«Wer meine Mutter beleidigt, bekommt eins auf die Nase»

16. Jänner 2015 in Chronik


Papst Franziskus über Meinungsfreiheit und religiöse Gefühle


Manila (kath.net/KNA) Papst Franziskus hat sich für Grenzen der Satire ausgesprochen. Mit Blick auf die französische Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» äußerte er sich am Donnerstag auf dem Flug nach Manila vor Journalisten zum Verhältnis von Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die betreffende Passage aus dem Transkript des Vatikans in einer eigenen Übersetzung.

Frage von Sebastien Maillard («La Croix»): Heiliger Vater, gestern Morgen haben Sie während der Messe von der Religionsfreiheit als fundamentalem Menschenrecht gesprochen. Aber bis zu welchem Punkt darf die Meinungsfreiheit, die ebenfalls ein fundamentales Menschenrecht ist, mit Rücksicht auf die Religionen gehen?

Papst Franziskus: Ich glaube, dass beide fundamentale Menschenrechte sind: die Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit. (...) Sie sind Franzose. Blicken wir nach Paris! Reden wir Klartext. Man kann nicht die Wahrheit verleugnen, dass jeder das Recht hat, seine Religion frei zu praktizieren, ohne zu beleidigen. So machen wir es, und so wollen es alle tun. Zweitens, man kann nicht beleidigen, Krieg führen, töten im Namen der eigenen Religion, das heißt im Namen Gottes. Das, was gegenwärtig passiert, macht uns ein bisschen... erstaunt uns. Aber denken wir an unsere Geschichte: Wie viele Religionskriege hatten wir. Denken sie an die Bartholomäus-Nacht. Wie können wir das verstehen? Auch wir sind in dieser Hinsicht Sünder. Man darf nicht im Namen Gottes töten. Das ist eine Verirrung. Töten im Namen Gottes ist eine Verirrung. Ich glaube, dass dies das wichtigste an der Religionsfreiheit ist: man muss sie in Freiheit ausüben, ohne zu beleidigen und ohne vorzuschreiben und ohne zu töten.

Die Meinungsfreiheit: Jeder hat nicht nur die Freiheit, das Recht, sondern auch die Pflicht, das zu sagen, was er als förderlich für das Gemeinwohl betrachtet. Die Pflicht: Denken wir an einen Abgeordneten, einen Senatoren. Wenn er nicht das sagt, was er für den richtigen Weg hält, trägt er nicht zum Gemeinwohl bei. Und nicht nur sie, sondern viele andere auch. Wir haben die Pflicht, frei zu sprechen, wir haben diese Freiheit, aber ohne zu beleidigen. Es ist wahr, dass man nicht mit Gewalt reagieren darf: Aber wenn mein guter Freund, Doktor Gasbarri (Anm. d. R.: päpstlicher Reisemarschall, der während der Pressekonferenz neben dem Papst steht; Franziskus deutet einen Faustschlag in seine Richtung an) meine Mutter beleidigt, bekommt er eins auf die Nase (wörtlich: erreicht ihn ein Faustschlag). Man darf nicht provozieren, man darf nicht den Glauben der Anderen verletzen, man darf sich nicht über den Glauben lustig machen.

Papst Benedikt XVI. hat in einer Ansprache - ich weiß nicht mehr in welcher - von einer post-positivistischen Mentalität, von einer post-positivistischen Metaphysik gesprochen, die am Ende zu dem Glauben führt, Religionen und religiöse Ausdrucksformen seien eine Art von Subkultur, die toleriert wird, aber nur geringen Wert hat und nicht Bestandteil der aufgeklärten Kultur sind. Und das ist das Erbe der Aufklärung.

Viele Personen reden schlecht von den Religionen, mache sich lustig über sie, machen die Religionen der Anderen zum Spielzeug, sie provozieren, und es kann das passieren, was passiert, wenn Doktor Gasbarri etwas gegen meine Mutter sagt. Es gibt eine Grenze. Jede Religion hat Würde, jede Religion, die das menschliche Leben achtet. Und ich kann mich darüber nicht lustig machen. Und das ist eine Grenze. Ich habe dieses Beispiel einer Grenze benutzt, um zu sagen, dass der Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt sind, wie im Fall meiner Mutter. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, Ihre Frage zu beantworten.

(C) 2014 KNA Katholische Nachrichten-Agentur GmbH. Alle Rechte vorbehalten.



© 2015 www.kath.net