Pegida-Demonstranten nicht pauschal als Neonazis abtun

22. Dezember 2014 in Deutschland


Für eine differenzierte Beurteilung der Pegida-Demonstrationen sprechen sich führende Repräsentanten der evangelischen Kirche aus. Fremdenhass und Islamfeindlichkeit erteilen sie eine Absage, gleichzeitig warnen sie vor pauschalen Verurteilungen.


Frankfurt am Main/München/Osnabrück (kath.net/idea) Für eine differenzierte Beurteilung der Pegida-Demonstrationen und ihrer Teilnehmer sprechen sich führende Repräsentanten der evangelischen Kirche aus. Fremdenhass und Islamfeindlichkeit erteilen sie eine klare Absage, gleichzeitig warnen sie vor pauschalen Verurteilungen der Demonstranten. Pegida steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Seit mehreren Wochen kommen Zehntausende in Dresden und anderen deutschen Städten unter diesem Motto zu Protestkundgebungen zusammen, meist begleitet von Gegendemonstrationen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), warnt vor vorschnellen Etikettierungen. „Man darf die Leute nicht gleich als Neonazis abtun“, sagte er in hrInfo, dem Informationsradio des Hessischen Rundfunks (Frankfurt am Main). Das stelle Menschen in eine Ecke, der sie sich nicht zugehörig fühlten.

Stattdessen müsse man genauer hinschauen, welche Motive hinter den Protesten stecken: „Ich möchte verstehen, warum Menschen bei solchen Demonstrationen mitlaufen.“ Allerdings sollten sich die Demonstranten deutlich von Fremdenhass und Islamfeindlichkeit abgrenzen: „Es ist dringend nötig, dass diejenigen, die da mitlaufen, sich bewusst werden, vor welchen Karren sie möglicherweise gespannt werden.“

Wenn für Menschenfeindlichkeit christliche Symbole wie das Kreuz benutzt würden, sei das „ganz bestimmt Missbrauch“, so Bedford-Strohm.

Einen Grund für die abwehrende Haltung gegenüber Flüchtlingen sieht der EKD-Ratsvorsitzende in Versäumnissen der Politik. So müssten neuankommende Flüchtlinge zum Teil außerhalb von Unterkünften lagern, viele Asylverfahren dauerten Monate, mitunter Jahre. Bedford-Strohm: „Wir brauchen Hunderte zusätzliche Entscheider, die diese Asylanträge bearbeiten. Deshalb fordere ich von der Politik, dass endlich die notwendige Zahl von Entscheidern zur Verfügung gestellt wird.“

Angst vor radikalem Islam verständlich

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister äußerte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung Verständnis für Menschen, die Angst vor dem radikalen Islam haben. Da helfe es wenig zu erklären, dass die Extremisten eigentlich keine Muslime seien, weil sie den Islam falsch auslegten: „Angst hört nicht auf Argumente.“ Mehr helfen würden Erfahrungen mit Muslimen, die ihre Religion friedlich leben, etwa durch Begegnungen in der Nachbarschaft. Klar abgrenzen müsse man sich gegenüber anti-islamischen und antisemitischen Haltungen. Aber man mache einen Fehler, wenn man die Pegida-Demonstranten grundsätzlich unter einen Rechtsradikalen-Vorwurf stelle.

Meister betonte, dass er kein Ziel von Pegida teile, aber er warne vor eine Polarisierung der Gesellschaft: „Wir müssen mit positiven Beispielen das leben, was wir als zukunftsfähig empfinden: eine plurale Gesellschaft mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen, die aushält, dass sie verschieden ist.“ Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) halte er für Christen als wählbar, weil sie sich zur deutschen Verfassung bekenne. Das gelte auch für die Partei „Die Linke“.

Friedensbeauftragter gegen Pauschalurteile

Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms (Bremen) warnte vor einem Anwachsen der Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sowie gefährlichen Ressentiments gegenüber dem Islam. Pauschale Urteile über die Pegida-Demonstranten lehnte aber auch der Leitende Geistliche der Bremischen Evangelischen Kirche ab: „Allen Menschen, die da mitmarschieren, Rassismus und Faschismus vorzuwerfen, hilft nicht weiter. Aber alle, die zu diesen Veranstaltungen kommen, müssen sich auch bewusst sein, welche Positionen hier vertreten werden und was sie unterstützen.“

„Vorurteile und diffuse Ängste

Scharfe Kritik an den Pegida-Demonstrationen übte der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung (Darmstadt), der auch der Kammer für Migration und Integration der EKD vorsteht. Die Verantwortlichen schürten „Vorurteile und diffuse Ängste“. Niemand in Deutschland müsse eine Islamisierung oder eine Überfremdung fürchten. Zudem verletzten die Pegida-Verantwortlichen fundamentale Werte der abendländischen Kultur wie Nächstenliebe und Schutz der Fremden. Kein Verständnis hat Jung für die Ankündigung, bei der nächsten Demonstration am 22. Dezember Weihnachtslieder singen zu wollen: „Ich empfehle den Demonstranten, einmal gründlich darüber nachzudenken, um wen es in diesen Weihnachtsliedern geht: um das Kind in der Krippe, für das kein Platz da war, und das schnell zu einem Flüchtlingskind wurde.“

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