalb ihrer Mutter nicht mehr! Operieren unmöglich, ebenso unmöglich ein endloses Leben an Schläuchen. Ihre Eltern, die Ärzte, ich – wir alle wussten, dass dieses Kind sehr bald sterben wird. Ich taufte sie, die Eltern nahmen weinend Abschied, und wir trugen sie zu Grabe.

Szenenwechsel: Laut Meldung im ORF will eine Bäuerin abtreiben. Dem Kind fehlt ein lebensfähiges Organ und es wird kurz nach der Geburt sterben. Besser gleich abtreiben, sagen die Ärzte. Die Krankenkasse lehnt die Bezahlung des „Eingriffs“ zunächst ab, lenkt unter dem politischen und öffentlichen Druck dann aber ein und wird zahlen, jetzt und bei ähnlichen Fällen.

Ich halte dagegen: Warum? Wieso ist es erlaubt, „vernünftig“ oder gar „menschlich“, einen Menschen zu töten, weil sein Tod in Kürze eintreten wird? Wie lange muss die vorhergesagte „Lebenskürze“ sein, dass man töten darf? Oder soll? Ist das nur vor der Geburt so, nachher nicht mehr oder doch auch noch?

Zurück zu Angelika: Angelika ist in Würde gestorben, und die Eltern denken in Liebe an sie. Wie wird es der Frau gehen, die damals abtreiben wollte oder auch abgetrieben hat? In diesem Fall starb ihr Kind anders. Das „Wie“ seines Todes zu erzählen gilt als „unkorrekt“. Anders wird auch die Erinnerung sein, ganz, ganz anders.

Wie gerne würde ich dieser Frau von Angelika erzählen, die in Würde gestorben, ihren Eltern und uns allen in den Himmel voraus gegangen ist und immer einen Platz im Herzen derer haben wird, die sie liebten. Auch in meinem!

Als ich die oben zitierte Meldung aus Holland las, dachte ich sofort an „meine Angelika“, an die Zärtlichkeit und die Tränen ihrer Eltern. Und an die Trauer aller, die ihren Abschied miterlebten. Vieles, was sich in all den vergangenen Jahren meines Lebens ereignet hat, habe ich vergessen. Meine liebe Angelika nicht! Wenn ich einmal sterbe, wird sie mir entgegenkommen!

kath.net-Buchtipp
Klartext III
Dialog mit dem Zeitgeist
Von Andreas Laun
Taschenbuch, 104 Seiten
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ISBN 978-3-902686-59-6
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