Gerhard Ludwig Müller: 'Glaube an Christus als Kompass'

14. April 2003 in Deutschland


Der Bischof von Regensburg begang mit 800 Jugendlichen am Sonntag den Weltjugendtag: "Jesus habe nicht auf gute Stimmung gesetzt und sei auch nicht zusammengebrochen, als seine 'Einschaltquote' zurückgegangen ist"


Regensburg (kath.net/pdr)
„Es liegt an uns und vor allem an Euch jungen Menschen, wie die Zukunft aussieht. Seid Schrittmacher für eine menschenfreundliche und gegenüber Gott offene Zukunft!“ Mit diesem Appell ermutigte der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller beim ersten diözesanen Weltjugendtag im Dom die „Jugendlichen und Junggebliebenen“, die er am Palmsonntag zur Mitfeier des Tages eingeladen hatte. Resignation oder ein bloßes auf sich zukommen lassen des Geschehens sei keine christliche Haltung. „Gott hat uns die Zeit geschenkt, um unsere Umgebung und die Geschichte in seinem Sinn mitzugestalten“, so der Bischof. Bei der abschließenden Versöhnungsfeier war der Bischof einer der über 20 Geistlichen, die in den Seitenschiffen der Kathedrale für persönliche Gespräche und zum Spenden des Bußsakramentes Platz nahmen und zahlreiche Beichten hörten. Die diözesanen Weltjugendtage am Palmsonntag sollen weltweit auf den Weltjugendtag im Jahr 2005 in Köln vorbereiten. Auf dem Programm in Regensburg, das das bischöfliche Jugendamt und die „Jugend 2000“ vorbereitet hatten, standen am Nachmittag ein kurzer Vortrag des Bischofs, ein ausführliches Gespräch der Jugendlichen mit ihm und eine Internet-Direktübertragung der Übergabe des Weltjugendtagskreuzes an die Kölner auf dem Petersplatz in Rom.

An der Katechese nahmen etwa 500 Jugendliche teil, 800 am Gottesdienst im Dom. Zum Auftakt waren die Jugendlichen eingeladen, die Palmweihe, die Palmprozession und den Palmsonntagsgottesdienst im Dom mitzufeiern.

Katechese: Glaube an Christus als Kompass

„Unser Glaube an Jesus Christus ist unser Kompass, der uns den Weg auch durch schwieriges Gelände im Leben weist“, so beschrieb der Bischof in seiner Katechese mit den Jugendlichen im überfüllten großen Saal des Diözesanzentrums Obermünster die entscheidende Orientierung im Leben. Diese Kompassnadel wackle nicht orientierungslos hin und her, weil sie sich nicht am Stimmengewirr von Stars, Fernsehen oder Medien orientiere. „Wir haben den Pol der die Nadel bestimmt, unser Nordpol ist Jesus Christus. Wir sind von Gott und seinem Sohn Jesus Christus angezogen!“ Mit dieser Orientierung und dem eigenen Verstand müsse sich jeder selbst Gedanken machen und könne erfahren, dass er von Gott bei seinem Namen gerufen ist und sein Leben nicht einem beliebigen Zufall verdanke. Aus dieser Erfahrung heraus ergebe sich die Aufgabe, die Welt mitzugestalten. „Unser Leben ist ein Geschenk, an dem wir uns freuen dürfen, das Kraft, Hoffnung, Talente und viele Fähigkeiten in sich birgt, die wir zur Entfaltung bringen sollen“, so der Bischof. „Das kommende Jahrhundert liegt vor uns, ergreifen wir es, es gehört Euch“, ermutigte der Bischof die Jugendlichen.

