Wenn Christen leichter über Sex als über das Gebet reden

9. Jänner 2015 in Spirituelles


Evangelischer Experte: Eine Gegenbewegung zur allgemeinen Gebetsmüdigkeit macht Hoffnung


Wetzlar (kath.net/idea) An vielen Orten ist es einfacher, in der Kirche über Sexualität zu reden als über das Gebet. Diese Erfahrung macht der Leiter des Runden Tisches Gebet der „Koalition für Evangelisation“, der evangelische Diplom-Theologe Bernd Oettinghaus (Frankfurt am Main). „Es setzt eine gewisse Sprachlosigkeit ein, wenn es ums Gebet geht“, sagte er in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar). Viele Menschen seien unsicher und erlebten die Intensität des Betens nicht mehr. Andere seien gebetsmüde geworden und redeten im Alltag nicht mehr mit Gott: „Dabei tut es so gut, wenn wir es tun.“ Oettinghaus äußerte sich anlässlich der internationalen Gebetswoche der Evangelischen Allianz vom 11. bis 18. Januar. Dazu werden allein in Deutschland rund 300.000 Teilnehmer an 1.100 Orten erwartet. Die Woche steht unter dem Motto „Jesus lehrt beten – das Vaterunser“. Oettinghaus – auch Leiter der Gebetsarbeit der Evangelischen Allianz Frankfurt am Main – bedauert, dass theologische Ausbildungsstätten das Gebet oft nicht mehr auf ihren Lehrplänen hätten. Außerdem litten Pastoren daran, dass das Gebetsleben häufig eine ihrer Schwachstellen sei. Über sie predige man nicht gerne. Die Folge: „Es mangelt an Lehre über das Gebet, und es fehlt an kreativer Praxis.“ Es bleibe an die Alten in den Gemeinden delegiert.

Morgengebet im Schnellrestaurant

Oettinghaus sieht allerdings auch eine Gegenbewegung zur allgemeinen Gebetsmüdigkeit. Menschen suchten die Begegnung mit Gott aber in neuen Formen. Hoffnung machten zum Beispiel Gebetshäuser, die derzeit in mehreren Städten entstünden. Sie sind teilweise rund um die Uhr geöffnet, damit sich dort Christen jederzeit an Gott wenden können. Beeindruckend sei zum Beispiel auch eine afrikanisch-internationale Gebetsgruppe in Frankfurt am Main, deren Mitglieder sich am Morgen in einem Schnellrestaurant treffen, um füreinander und für ihre Arbeit zu beten. Auch die Zahl der Gebetskreise am Arbeitsplatz habe zugenommen. Sogar Parlamentarier im Deutschen Bundestag und in einzelnen Landtagen träfen sich regelmäßig zum Gebet.

Erweckung hat schon bei den Betern begonnen

Oettinghaus ist sich sicher: „Wenn wir uns wieder mehr um das Beten kümmern, treibt uns die Sehnsucht nach Gott in seine Arme, und Erweckung hat schon bei den Betern begonnen.“ Er ermuntert christliche Ehepaare, miteinander zu beten. Das Gebet gehöre zu den intensivsten Dingen, die man gemeinsam tun könne. Oettinghaus empfiehlt Paaren, mit dem Vaterunser anzufangen: „Es ist Gottes großes Geschenk an uns. Und es ist ein Gemeinschaftsgebet. Nicht ohne Grund heißt es ‚Vaterunser‘ und nicht ‚Vatermein‘.“ Der Theologe äußert sich auch zur Frage, wie man beim Beten Gott hört: „Dadurch, dass vor meinem inneren Auge Erkenntnisse aufleuchten, etwa ein Bibelvers, dass mir Menschen einfallen, die ich kontaktieren sollte, oder ich plötzlich weiß, was zu tun ist.“ Dabei entstehe ein Friede Gottes über Entscheidungen.

Gebetshaus Augsburg - Dr. Johannes Hartl - Culture of Prayer - Kultur des Gebetes



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