Mut und Freiheit, nicht um jeden Preis modern sein zu müssen

„Du bist 17 und gehst noch in die Kirche, da ist es doch langweilig, das ist doch nicht mehr modern! Solche Fragen kenne er natürlich auch, bekannte der Bischof im Gespräch mit den Jugendlichen. Dabei komme es aber darauf an, sich von dem, was gerade als modern gilt, nicht versklaven zu lassen und die neue Freiheit zu genießen und zu nutzen, wenn man diesen Zwang, modern sein zu müssen, hinter sich gelassen hat. Gerade der Palmsonntag zeige, dass eigene Erwartungen der Menschen, wie der Erlöser der Welt auszuschauen habe oder aktuelle Strömungen und Stimmungen nicht entscheidend im Leben sein können. Innerhalb weniger Tage sei die Stimmung gegenüber Jesus von totaler Begeisterung in die Forderung an Pilatus umgeschlagen: „Kreuzige ihn!“ Jesus habe nicht auf gute Stimmung gesetzt und sei auch nicht zusammengebrochen, als seine „Einschaltquote“ zurückgegangen ist. „Treue zu Gott, der Wille Gottes und das Heil der Menschen“, das sei dagegen die Richtschnur im Leben Jesu gewesen. Sich vorbehaltlos und ohne „Hintertürchen“ auf diese Liebe und Treue Gottes einzulassen sei der entscheidend christliche Weg. Wer so lebt, der erfahre auch, dass die Liebe Gottes uns in Freude und Leid begleitet.

Lebendiges Gespräch – Kirche nicht mehr angesagt – was kann man da machen?

Im Gespräch mit dem Bischof reichten die Fragen von „Dauerbrennern“ wie Stellung der Frau in der Kirche, über aktuelle politische Fragen wie den Irakkrieg, bis hin zu sehr persönlichen Fragen an den Bischof, zum Beispiel was ihn zum Glauben geführt hat. „Kirche ist nicht mehr angesagt – Was kann man da machen ?“, lautete eine der Fragen aus dem jungen Publikum. „Wir sind gerade mitten drin“, entgegnete der Bischof. Es komme darauf an, sich gegenseitig im Glauben zu bestärken und dann, wenn es Fragen zum Glauben gibt, sich nicht zu verkrümeln oder zu verstecken. Wenn man erst einmal das Vorurteil abgelegt hat, Glaube sei unmodern, wenn man diesen Vorwurf als „stumpfe Waffe für sich definiert hat“, dann lebe man frei. „Oft beginnen ja erst nach 10 Uhr abends die religiösen Fragen, da muss man sich dann trauen und auch noch nüchtern sein“, ermutigte der Bischof schmunzelnd die Jugendlichen, alle Chancen zu nutzen, um über den Glauben und seine befreiende und sinnstiftende Wirkung zu sprechen. Einen Wortgottesdienst in der Disco könne er sich durchaus vorstellen, nicht aber eine Disco in der Kirche, so lautete die knappe Antwort auf eine andere Frage.

Sakramentale Beichte als Ausdruck der persönlichen Gottesbeziehung – Eindrucksvolle Zeugnisse Jugendlicher

In seiner kurzen Ansprache bei der abschließenden Versöhnungsfeier im Dom stellte der Bischof nochmals die persönliche Gottesbeziehung heraus, das gerufen sein jedes einzelnen Menschen „bei seinem Namen“. Auch im Zentrum der Seelsorge und vor allem der Jugendseelsorge müsse der einzelne Mensch stehen und nicht Strategien oder geschickte Inszenierungen. „Jeder Mensch, besonders aber Jugendliche, haben ein untrügliches Gespür dafür, ob es jemand mit ihnen Ernst meint“, nannte der Bischof eine entscheidende Erfahrung. Er dankte allen Erwachsenen, vor allem aber auch den zahlreichen Jugendlichen, die in der Jugendarbeit in dieser Weise sich selbst einbringen und so glaubwürdig die Botschaft weitergeben.

Auch die besondere Bedeutung der sakramentale Beichte habe dieses ganz persönliche Verhältnis zwischen Gott und jedem einzelnen Menschen zur Grundlage. Die Vergebung der Sünden ereigne sich dabei nicht gleichsam in „einem großen Aufwasch“, sondern ganz persönlich zwischen dem bekennenden Sünder und dem lossprechenden Priester, der bildlich gesprochen das „Ohr Gottes“ sei. Auch die Lossprechung sei ein Geschenk Gottes an jeden einzelnen persönlich. Drei Jugendliche gaben vor dem Angebot zur Beichte von dieser persönlichen und befreienden Erfahrung ein nüchternes und gerade dadurch sehr eindrucksvolles Zeugnis. Damit sprachen sie die Einladung an die anderen Jugendlichen zum Empfang des Bußsakramentes aus, die rege wahrgenommen wurde.

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